Die Gliederung des Eiszeitalters nach Klimaperioden, Gesteinen, Faunen, Menschenarten und Kulturen.

Aus: Die Jagd der Vorzeit
Autor: Soergel, Johannes Wolfgang Adolf Werner Dr. (1887-1946) Professor, Geologe, Palänontologe, Erscheinungsjahr: 1922
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Lebensweise und Lebenshaltung, und damit letzten Endes nach der geistigen Kultur der diluvialen Menschen, Menschengeschlecht, Prähistorie, Jagd, Jagdwaffen,
Die folgenden Abschnitte führen uns in eine Periode der Erdgeschichte, an deren Erforschung sehr verschiedene Wissenschaften beteiligt sind. Ihre Ergebnisse, insbesondere die Feststellungen über die Abfolge der Klimate, die Abfolge im Auftreten der verschiedenen Tierarten und Pflanzengemeinschaften, der verschiedenen Menschenrassen und der menschlichen Kulturen bilden vielfach die Grundlage, wenigstens den Rahmen unserer Untersuchung. Einige Kenntnis von diesen „historischen" Tatsachen ist deshalb notwendig zum Verständnis der späteren Ausführungen, in denen die nicht allgemein bekannten Fachausdrücke nicht immer vermieden werden konnten. Die Schwierigkeiten, die daraus demjenigen erwachsen, der dem ganzen Forschungsgebiet ferner steht, sollen behoben oder doch gemildert werden durch die unten folgende Tabelle, in der die Gliederung des Eiszeitalters nach den einzelnen geologischen Perioden, den Klimaten, den jeweiligen Gesteinsbildungen, den charakteristischen Tierarten, den jeweils bei uns verbreiteten Menschenrassen und Kulturen eine kurze Darstellung erfahren hat.

Dem wiederholten Wechsel von Eisvorstößen oder Eiszeiten und eisfreien Perioden oder Zwischeneiszeiten entspricht der Wechsel von kalten und von gemäßigten Klimaperioden. Beide finden ihren geologischen Ausdruck in der ganz verschiedenen Gesteinsbildung: Geschiebemergel als die vom Eis verfrachteten und beim Abschmelzen abgelagerten Schuttmassen, Löß als vom Wind verfrachtetes und aufgehäuftes Feinmaterial, Kies und Schotter als von Flüssen gerollter und abgelagerter, unter starker mechanischer Verwitterung entstandener oder von Gletschern zugeführter Gesteinsschutt wurden in den Eiszeiten gebildet; Kalktuffe, Tone, Torflager, lokal beschränkte Sand- und Kiesablagerungen der Flüsse wurden in den durch einen geregelten und reichen Wasserhaushalt ausgezeichneten Zwischeneiszeiten gebildet, in denen gleichzeitig unter dem Einfluss eines humiden Klimas die eiszeitlichen Gesteine durch lösende und zersetzende Wirkung der einsickernden Regenwässer oft bis in beträchtliche Tiefe verändert wurden, verwitterten.

Im gleichen Rhythmus lösen sich zu wiederholten Malen in weiten Gebieten Europas die Pflanzengemeinschaften ab, die der Landschaft letzten Endes das Gepräge geben, und die Tiergesellschaften: es wechseln Tiere und Pflanzen eines trockenen, kalten mit solchen eines gemäßigten Klimas, es wechseln Zeiten, in denen Steppen, mit solchen, in denen Waldlandschaften die größte Verbreitung besaßen.

Dieser Wechsel, sowohl der der Gesteinsbildung als der der Verteilung der Lebewesen betraf naturgemäß am stärksten diejenigen Gebiete, die zeitweise vom Eise bedeckt waren, wie beispielsweise große Teile Norddeutschlands oder das nördliche Alpenvorland, oder die dem zeitweilig vereisten Gebiet nicht zu fern lagen, wie beispielsweise die stets eisfrei gebliebenen Gebiete Mittel- und Süddeutschlands zwischen dem nordischen und dem alpinen Vereisungsgebiet. In Gebieten, die den jeweils vereisten Zonen ferner lagen, wie beispielsweise große Teile Westeuropas, ist die klimatische Einwirkung einer Vereisung und ihre Folgen für Ab- und Zuwanderungen innerhalb der Tier- und Pflanzenwelt, für die Verschiebung der Verbreitungsgebiete „kalter" und „gemäßigter" Lebewesen natürlich schwächer gewesen. Die Übersicht unserer Tabelle über den Wechsel der Klimate, der Landschaften, der Tier- und Pflanzenwelt ist deshalb als Schema zu bewerten, das, jedenfalls für die Eiszeiten, keinen unbeschränkten Geltungsbereich in Europa besitzt und im wesentlichen nur für Mitteleuropa zutrifft.

Die Abfolge der verschiedenen diluvialen Menschenrassen lässt keine engen Beziehungen zu dem Klimawechsel derart erkennen, wie er für die Abfolge der Tier- und Pflanzengesellschaften deutlich ist. Wie die der meisten Raubtiere war die Lebensmöglichkeit des menschlichen Jägers nicht an ein bestimmtes Klima gebunden. Engste Beziehungen zeigen sich aber zwischen den einzelnen Menschenrassen und den einzelnen Kulturen: bestimmte Rassen erscheinen als Träger bestimmter Kulturen. Diese eiszeitlichen Kulturen, die man unter dem Begriff der älteren Steinzeit oder des Paläolithikum zusammenfasst, lassen sich auf zwei große Gruppen verteilen: Das Altpaläolithikum mit den Kulturen des Chelléen, Acheuléen und Moustérien, in denen nur Stein, meist Feuerstein zu Werkzeugen, Artefakten geschlagen wurde; und das Jungpaläolithikum mit den Kulturen des Aurignacien, Solutréen, Magdalénien und Azilien, in denen außer Stein auch Knochen und Geweih vielfach Verwendung fanden. Beiden Kulturgruppen war im Gegensatz zur jüngeren Steinzeit, dem Neolithikum, das Schleifen der Steine und die Töpferei unbekannt.

Zu der Gliederungstabelle ist noch besonders zu bemerken, dass die für die Mindeleiszeit und vor allem die Günz-Mindel-Zwischeneiszeit angegebenen Säugerbestände, wenigstens bezüglich einer Anzahl wichtiger Arten, noch nicht als hinreichend gesichert gelten können, da für diese Perioden die zeitliche Einordnung einiger wichtiger Fundstellen noch nicht zweifelsfrei feststeht. Als sicher kann gelten, dass die Kiese von Süßenborn bei Weimar der bisher als I. angesehenen norddeutschen Eiszeit (= Mindeleiszeit des Alpengebietes) angehören. Ob die Kiese von Mauer zum wesentlichen Teil, wie hier angenommen wurde, etwas älter, zum Teil gleichaltrig sind, oder ob sie als jünger betrachtet werden müssen, kann hier im einzelnen nicht erörtert werden. Auf keinen Fall aber können die Kiese von Mauer in die der IL norddeutschen oder Risseiszeit voraufgehende Zwischeneiszeit gestellt werden; stets bleibt deshalb die zeitliche Stellung des Homo Heidelbergensis weit vor dem Chelléen.

009 Riesenhirsch

009 Riesenhirsch

018 Rekonstruktion des Elephas primigenius Fraasi

018 Rekonstruktion des Elephas primigenius Fraasi

020 Mammut, Museum von St. Petersburg

020 Mammut, Museum von St. Petersburg

027 Rekonstruktion des wollhaarigen Nashorn

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028 Gemaltes wollhaariges Nashorn

028 Gemaltes wollhaariges Nashorn