Die Insel Wollin und das Seebad Misdroy - 04. Herrschaft der Dänen über Wollin und die Jomsburg bei Lebbin von etwa 970 bis 1042.

Historische Skizze
Autor: Raumer, Georg Wilhelm von (1800-1856) preußischer Verwaltungsbeamter und Direktor des geheimen Staatsarchivs, Erscheinungsjahr: 1851

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Insel Wollin, Fischerdorf Misdroy, Seebad, Handelsstadt, Oder, Ostsee, Lokalgeschichte, Landesgeschichte, Kulturgeschichte, Norddeutschland, Lebensweise, Landbau, Landwirtschaft, Ackerbau, Gutsbesitzer, Forstwirtschaft, Ackerwirtschaft, Volk, Volkswirtschaft, Gesellschaft, Produktion, Ursache und Wirkung, Bodenkultur, Inselbewohner, Ostseestrand, Badeort, Seebad
Gegen das Ende des zehnten Jahrhunderts unternahmen die Dänen lebhafte Angriffe gegen Wollin, dessen Handelsreichtum ihnen verlockend geworden war, da er der berühmteste Stapelplatz für den Handel zwischen den Russen *) und den umliegenden Slawen war. König Harald von Dänemark eroberte kurz nach 970 die Stadt Wollin **) und legte eine Besatzung hinein, und zu dieser Zeit ist denn auch wohl zuerst, um die Schifffahrt zu beherrschen, die nachher so berühmt gewordene Jomsburg angelegt worden ***). Über die Lage dieser Jomsburg ist viel herumgerätselt worden, bald hat man sie in Wollin selbst, in Wolmirstädt, am Jordan-See, in Swinemünde u. s. w. gesucht ****), allein sie wird als eine von Wollinverschiedene, gleichwohl in der Nähe derselben gelegene Seeburg geschildert, Jomne, Zumine ist Wollin, Jomsburg eine zu Wollin gehörige Burg, und alle Gründe sprechen dafür, dass wir die Jomsburg nirgends anders zu suchen haben, als auf den Lebbiner Höhen, grade wo die Swine in das Haff tritt und mithin von der Burg aus die Wolliner Schifffahrt vollständig beherrscht wurde.

*) Graeci bei Ad. Bremensis, während barbari die Slawen sind.
**) Apud Julinum nobilissimum illius provinciae oppidumcompetentia militum praesidia collocavit. Saxo Gramm.
***) Der dänische Historiker Sueno redet von Anlage einer Hinnisburg, soll wohl Jomsburg heißen. Auch das obige apud Julinum deutet auf ein; nahe bei Wollin gelegene Burg.
****) Wer alles Mögliche hierüber wissen will, der lese Klempins Aufsatz in den balt. Studien 1847.


— Zwar könnten einige alte Schriftsteller so verstanden werden, als ob sowohl Wollin als die Jomsburg an der Ostsee selbstgesucht werden müssten, allein offenbar meinen sie mehr, dass die Stadt den Seehandel beherrscht habe, als dass sie grade dicht an der See belegen gewesen wäre *). Adam von Bremen sagt, die berühmte Stadt Jumne oder Julinum läge an der Odermündung, da wo diese die seythischen Sümpfe bespüle **), man kann dies recht gut von dem Swine-Ausgang verstehen, der bei Lebbin beginnt und sich meilenweit durch Sümpfe hinzieht. Übrigens war die um 970 bis 980 von den Dänen gegründete Jomsburg bei Lebbin von Erdwällen, Granitblöcken und Palisaden von Baumstämmen aufgeführt, inwendig aber waren hohe Türme, und der Hafen, der sich wohl im Vietziger See befand, denn er soll für 300 Schiffe Raum gehabt haben, war durch einen gemauerten Turm mit einem Schwibbogen und einem Fallgatter abgesperrt. Harald machte einen vertriebenen schwedischen Prinzen Storbiörn zum Befehlshaber der dänischen Besatzung von Jumne ***), in der alten Sage über die Jomsburg aber tritt ein Palna Toke aus slawischem Geschlecht und aus der Provinz Jumue selbst gebürtig auf und erzieht den Suenotto, Haralds Sohn; die Historiker ****) wissen nur von einem Kriege, den Suein oder Suenotto mit seinem Vater Harald geführt habe und in den die Polenfürsten in Pommern mit verwickelt worden seien, Harald habe in der Schlacht verwundet ein Schiff bestiegen und sei nach der Stadt Wollin entflohen, wo man ihn, wiewohl Harald Christ und die Wolliner Heiden waren, gut aufgenommen habe. Diese Begebenheit, die sich um 983 zugetragen haben muss, erzählen dänische Schriftsteller weitläufiger, es ergibt sich dabei auch, dass nicht sowohl die Wolliner Slawen, als die dänische Besatzung den Harald aufnahmen. Harald soll den Suein vertrieben haben, um 991 aber kehrte Suein aus England zurück, Palna Toke stand ihm bei und verwundete den Harald durch einen Pfeil, er wurde nach Julin zurückgebracht und starb da bald darauf oder, wie die alte isländische Sage ergibt, auf der Jomsburg *****).

*) So wie Hamburg, Lübeck, Bremen usw. nicht grade an der See selbst liegen.
**) In cujus ostio qui Scythicas alluit paludes nobilissima civitas Julinum.
***) Saxo Gramm.
****) Ad. Bremensis zumal.
*****) S. Giesebrecht wend. Gesch. I. 207, er setzt Haralds Tod in das Jahr 985.


Dies ist das Historische der Sache; die eben erwähnte alte isländische Sage, die Jomsvikinga-Sage, knüpft aber hieran noch viele romantische Züge, welche neuerdings so oft Gegenstand schriftstellerischer Behandlung geworden sind. Die Hauptsache ist, dass die dänische Besatzung auf der Jomsburg den Vikingerbund, eine Art Ritterstaat oder vielmehr einen Seeraubstaat gebildet haben soll, indem sie auf Raubzüge ausschiffte und die Beute gleich unter sich teilte. Historisch gewiss ist es allerdings, dass die Dänen von der Jomsburg und Wollin aus Seeraub, besonders an der dänischen Küste trieben, alles andere an der Sage kann man um so mehr mit Stillschweigen übergehen, als es ausschließlich den Dänen in Wollin, nicht den eigentlichen Bewohnern des Orts angehört, welche so kühne Seeräuber nicht waren.

Merkwürdig ist es, dass bei diesen dänischen Kämpfen in der Jomsburg und von Wollin aus der Polenfürsten als Teilnehmer gedacht wird. Es stellt sich dabei heraus, dass die inneren Teile von Pommern seit dem Ausgang des zehnten Jahrhunderts eine Art polnischer Oberhoheit anerkannten, die sich auch vielleicht von der Zeit herschreibt, als die Pommern ihr früheres Vaterland Polen verlassen haben. Auch während des folgenden, elften Jahrhunderts stellt sich die Sache so, dass die Dänen eine obere Herrschaft an der Küste, namentlich über Wollin behaupteten, während das innere Pommern eine polnische Oberhoheit anerkannte; inmitten dieser dänischen Kämpfe aber erhob sich Wollin zu der oben geschilderten Handelsblüte, denn grade diese Zeit ist es, welcher die vielen ausgegrabenen arabischen Münzen angehören.

Auch im elften Jahrhundert wurde der Seeraub von Wollin aus, doch von den dort ansässigen Dänen, fortgesetzt. König Magnus von Dänemark belagerte deshalb um 1042 die reiche slawische Stadt Wollin (Jumine), bei welcher Gelegenheit nicht nur der Götzentempel in der Stadt verbrannt, sondern auch die benachbarte Jomsburg bei Lebbin erobert und zerstört wurde.

Da dies nun die Zeit ist, in der die Handelsstadt Wollin ihre höchste Blüte erreicht hat, so wollen wir eine Schilderung derselben hier anschließen.

Raumer, Friedrich Ludwig Georg von (1781-1873) deutscher Historiker und Politiker.

Raumer, Friedrich Ludwig Georg von (1781-1873) deutscher Historiker und Politiker.