Die Ruinen der Burg Sülestorp (Sülsdorf)

Aus: Mecklenburgische Sagen
Autor: Studemund, Friedrich (1784-1857) Pastor an der Nikolaikirche in Schwerin, Erscheinungsjahr: 1848
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Sagen, Mittelalter, Raubritter, Ritterburg, Burgruine, Wegelagerer, Sülsdorf
In einer noch rauen, holzreichen Gegend des Fürstentums Ratzeburg, der weder Spaten noch Axt das vaterländische, altertümliche Urkennzeichen, Sumpf und Wald entwendet hat, liegt in dem Gehölze, und von diesem durch eine breite Wiese getrennt, eine mit Eichen, Buchen und Ulmen überwachsene Ruine, jetzt der Bauhof genannt, nahe bei dem Dorfe Sülsdorf, (in alten Urkunden Sulestorp, Tzillestorp) zu dem sie gehört.

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Diese zerstörte Ritterburg ist unstreitig die schönste Ruine im Fürstentum. Der Sage nach war sie die festeste ihrer Zeit; nur durch List und Verräterei konnte sie fallen. Sie ist die einzige, von der die Sage, schon viele Jahrhunderte alt, den Besitzer, seine Taten, und selbst den Verräter bei den umherwohnenden Landleuten im Andenken erhalten hat.

Dem Augenmaße nach hat sie eine Grundstäche von ungefähr 1.000 Quadratruten und ist mit dreifachen, noch zusammenhängenden Wällen umgeben. Noch jetzt haben sie nicht ihre Höhe, die Wassergräben nicht ihre Tiefe verloren, obgleich sie vielleicht über die Hälfte mit Schlamm und Moder angefüllt sind. Um zu erkennen, wie das Ganze ehemals war, braucht man nicht seine Einbildungskraft zu Hilfe zu rufen. Der Plan des Ganzen liegt klar und deutlich vor Augen. Im Innern ist ein geräumiger Platz, worauf die nötigen Gebäude zur Wohnung und zu Pferdeställen gestanden haben: der Burg-Platz. Ein schmaler Eingang führt von Nordost durch die Gräben auf diesen freien Raum. Verbunden war er mit dem festen Lande durch Brücken; die älteren Einwohner erinnern sich aus ihrer Jugendzeit noch der Brücken zwischen den Gräben.

Auf der Südseite sind die Trümmer eines Warteturms, in welchem wohl mancher Ritter und Kaufmann schmachtete, bis seine erkaufte Erlösungsstunde schlug. Die Gemäuer des Turms sind weggebrochen, aber das Dasein des Verlieses verraten besonders die noch nie aufgedeckten Höhlungen in der Erde, jetzt der Füchse und Dachse Behausung. Noch jetzt ist dieser Ort von dem Burgplatz durch einen Graben getrennt; auf der entgegengesetzten Seite ist noch ein ähnlicher, aber nicht durch Gräben abgesonderter runder Ort.

Die morastigen Wiesen, welche die Burg auf drei Seiten umgeben, waren eine sichere Vormauer und noch ist eine Währe da, durch die man das Ganze unter Wasser setzen kann; ein natürlicher Abfluss fließt um das Dorf. Diese Wiese trennt den Bauhof vom nahen Dorfe; gegen Osten und Westen umschließt eine Anhöhe die Burg, welche jedoch nicht so hoch ist, dass sie von jenem Turme aus das spähende Auge verhindert hätte, den Fremden zu erblicken und den vorüberziehenden Kaufmann zu bemerken, um ihn dann durch Bruch und Wald beschleichen zu können.

Der letzte Besitzer — so erzählt die Sage — Otto von Plön, hauste hier mit seinen zwei jungen Söhnen, ein übelberüchtigter Wegelagerer. Die Lübecker Kaufleute waren es, auf welche er sein Augenmerk richtete, die Landstraße nach Dassow und Schönberg war ihm nahe und durch Großen Mist und Kleinen Mist*) pflegte er sie zu beschleichen. Jedoch nicht diese allein, alles, was ihm aufstieß, ward seine Beute. Dadurch allgemein verhasst, ward er oft auf seiner Burg belagert; aber er äffte seine Feinde, denn er hatte seinen Pferden die Hufeisen verkehrt unterlegen lassen, so dass sie nie wissen konnten, wann er mit seinen Reitern zurückgekehrt oder davon gezogen war. Gewalt konnte nichts gegen ihn ausrichten, nur durch Verrat geriet seine Burg in die Hände der Feinde.

*) Dörfer jener Gegend

Ein Hirte, Namens Häne, verriet es den, von der Seite von Schwerin, also östlich herbeikommenden Feinden, dass er auf seiner Burg sei. Dieser Häne, Hirte zu Rieps, verspricht jenen Völkern, sie in die Burg einzuführen und als Lohn bedingt er sich aus, Brot bis in den Tod. Glücklich geht der Zug; sie fangen Otto, erschlagen ihn und führen seine beiden Söhne mit sich. Auch dem Verräter halten sie treulich ihr Versprechen, sie erhängen ihn noch auf dem Zuge und rufen ihm zu: nun habe er Brot bis in den Tod gehabt! Auf dem Riepser Felde wird noch die Eiche gezeigt, an der sie ihn erhängten, und das Land umher führt noch den Namen: Hänenbrook.

So lautet diese Sage, welche, so wie sie sich erhalten, und im Munde des Volks gebildet hat, zu den merkwürdigeren gehört, weil ihr so wenig das rein Historische — in der Geschichte selbst liegend — als der poetische Moment, in der Belohnung, welche der Verräter erhielt, fehlen. Sie ist rein Volkstümlich, wie denn sich überhaupt in diesem Dorfe ein reiner, wendischer Stamm, sowohl im Namen, als in der körperlichen Bildung erhielt.

Wann diese Burg zerstört sei, ließ sich nicht auffinden. Bekanntlich zerstörte Johann und Heinrich von Mecklenburg, in Verbindung mit andern Fürsten, ums Jahr 1291 der Burgen viele. Cranz Vand. I. 7. c. 41. gibt mehrere namentlich an, obgleich 7 von diesen in hiesiger Gegend liegen, — die nahe Lübecks war besonders günstig für diese damals allgemeine und ehrenvolle Beschäftigung des Adels — und obgleich auch Slavestorp unter ihnen angeführt wird, von dem Sülstorf noch keine Meile entfernt ist, so wird dies doch nicht mit genannt.

Die Urkunden des Großherzogl. Domarchivs in Ratzeburg geben ein helleres Licht über die Art und Weise, wie es aus den Händen des Otto von Plön an den bischöflichen Stuhl von Ratzeburg gekommen ist. Im Jahr 1334 ist das Gut (Kona) Sülsdorf (Sulestorp, Tzillestorp) nebst dem Dorfe Thundors (Tanendorp) von der Erbtochter des Ritters Otto von Plön und deren Gemahl Ludolf v. Hasenkop (nachmaligem v. Maltzahn) für 1.300 Mark Lübisch an das Domkapitel zu Ratzeburg verkauft. Ein anderer Otto von Plön, Knapp, war damals Vormund der Kinder Ottos von Plön, des Ritters. Zwischen diesem und dem Kapitel entstand ein Streit über die curia, den Hof zu Sülsdorf, und das Kapitel musste 1341, um diesen zu schlichten, noch 36 Mark Lübisch zugeben. Im Jahr 1361, unter Bischof Heinrich v. Wittorp, kauften die Bauern des Dorfes Sülstorf das Eigentum des Hofes daselbst, nebst den anliegenden Äckern und der Koppel, für 60 Mark Lübisch.

Nehmen wir diese urkundlichen Zeugnisse zu Hilfe, so scheint sich zu ergeben, dass die Burg nicht lange vor 1334 zerstört ward, weil damals die Kinder des Ritters Otto von Plön noch minorenn waren; zerstört aber muss sie schon gewesen sein, weil der Bischof Heinrich v. Wittorp sie sonst nicht den Bauern verkauft haben würde. Ruine also und Sage haben schon ein Alter von über 500 Jahren!

Sülsdorf, Sühnestein

Sülsdorf, Sühnestein

Mittelalterliche Burganlage

Mittelalterliche Burganlage

Angriff auf eine Burg

Angriff auf eine Burg

Rittermahl

Rittermahl