Die Kinderkuhle bei Dömitz

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von L. Kreutzer zu Parchim, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Dömitz, Aberglauben, Hexen, Hexenprozesse, Scharfrichter, Folter, Zauberei, Hexerei, Dummheit, Unschuld, Geständnis
In jener Zeit, da noch die Hexenprozesse in Deutschland, also auch in unserem lieben Mecklenburg, ihre traurige Rolle spielten, lebte in Dömitz eine Jungfrau, die allgemein geachtet und geehrt war. Sie besaß eine für die damalige Zeit außergewöhnliche Geschicklichkeit in Verfertigung allerlei kleiner Kunstsachen.

Die Kinder hingen mit Liebe an der sittigen, sanften Jungfrau und lernten wunderbar schnell selbst die kleinen Spiel- und Putzsachen verfertigen, wenn die Jungfrau sie darin unterrichtete. Das war der Dummheit unbegreiflich. Mit rechten Dingen könne so etwas nicht zugehen, meinte man.

Die Jungfrau wurde gerichtlich eingezogen und sollte bekennen, dass sie mit dem Bösen im Bunde stehe. Sie beteuerte, beschwor ihre Unschuld. Aber die Folter bewies ihre Kraft und erpresste aus der Unglücklichen das Geständnis; der Zauberei.

Doch damit waren die Blutmenschen nicht zufrieden. Die Arme musste auch bekennen, dass auch die unschuldigen Kindlein in die Kunst der Zauberei eingeweiht seien.

An einem Morgen schleppte man die vermeintliche Hexe mit den unschuldigen Kleinen aus der Stadt, begleitet von einer großen Menschenmenge. An einem ziemlich großen Teiche machte der Zug Halt. Der Scharfrichter trat hervor, und den unglücklichen Geschöpfen wurden eines nach dem andern die Adern geöffnet, und ihr purpurrotes Blut rieselte hinab in den Teich, bis alle verblutet waren.

Das ist die „Kinderkuhle" bei Dömitz, dicht hinter der sogenannten neuen Schleuse.

Der Sage nach sind in jüngerer Zeit in demselben Wasser sieben Kinder, die Konfirmanden aus den beiden Dörfern Polz und Schmölen, ertrunken.

Bei den kleinsten Kindern ist die „Kinderkuhle" Gegenstand einer gewissen Verehrung, denn sie ist das Wasser, meinen sie, woraus der Storch ihre Schwesterchen und Brüderchen und sie selbst geholt habe.