Die Nixe im See bei Wanzka, zwischen Stargard und Neu-Strelitz

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Von F. C. W. Jacoby zu Neubrandenburg, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Wanzka,
Vor längerer Zeit bestand in dem jetzigen Marktdorfe Wanzka ein herzogliches Amt, und waren die Bauern desselben dahin fronpflichtig.

Einmal um die Frühjahrszeit pflügten mehrere dieser Bauern in der Nähe des Wanzkaer Sees und zwar an dem Teile, der sich nach Blankensee hinzieht. In der Mittagsstunde legten sie sich bei den dort stehenden Weidengebüschen zum Schlafe nieder und waren auch bald eingeschlummert.

Einer nur konnte nicht einschlafen und vernahm plötzlich vom See her, der dort eine Art Bucht macht und mit Rohr und Schilf bewachsen war, die Worte: „De Tid is um, un de Minsch is noch nich doa!“*)

*) „Die Zeit ist um, und der Mensch ist noch nicht da!"

Nach dem ersten Schreck erhebt sich dieser, sieht ängstlich nach der bezeichneten Stelle hin und weckt dann, als er nichts gewahrt, seine Gefährten.

Bald sind alle Schläfer wieder munter und lauschen erwartungsvoll, ob die Stimme wohl noch öfter sich hören lassen werde und was sich dann weiter ereigne. Und bald darauf rief es wieder: „De Tid is um, un de Minsch is noch nich doa!" aber weiter bemerkten sie nichts.

Als die aufmerksam Horchenden endlich aber zum dritten Male dieselben Worte vernommen hatte, kam eiligst angelaufen, mit einem Paar Reusen in der Hand, der Weber von der wanzkaer Schäferei. Er lenkte seine Schritte gerade der Bucht zu, von welcher her die Worte erschallt waren.

Da kamen die Bauern aber hinter den Gebüschen hervor, traten dem daher Eilenden in den Weg und fragten nach seinem Begehr. Er erzählte ihnen unverhohlen, dass er ein armer Mann sei und die Mittagsstunde, sowie die Abwesenheit der wanzkaer Fischer habe benutzen wollen, um hier Reusen zu legen, da sich bei der jetzigen Laichzeit und gerade in dieser Bucht die Fische sehr gut fingen. Er bat sie, ihn seine Reusen legen zu lassen und ihn nicht anzugeben.

Die Bauern jedoch erwiderten, dass daraus nichts werden könne, er solle nur wieder umkehren.

Als der arme Weber aber immer dringender bat, sagten die besorgten Leute ihm endlich, weshalb nichts daraus werden könne, eine Stimme habe gerufen: „De Tid is um, un de Minsch is noch nich doa!" und wenn sie auch sonst nichts dagegen hätten, so könnten sie ihn unter solchen Umständen nicht nach dem See heranlassen.

Der Mann beklagte seine Zeitversäumnis und dass er nun den Weg so vergeblich gemacht habe, und ersuchte die Bauern, ihn wenigstens einmal zu trinken zu geben, da er vom eiligen Gehen erschöpft sei und großen Durst habe.

Allein das Trinken war all' geworden und so bat der Erschöpfte denn um einen Trunk Wasser aus dem See.

Einer der Bauern ist dazu bereitwillig, er schöpft mit seinem großen dreieckigen Hut und bringt dem Durstigen zu trinken.

Kaum hat dieser aber seinen Durst gelöscht, so fällt er tot hin, und die Bauern behaupteten nun, dass er der Mann gewesen sei, den die Stimme aus dem See gerufen habe.