Die Gnomen des Streckelsbergs bei Koserow auf Usedom

Aus: Koch; Das Seebad Koserow auf Usedom, seine Natur, seine Eigentümlichkeiten, seine Umgebungen.
Autor: Koch, C. H. F., Erscheinungsjahr: 1867
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Anklam, Koserow, Sagen, Überlieferung, Usedom, Streckelberg, Berggeister, Aberglauben
Oberhalb des Dorfes Koserow auf Usedom erhebt sich am Strande des Meeres der Streckelberg. In diesem halten sich viele unterirdische Erdgeister auf, von den Leuten gewöhnlich Zwerge genannt. Es gibt deren drei verschiedene Arten, weiße, braune und schwarze, die weißen und braunen sind gut und dem Menschen freundlich, während die schwarzen Tausendkünstler und voller Trug und Schalkheit sind. Alle halten sich im Berge auf und kommen nur kurze Zeit im Jahre auf die Oberwelt. Die Koserower Fischer und Badegäste, welche sie zuweilen gesehen, erzählen sich absonderliche Geschichten von ihnen, wie sie gegen diesen wohlwollend, gegen jenen schabernückisch gehandelt haben.

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Vor noch nicht vielen Jahren sah ein fremder junger Mann, der sich als Badegast in Koserow aufhielt, einen dieser Zwerge. Es war ein recht warmer Tag, als er sich nach genommenem Bade am Streckelberg unter dem grünen Blätterhimmel schöner Buchen im Moose auf seinen Plaid ein wenig hinstreckte. Kaum aber hatte er sich niedergesetzt, als sich im Walde von ungefähr ein kleines weißhaariges Männlein zu ihm gesellte, das ihm Folgendes anvertraute:

An einem kühlen Abend vor so und so vielen Jahren — erzählte das kleine Männchen — waren sämtliche Fliegen, Mücken und andere Störenfriede auffallend früh zu Bett gegangen, so dass die ganze Gnomen-Schar nichts Besseres zu tun hatte, als einmal die Köpfe hinauszustecken und sich von oben herab die Gegend zu beschauen, was sie seit Jahrhunderten nicht getan hatten. Sie wussten selber nicht, wie es kam, alle ihre Blicke ruhten auf dem freundlich lieben Dörfchen da unten am Fuße des Berges. Urplötzlich kannten sie den Grund ihrer ungewöhnlichen Teilnahme für den Ort. Es war ihnen nicht unbekannt geblieben, wie vielen harten Schicksalsschlägen und Prüfungen das Örtchen ausgesetzt war, sie meinten, ein böser Berggeist, der drüben auf Rügen hauste, habe all’ dies Leid über das Dorf gebracht. Tiefes Mitgefühl regte sich im Herzen der Gnomen, sie beschlossen, das freundlich liebe Dörfchen mit seiner wirklich schönen Lage berühmt zu machen, sie beschlossen es alle gegen einige wenige Stimmen, welche den verdrießlichen, schwarzen, bösen Gnomen angehörten; sie tanzten vor Freude und führten ihren Plan aus. Zunächst zerstreuten sie sich in alle Winde und setzten sich an verschiedenen Orten fest; an jedem Haltepunkt mussten sich die Einzelnen als Alp den Menschen auf die Brust setzen und so tüchtig drücken, dass den armen Geplagten die Lust verging und sie alle in ihrer Herzensangst zu dem berühmtesten Arzt hinliefen. Diesem nun zauberten die Berggeister im Traume das schöne Koserow mit seinen Umgebungen vor, sie ließen ihn die erquickende frische Seeluft atmen, die dort weht, dass sich seine Lungen dehnten und er beschloss, allen Leidenden nur ein Rezept zu verschreiben: Koserow. Nun kamen aber Leute von allen Gegenden zu dem berühmten Arzt, und alle, die er nach Koserow sendete, bezauberten die kleinen Gnomen vom Streckelberg. Alle waren entzückt von der Gegend, von dem Einfluss der Luft, dem kräftigen Wellenschlag der See und wovon sonst noch; dann aber machten die Gnomen auch die Koserower Einwohner spekulativ, sie errichteten Badezellen am Strande, legten Spaziergänge an und machten ihren Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich: Koserow wurde weiter hinaus bekannt und immer stärker frequentiert. Ganz besonders ist dies dem Umstande zuzuschreiben, dass die Gnomen in Rapport mit ihren Brüdern, den Gnomen der Erdwälle von Anklam, getreten sind, denn seinen Hauptruf verdankt der Ort den Anklamer Ärzten und dem Anklamer Publikum, das immer und immer wieder zu dem Bade zurückkehrt, wie viel es auch daran auszusetzen hat. Auch sind jetzt die Gnomen mit ihren Kollegen des Kreuz- und Windmühlenberges in Verbindung getreten, welche herniederschauen auf die gesegnete Hauptstadt des preußischen Staates, auf Berlin.

So erzählte das graue Männlein jenem Badegast. Als dieser nun erwiderte, dass doch Vieles noch recht mangelhaft in dem Bade sei und man sich wundern müsse, dass die Gnomen auf halbem Wege stehen geblieben und nichts weiter für das Emporkommen des Ortes täten, da erwiderte das graue Männlein, sie hätten das Möglichste getan, weiter reiche ihre Macht nicht das Übrige müssten die Leute in Koserow machen, und überdies seien die schwarzen Gnomen, welche gegen den Aufschwung und die Berühmtheit des Ortes gestimmt hätten, sehr ergrimmt und hemmten sein Emporkommen. Bald verbanden sie sich mit dem Neptun des Meeres und zerstörten die Badeanstalt, bald hängten sie sich wie ein Bleigewicht an die Rührigkeit der Einwohner, bald beschränkten sie den Gesichtskreis der Leute, welche mit den Einrichtungen und Verwaltungen des Seebades betraut wären, bald verderben sie das Essen. —

Das Essen! rief der Kurgast dem grauen Männlein zu, entsetzlicher Gedanke, das Essen! wovon sprichst Du mir, Du selbst bist gewiss der dissertierende Gnom, der Kobold, der die Hindernisse ausschüttet auf das paradiesische Leben hier, gestehe! rief er und wollte das graue Männlein ergreifen, — doch fort war es, verschwunden unter seinen Händen.

Bademode und Bakarren um 1900

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Bademode um 1900 am Ostseestrand

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Badenixe um 1900

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Badefreuden um 1890

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Sommerzeit ist Badezeit

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