Die Insel Wollin und das Seebad Misdroy - 08. Kriege zwischen den Dänen und Pommern in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Wollin wird zerstört und sinkt zum Landstädtchen hinab. Verlegung des Bistums nach Camin um 1180.

Historische Skizze
Autor: Raumer, Georg Wilhelm von (1800-1856) preußischer Verwaltungsbeamter und Direktor des geheimen Staatsarchivs, Erscheinungsjahr: 1851

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Insel Wollin, Fischerdorf Misdroy, Seebad, Handelsstadt, Oder, Ostsee, Lokalgeschichte, Landesgeschichte, Kulturgeschichte, Norddeutschland, Lebensweise, Landbau, Landwirtschaft, Ackerbau, Gutsbesitzer, Forstwirtschaft, Ackerwirtschaft, Volk, Volkswirtschaft, Gesellschaft, Produktion, Ursache und Wirkung, Bodenkultur, Inselbewohner, Ostseestrand, Badeort, Seebad
In der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts brachen anhaltende Kriege zwischen König Waldemar von Dänemark und den Pommern aus, wobei insbesondere Wollin sehr litt. Im Jahr 1168 wurde am Haff, da wo der Ukerfluss in dasselbe einfließt, ein großer Landtag von ganz Pommern gehalten, um über das Verhalten gegen die Dänen, welche sich schon der Insel Rügen bemächtigt hatten, zu beraten und es erschienen auf demselben auch der zweite Bischof von Pommern, Conrad, und der herzogliche Kastellan von Wollin, Wenceslaus, ein slawischer Name. Man unternahm von Pommern aus Raubzüge gegen die Dänen, welche endlich den König Waldemar so erbitterten, dass er im Jahre 1170 mit Hilfe einer rügischen Flotte vor die Mündung der Swine segelte, diese hinaus und bei Wollin vorbeifuhr und rings die ganze Gegend, mit Ausnahme der Stadt, der er nichts anhaben konnte, verheerte. Hierauf fuhr der König aus dem Haff in die Dievenow ein, durchbrach die Wolliner Brücke und alle im Fluss liegende Fischwehre, setzte einen Teil der Truppen aus Land und trieb die Wolliner in die Stadt hinein, segelte dann mit der Flotte die Dievenow hinab bis zur Insel Gristow und landete bei der Burg zu Camin. Auf der Brücke am Caminer Wieck leisteten die Pommern Widerstand und Waldemar konnte Camin nicht erobern; er wollte nun durch den Caminer Bodden in die See hinausschiffen, der Ausgang der Dievenow war aber zu sehr versandet und vergeblich versuchte man selbst die Schiffe (die nach damaliger Bauart nicht groß und mehr bewaffnete Ruderboote waren) über die Dünen zu schleppen. Die Dänen gerieten in große Gefahr, als Bischof Absalon von Roschild, Freund des Königs von Dänemark, eine Kriegslist ersann. Die Pommerschen Schiffe lagen oberhalb Gristow, und Kasimir und Bogislaw, Herzog Wratislavs von Pommern Söhne, sahen die Dänen schon als sichere Beute an. Der Bischof riet nun, die Reiterei landen zu lassen, die Ufer damit zu besetzen und zugleich die feindliche Flotte zu durchbrechen. Herzog Kasimir saß, etwa bei Lüskow, am Ufer der Dievenow und zechte, des Unterganges seiner Feinde gewiss, mit dem pommerschen Adel aus silbernen Pokalen, als er plötzlich durch Waldemars Reiterei verscheucht wurde, gleichzeitig segelten die Dänen gegen die pommerschen Schiffe bei Grifiow an, durchbrachen sie und langten gleichzeitig mit der Reiterei vor Wollin an 5 die Reiterei hinderte die Absperrung des Flusses, setzte dann auf das rechte Ufer der Dievenow über, schiffte sich wieder ein und gelangte mit der Flotte glücklich ins Haff. Die Dänen besorgten nun noch, dass die Swine versperrt sein könnte; dies war aber nicht der Fall, und so segelten sie im November 1170 glücklich in die Ostsee hinaus. *)

Um 1173 brach, wahrscheinlich in Folge wiederholter Raubzüge der Pommern, der Krieg wieder aus, diesmal drangen die Dänen durch die Peene bis gegen Stettin vor, beim Zurücksegeln eroberten sie das Schloss Lebbin **) und segelten nach Rügen. Im Jahre 1175 schiffte König Waldemar wieder in die Swine hinein und verbrannte bei dieser Gelegenheit Wollin, das sich von dem Kriege von 1170 noch nicht erholt hatte. Die landesherrliche Burg, als deren Kastellan noch jener Wenceslaus erscheint, mag indessen stehen geblieben sein.

*) Nach der den Dänen günstigen Erzählung des Saxo Gramm, in Wirklichkeit mögen die Dänen Verlust genug gehabt haben. Siehe übrigens Giesebrecht, wend. Gesch. 3. p. 183.
**) Capto Lyubino, ich wüsste nicht, welches andere Lebbin hier gemeint sein könnte.


Diese fortwährende Unsicherheit und Unfälle, welche Wollin trafen, machten, dass die Domherrn von Wollin etwa um das Jahr 1175 *) nach Camin auf das dortige Schloss flüchteten, und mit ihnen flohen **) die meisten wohlhabenderen Bewohner von Wollin, dessen Seehandel ohnedem durch die beständigen Kriege ganz hinabgesunken war. Die Insel Wollin gehörte sonst zu den Gütern des Herzogs Kasimir von Pommern, der ein eifriger Christ war und z. B. im Jahre 1181 ein Fischwehr bei Lebbin dem Kloster Stolpe schenkte, nicht lange nachher aber in einem Kriege gegen Markgraf Otto von Brandenburg blieb. Herzog Kasimir hat auch wohl zuerst, etwa 1175, zum Schutz gegen die Dänen eine Burg an der Mündung der Swine angelegt; auf dieser befand sich sein Bruder und Erbe Herzog Bogislav im Jahre 1182, und bestätigte da gewisse Schenkungen an das mecklenburgische Kloster Broda. Im Jahre 1182 starb auch Waldemar von Dänemark, und nachdem kurz nachher ein großer Seesturm im Winter die Burg an der Swine zerstört hatte, bauten die Pommern, noch in demselben Winter beginnend, am Ausgang der Swine zwei neue Burgen wieder auf, eigentlich mehr große Steinwälle, und nachdem sie auch die Untiefe an der Einfahrt aus der Ostsee in die Swine mit einer Kette abgesperrt hatten, hielt Herzog Bogislav sein Land für völlig gesichert gegen die Dänen, weil die Peene durch die feste Burg Wolgast, die Swine durch jene beiden Burgwälle gesichert schien, von denen aus man die eindringenden dänischen Raubschiffe mit Wurfgeschossen überschütten konnte. Im Jahre 1184 unternahmen aber die Dänen dennoch einen neuen Zug gegen die Swine, fanden die beiden Burgwälle verlassen, verbrannten die Palisaden und alles Holzwerk und wälzten die vom Brande noch heißen Steine *) in die See, kurz sie machten alles dem Erdboden gleich und segelten dann vor Camin, welches sie belagerten. Herzog Bogislav fand, nachdem er sich noch kurz zuvor zum Schutz, gegen Dänemark von Kaiser Friedrich I. in den deutschen Reichsverband hatte aufnehmen lassen, zu dieser Zeit, dass seine Macht der der Dänen nicht gewachsen sei, und beschloss im Jahre 1185 sich dem Könige Knud, Waldemars Nachfolger, zu unterwerfen. Während eines sehr heftigen Gewitters empfing Knud in seinem königlichen Schiff, welches mit vergoldetem Schnabel unweit Wollin im Haff vor Anker lag, den Herzog, welcher Tribut und Unterwerfung versprach. Das Ungewitter war so schrecklich, dass der Herzog und der Bischof von Camin, als sie in Kähnen heranfuhren, fast untergegangen wären, und die Pommern weissagten hieraus schon den Untergang ihres Vaterlandes; allein, wiewohl im folgenden Jahre 1186 Bogislav nach Dänemark selbst hinschiffen musste, um die Lehnhuldigung da zu erneuern, so hat diese dänische Oberherrlichkeit doch keinen Bestand gehabt, Pommern wurde vielmehr im folgenden Jahrhundert ein Zubehör des deutschen Reichs, und namentlich ein Reichslehn der Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg.

*) 1176 heißt das Wolliner Bistum schon ecclesia Caminensis, canonici de Camin in Urkunden.
**) Kantzow sagt, sie seien meist nach Camin gezogen.
***) Wohl rohe übereinander gewälzte Granitblöcke, denn die Pommern hatten das Ganze schnell zusammengebaut.


Es ist schon erwähnt, dass während dieser dänischen Kriege, als die Stadt Wollin ganz herab gekommen und fast wüst geworden war, der Bischof und die Domherren des in Wollin begründeten, übrigens wohl noch sehr ärmlichen Bistums nach Camin geflüchtet waren. Dies gab Veranlassung, das Domstift ganz dahin zu verlegen, indem eine päpstliche Urkunde von 1188 festsetzte, dass das pommersche Bistum und der jetzige Bischof Sigfried künftig ihren Sitz in Camin haben sollten, weil die Stadt Wollin, in welcher der Bischofsitz bisher gewesen, durch Kriegsunfälle beinahe wüst geworden und Camin volksreicher und sicherer sei. Damit war das Urteil über Wollin gesprochen, es sank zu einem unbedeutenden Landstädtchen hinab, das nur durch das dabeigelegene landesherrliche Schloss sich in einigem Ansehen erhielt und von dem wir daher wenig mehr zu sagen haben werden, und so sehr ist selbst die Erinnerung der vormaligen Größe Wollins als einer bedeutenden See- und Handelsstadt erloschen gewesen, dass man, wie bereits bemerkt worden, alle historischen Zeugnisse darüber auf die fabelhafte, in der See untergegangene Stadt Vineta übertragen hat. Mit dem Falle Wollins begann die Handelsblüte von Wisby auf der Insel Gothland, an welche die Zeit der Größe der deutschen Hansestädte sich anschloss. Wollin blieb indessen eine Immediatstadt, das heißt, sie hatte das Recht mit den anderen wichtigeren Städten des Landes die Landtage zu beschicken, ein Recht, das den sogenannten Amtsstädten nicht zustand.

Raumer, Friedrich Ludwig Georg von (1781-1873) deutscher Historiker und Politiker.

Raumer, Friedrich Ludwig Georg von (1781-1873) deutscher Historiker und Politiker.