Die Insel Wollin und das Seebad Misdroy - 02. Heutige Beschaffenheit der Insel Wollin im Allgemeinen.

Historische Skizze
Autor: Raumer, Georg Wilhelm von (1800-1856) preußischer Verwaltungsbeamter und Direktor des geheimen Staatsarchivs, Erscheinungsjahr: 1851

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Insel Wollin, Fischerdorf Misdroy, Seebad, Handelsstadt, Oder, Ostsee, Lokalgeschichte, Landesgeschichte, Kulturgeschichte, Norddeutschland, Lebensweise, Landbau, Landwirtschaft, Ackerbau, Gutsbesitzer, Forstwirtschaft, Ackerwirtschaft, Volk, Volkswirtschaft, Gesellschaft, Produktion, Ursache und Wirkung, Bodenkultur, Inselbewohner, Ostseestrand, Badeort, Seebad, Halbinsel Pritter,
Nachdem wir also, so viel menschliche Augen es vermögen, die Entstehung der Insel Wollin zu einer Zeit, an die keine Geschichte heranreicht, uns vorgestellt haben, wollen wir, ehe wir die Geschichte selbst beginnen, einen Blick auf die Bodenbeschaffenheit der also gebildeten Insel werfen, um daraus zu schließen, welcher Gestalt solche die jetzige Tierwelt und Vegetation erzeugen und ernähren, und somit ein Schauplatz der Menschen werden konnte, indem namentlich Ackerbau und Viehzucht als Grundbedingungen menschlicher Existenz darauf getrieben wurden.

Es ist schon erwähnt, dass die langen und schmalen Dünenstreifen, aus denen die Halbinsel Pritter erwuchs und zwischen denen sich sumpfige und moorige Niederungen bildeten, allmählich mit Kiefern bewuchsen, *) dem Baum, der gleichsam in Stelle des alten Bernsteinbaums getreten ist, und dadurch, dass er auch auf dem flüchtigsten Sande gedeiht und ein nützliches Holz liefert, eins der wohltätigsten Geschenke der Natur für unsere norddeutsche Ebene ist, welche ohne diesen Baum fast eine Wüstenei sein müsste. Die großen Wiesenflächen aber, die hinter der Pritterschen Halbinsel sich abgelagert haben, sind für die ganze Insel Wollin von unschätzbarem Wert, indem sie von alten Zeiten her eine ausgedehntere Viehzucht möglich gemacht haben.

*) Siehe über diese allmähliche Bewaldung roher Sanddünen Knappe, Statistik von Wollin, S, 10.

Auf der eigentlichen Insel Wollin, ostwärts von der Halbinsel Pritter, treffen wir zunächst am Strande die hohen Ton- und Lehmberge, welche, besonders von der See aus gesehen, den Eindruck einer hoch ansteigenden und scharf abfallenden Küste machen. Diese Berge, denen wahrscheinlich Kreide unterlagert, haben mächtige Buchen und Eichen erzeugt, wie man deren noch von schönem Wuchs zwischen dem Gosanberg und dem Jordanfee sieht, in älteren Zeiten aber haben noch viel prächtigere Bäume da gestanden. Diese Berge ziehen sich vom Strande längs der lieben Seele und des Vietziger Sees bis gegen Lebbin und sind auch hier mit Laubholz bestanden, hinter ihnen aber von Neuendorf bis gegen Dargebanz ist der Boden, obwohl immer noch hügelig, leichter und daher nur zur Kieferkultur geeignet, die ganze Waldfläche aber vom Haff längs des Strandes ist von jeher der Aufenthalt vieler wilden und jagdbaren Tiere, Hirsche, Rehe, früher auch wilder Schweine, Bären und Wölfe gewesen, und dadurch wie durch die Holznutzung den Menschen diensam. Da, wo die Waldberge am Ostseestrande bei Swantus gegen den Ausfluss der Dievenow aufhören, liegt ein großer Landsee, der Coperow, und es ziehen sich von da aus Brüche und Moore, die seit dem vorigen Jahrhundert entwässert sind, bis gegen die Stadt Wollin und an das Haff hin, vermutlich ein uralter Nebenarm der Dievenow und von jeher zur Viehhütung dienlich. Zwischen diesem Moore und dem Dievenowstrom ist ein Strich lehmigen und fruchtbaren Bodens, auf dem von alten Zeiten her von vielen Ritter- und Bauerngütern ein lohnender Ackerbau getrieben wird. Endlich umfließt die ganze Insel auf einer Seite die fischreiche Ostsee, auf der anderen der Vietziger See von großem Fischreichtum und die eben damit begabte Swine mit ihren vielen Nebenarmen, auf der dritten Seite das große Haff, welches von allen Umwohnern befischt wird, und von der vierten und östlichen Seite der Dievenowstrom, der seinen Anliegern auch mancherlei Fische darbietet.

So also erscheint der Boden der Insel Wollin zur Aufnahme und Ernährung von Menschen durchaus geeignet, sei es nun, dass sie eigentlichen Ackerbau treiben, oder sich mehr der Viehzucht widmen, oder der Jagd nachgehen, oder endlich und hauptsächlich in den Umliegenden Gewässern und Strömen durch Fischerei sich Unterhalt und Erwerb verschaffen wollten.

Somit kommen wir an die Zeit, wo wir auf diesem günstigen Boden wirklich Menschen antreffen und die ersten historischen Erinnerungen aufdämmern.

Raumer, Friedrich Ludwig Georg von (1781-1873) deutscher Historiker und Politiker.

Raumer, Friedrich Ludwig Georg von (1781-1873) deutscher Historiker und Politiker.