Die Plattdeutschen

Aus: Unterhaltungen am häuslichen Herd. Herausgeber: Gutzkow, Karl. Neue Folge . Band 5
Autor: Gutzkow, Karl (1811-1878) deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Journalist, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Plattdeutsch, Klaus Groth, Literatur
Dass wir für die plattdeutschen Sonderbestrebungen in unserer schönen Literatur, die dem Vorgange Klaus Groths folgten, wenig Sympathie haben, wurde von uns bereits mehrfach in diesen Blättern angedeutet.

Die Mode der Schwarzwaldlerei scheint vorüber, die Salon-Schwaben ziehen ein anderes Garderobenstück an; die vornehmen Damen aus Mecklenburg und Pommern besinnen sich, dass sie auf ihren Gütern als Kinder eine Zeit lang die Sprache der Gänsemädchen gesprochen. Nun radebrechen sie abends in der Residenz beim Tee plattdeutsche Lieder vom „Maan“ statt vom Monde und von „Thran“ statt von Tränen.

Die plattdeutsche Lyrik, wie sie der alte Ober-Tribunalrat Bornemann in Berlin gehandhabt hat, ist uns noch immer die liebere. Wenn sie auch nur zunächst ein Paar alte pommersche Geheimräte und Obersten a. D. bei Sala Tarone in Berlin im Hinterstübchen zum Todlachen amüsierte, so konnte man sie doch mit dem Amtmann und mit dem Förster und sogar mit dem Schulzen von Bullenhagen in naturgemäße Verbindung bringen. Ihr richtiger Ton war:

Ik wird’ jo ken Hans Narr nich sin,
Em upp de krumme Näs’ to bin’n
Von Fleeschwerk ut dat Päkelfatt
Worscht, Schinken, Speck und sünst so wat.

Jetzt aber haben sich die norddeutschen Damen an Puttlitzens „Was sich der Wald erzählt“ müde gelesen und lispeln:

Und gegenäwer an de Mu’r
Dar schint so hell de Maan —
Se süht dahin in depe Tru’r
De Ogen natt von Thran —

und ähnliche, im Hochdeutschen bereits zu bedeutend herabgesetzten Preisen ausgebotene lyrische Ware. Ja selbst im Novellistischen soll uns nicht wundern, wenn die Lorles und Barfüßles ihre schwarzen Samtmieder mit den silbernen Tressen ablegen und als Loorkens und Barfötekens auf Holzpantinen in die Salons hüpfen.

Liebhabern dieser nun einmal wieder neuen Mode empfiehlt sich „Album plattdeutscher Gedichte, Herausgegeben von H. Eschenhagen“ (Berlin, Schotte, 1860). Uns hat darin nur das angesprochen, was mit dem obigen pommerschen Schweinspökelfass zusammenhängt; vom „Hart“, dem Herzen, von der „Lurke“, der Lerche, hören wir lieber in dem Tone singen, dem das deutsche Herz und die deutsche Lerche ihre poetischen Ehren überhaupt verdanken, dem hochdeutschen. Wem Uhland und Rückert dergleichen nicht zu Dank gemacht haben, den — — hol’ der Düwel und mag er zehnmal Klaus Groth heißen.

Groth, Klaus (1819-1899) Hosteiner, plattdeutscher Lyriker (1844, von Wilhelm Krauskopf)

Groth, Klaus (1819-1899) Hosteiner, plattdeutscher Lyriker (1844, von Wilhelm Krauskopf)