Die Geschichte vom Pück (Schwerin)

Aus: Mecklenburgische Sagen
Autor: Studemund, Friedrich (1784-1857) Pastor an der Nikolaikirche in Schwerin, Erscheinungsjahr: 1848
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Sagen, Schwerin, Pück, Petermännchen, Schlossgeist, Schlossgespenst, Schweriner Schloss
Vor vielen Jahren zeigte man in Schwerin eine mächtige kupferne Kanne als eine große Merkwürdigkeit und erzählte dabei folgende seltsame Geschichte. Zwei Mönche des Franziskaner-Klosters zu Schwerin hatten in Angelegenheiten ihres Ordens eine Reise nach Lübeck gemacht. Auf dem Rückwege verirrten sie und kamen endlich auf den Hof Kl. Brütz, welcher einem Edelmann, v. Halberstadt genannt, gehörte, der dem Orden sehr gewogen war.

*******************************
Dieser Mann hatte auf seinem Hofe und insonderheit in einer Kammer seit längerer Zeit ein Gespenst vermerkt, welches die Leute im Hause, Tag und Nacht, dergestalt neckte und beunruhigte, dass sie selten davor ruhig schlafen konnten. Da gedachte er bei sich selbst, siehe! die Gäste, beide fromme Männer, sind in mein Haus gekommen, bei mir zu übernachten, sie mögen demnach in der Kammer, wo der böse Geist sein Wesen treibt, die Nacht zubringen. Ich will sehen, ob er ihnen auch Beschwerden zu machen sich unterfangen wird! — Als er sie nun freundlich aufgenommen, und sie mit dem, was Küche und Keller vermochten, sich gütlich getan halten, so ließ er sie zu rechter Zeit in das Gemach führen, wo sie schlafen sollten. Die frommen Männer verrichteten ihr Gebet und begaben sich zur Ruhe.

Darauf, fast mitten in der Nacht, ist der unsaubere Geist gekommen und hat die ehrwürdigen Väter zu necken und zu beunruhigen angefangen. Mit der größten Geschwindigkeit warf er ihnen das Lager um, so dass sie zu ihrem nicht geringen Erstaunen, statt auf dem Bette, bald unter demselben und dann wieder mit dem Haupte zu den Füßen lagen, und sich auf das ärgerlichste umhergeworfen sahen. Solches verdross den ältesten der Mönche in die Länge, und er bedrohte den Geist und sprach: „lass uns zufrieden, schlechter Geselle, denn wir sind in deiner Gewalt nicht, und du hast keine Macht über uns, versuche sonst deinen Handel, wo du willst, uns aber vergönne zu ruhen!“

Aber der schalkhaftige Geist kam über eine Weile etliche Mal bald wieder und beunruhigte die Mönche, wiewohl er ihnen nichts zu Leide tat. Da sagte der Pater übermal zu ihm: „mein guter Bruder, halt doch Frieden, und höre auf beschwerlich zu sein; denn, was ist dir damit gedient, wenn wir die ganze Nacht ohne Schlaf zubringen und dadurch gegen den morgenden Tag untüchtig gemacht werden, alsdann unserm Schöpfer unsere schuldigen Dienste zu tun und zu leisten?“

Als der geistliche Mann sich so abermal mit dem Pück in Worten eingelassen und dazu seinen Bruder genannt hatte, fragte dieser: „Willst du mich zu deinem Diener mieten, so will ich dein und deiner Brüder unverdrossener und williger Knecht sein?“ — „Für diesmal“, entgegnete der Pater, lass es gut sein; doch willst du mir dienen, so will ich dich mieten, was soll aber dein Lohn sein?“

Dies alles sagte er nicht, als wenn er es wirklich so meine, sondern um den unheimlichen Gesellschafter wegzuschaffen. Der Geist aber war fröhlich wegen seines neuen Herrn, und sprach zu ihm: „Du sollst mir zum Lohn geben für meine getreuen Dienste einen Rock von allerhand Farben und voll Glocken (nach der Mode der damaligen Zeit), und mir denselben aufbewahren.“

Der Pater versprach ihm solches. Da machte und bereitete der Geist ihnen selbst das Bette, damit sie desto ruhsamer in Frieden schlafen könnten. Wie es nun aber war Morgen worden, erschien der Geist und sagte zum Pater: „Siehe, ich bin nun dein Knecht, denn du hast mich gemietet; willst du nun weg oder willst du noch etwas verharren?“ Der Pater antwortete ihm: „Es ist nunmehro wohl Zeit, dass ich bei' meinen Brüdern zu Schwerin gegen Mittag wieder anlange.“ Da rief der Geist, welcher oben auf dem Hause saß: „Urlaub, ich will mit dir ziehen.“ Aber der Pater entgegnete: „Wandere deiner Wege, wandere nur immerhin, ich begehre deine Gesellschaft nicht.“ Nachdem aber der ehrwürdige Mönch in das Wohnhaus gekommen, fragte ihn der Herr von Halberstadt, ob sie auch eine geruhige Nacht gehabt hätten. Da erzählten die Gäste, wie sie zu Anfang der Nacht wären beunruhigt worden und ein böser Geist sie auf alle Weise geneckt habe und was sodann mit ihm weiter vorgegangen. Das gefiel dem Herrn sehr wohl! „Ich wäre“, hub er an, „diesen boshaften Geist gerne los, und möchte, dass er an einem andern Orte sein Wesen triebe, denn er beschwert und beunruhigt alle Leute, welche bei mir einkehren.“ „Er soll euch fernerhin nicht lästig werden, gestrenger Herr“, erwiderte der Mönch, „denn ich habe ihn zum Klosterdiener gemietet und ihm einen gewissen Lohn versprochen.“ Da solches der Wirt hörte, freute er sich sehr, dankte dem Pater und sprach: „lieber Vater, ihr habt mir und allen den Meinigen einen angenehmen Dienst erwiesen, dadurch, dass ihr den schalkhaften Geist gemietet; gehabt euch wohl und fahret glücklich mit ihm!“ Als nun der Mönch sich zur Abreise anschickte und mit seinen Gefährten auf den Wagen stieg und die Fahrt nach Schwerin antrat, so saß der böse Geist, in Gestalt eines Affen, auf einem Torflügel und sprach: „Herr! nun will ich mit euch reisen, denn ich bin euer Knecht!“ Der Pater aber rief ihm zu: „wandere nach dem Kloster und lass uns das Mahl bereiten.“ Wie der Geist diese Worte hörte, erhob er sich eilends und kam in das Kloster, allwo er zu dem Koch sagte: „bereite das Essen geschwinde, denn es werden gegen Mittag Gäste kommen.“ Der Koch aber, welcher die Stimme hörte und doch niemand sah, sprach: „was sagst du, und wo bist du?" Hierauf horte er abermals: „richte das Essen zu, denn es werden Gäste kommen.“

Als nun der Pater zur Stadt hineinfuhr, erschien ihm der Geist mit zwei vollen Kannen auf dem Tore, welches vor Schwerin, auf dieser Seite der Schweineburg stand, und sprach zu ihm: „Herr, beliebt’s euch nicht, mit mir zu trinken!“ Der Pater ward darüber betrübt und ihn gereute, was er getan hatte, weil ihm des Teufels Grimm und Zorn bekannt war. Deshalb sagte er zu sich selbst: siehe, du hast den bösen Geist zum Knecht gemietet, vielleicht hat er sowohl wider dich, als deine Brüder, etwas Böses im Sinne, davon du Rede und Antwort geben musst. Doch er ließ die traurigen Gedanken wiederum fahren und antwortete dem Geiste: „ich bin noch nüchtern, guter Freund, mir beliebt noch nicht zu trinken!“ Als er aber bald hernach in das Kloster kam, lief ihm der Geist vor allen entgegen und hieß ihn auf das freundlichste willkommen. Noch der Mittags-Mahlzeit trat er aber wieder zu dem Pater und sprach: „Herr, ihr habt mir einen Rock zugesagt, deshalb bitte ich, dass ihr denselben ohne Verzug machen lasst und hinweg leget; sonst sollt ihr keinen Frieden mit mir haben. Wenn aber der Rock fertig ist, so will ich, dass ihr denselben bis zu gelegener Zeit verwahret. Ich will eure Arbeit verrichten. Was wollt ihr denn nun, dass ich zu eurem Dienste tun soll?“ Der Pater antwortete: „so es dir gefällt, will ich, dass du die Klosterbrüder um Mitternacht zur Messe selbst aufweckest, aber du sollst ihnen nichts Böses tun.“ Der Geist sprach: „ihr habt mir ein gutes Amt aufgetragen, welchem ich fleißig vorstehen und keinen Schlaf dafür nehmen will, denn ich schlafe nimmer. Und was soll ich denn mehr tun?" Der Mönch erwiderte: „du sollst das Amt einer Wäscherin in der Küche verrichten, das Küchengeräte und die Schüsseln waschen, die Töpfe säubern und was sonst dahin gehört, leisten.“ „Das will ich treulich ausrichten“, sagte der Geist; „willst du mir noch mehr Dienste auflegen?" „Ich will“, antwortete der Mönch, „dass du allen und jeden Brüdern dienest, doch ohne Schaden;“ und der Geist Pück gelobte dies alles zu tun.

Nun begab es sich, dass, nachdem das Kloster abgebrannt war, der Pater zur Wiederaufbauung desselben zu einem Edelmanne verreiste und denselben dringend ersuchte, dass er den Klosterbrüdern mit etlichen Balken und anderem Holze, das er genug hätte, behilflich sein wollte. Als der Edelmann fast darin gewilligt hatte, sagte der Pater: „ich habe einen Knecht, der soll morgen kommen und das Holz fällen.“ Der Edelmann aber meinte, die Arbeit eines Knechts möchte wohl wenig anschlagen, die Klosterbrüder sollten nur mehrere Leute schicken. Der Pater dagegen versicherte, dass man deren nicht mehr bedürfe, der eine Knecht sollte das alles wohl verrichten, was zu tun sei.

Da hat der Geist Pück in derselben Nacht so viel Bäume zur Erde gestürzt, dass der Edelmann, als er am andern Morgen vom Hofe ging und gewahr wurde, dass in dem Walde so viel Holz gefällt war, sich darüber entsetzte und sagte: „wer ist so böse und vermessen gewesen, mir in einer Nacht so viel Holz niederzuwerfen?“— Unterdessen kamen der Klosterbruder und sein Knecht mit vielen Wagen, das Holz aufzuladen. Als das der Edelmann sah, ward er noch unwilliger und sprach: „Vater, was ist das, warum habt ihr aus eigener Gewalt und Willen so viel Holz fällen lassen?" Der Mönch antwortete: „gestrenger Herr, habt ihr mir nicht auf meine Bitte bewilligt, dass, so viel als mein eigener Knecht in einer Nacht niederhauen könnte, dem Convent zu Gebäuden dienen sollte? Das ist nun geschehen.“ Der Edelmann aber entgegnete: „nicht also, Vater, denn ob ich wohl zuvor meine Bewilligung dazu gegeben, so will ich doch, dass es mit der Bedingung geschehe, dass ihr einen Teil des Holzes wegschaffen lasset, der andere aber mir verbleibe.“ Da begehrte der Klosterbruder noch eine Bitte und sprach: „Herr, so es euch gefällig ist, bitte ich, mir nur allein so viel Holz zu geben, als mein Knecht auf einmal wegbringen kann.“ Als nun der Edelmann ihm solches zugestanden, war alsobald des Klosters Knecht, der Pück, zur Hand, welcher alles Holz in die Luft erhob und es zum Erstaunen Aller davon trug. Da solches der Edelmann sah, entsetzte er sich und merkte, dass er betrogen war. „Ich hätte nicht gemeint“, sprach er, „dass ein Knecht so viel Holz könnte wegbringen. Es ist ein unsauberer Geist, der tut es durch seinen Knecht.“ Dieses und Anderes mehr wird von dem Pück erzählt. Und dieser Knecht, der Pück, war mehr denn 30 Jahre im Dienste des Klosters. Endlich, als er seinen Dienst vollendet, wie die Meisten melden, wartete er auf eines Domherrn zu Schwerin letztes Stündlein, welcher durch einen schnellen Tod aus diesem Leben ging. Aber der Knecht kam hiernächst vor des Paters Tür, klopfte mit Ungestüm an und forderte den Rock, welcher so lange in Verwahrung gewesen. Der Pater, welcher nicht wohl zufrieden war, dass er ihn so heftig antrat, sprach zu dem Geiste: „was hast du für eine Tat wider meine Brüder begangen, dass du so eilig uns verlassen willst? Ich argwöhne, dass du etwas Böses hast ausgerichtet.“ Der Geist antwortete: „Vater, es ist keinem deiner Brüder von mir etwas Böses geschehen; gib mir daher den Rock, den du mir versprochen und wofür ich dir so lange treulich gedient habe.“ Da hat ihm der Pater den Rock hingegeben, welchen der Geist angezogen und sich damit empor in die Luft gehoben, so dass ein großes Getön und der Glockenklang weit und breit ist gehöret worden. Die eine Kanne hat er mitgenommen und die andere von Kupfer, der seinen gleich, dem Kloster hinterlassen, welche noch bis auf den heutigen Tag von den Einwohnern genannt wird — der Pück.

Anmerkung: Diese Sage findet man in Hederich Schwer. Chronik, welche anno 1598 gedruckt worden. Der Verfasser sagt, aus den Jahrbüchern und Registern, auch von den alten Mönchen des Klosters habe man Nachricht von dieser Geschichte. Sie muss zu seiner Zeit in Schwerin vielen Glauben gefunden haben, da er sich nicht hat überwinden können, sie wegzulassen. Inzwischen ist sie ihm doch nichts mehr, als ein Märchen, welches er den Lesern seiner Chronik als eine billige Zugabe nicht vorenthalten wollte. In meiner Sammlung Mecklenburgischer Sagen durfte sie nicht fehlen.

Übrigens sollte jeder das Holz, welches der Pück durch die Lüfte nach Schwerin geführt hatte, nach gemeiner Sage in dem Gebäude am alten Garten, worin früher die fürstl. Wagen-Remisen, Heu- und Kornboden befindlich waren und wo jetzt das Großherzogl. Kollegien-Gebäude steht, zu welchem im September 1825 der Grundstein gelegt wurde, selbst in Augenschein nehmen können. Es war das festeste Eichen-Kernholz und hätte wohl Jahrhunderte noch dauern können, wenn das Gebäude im Übrigen nur auch den Zwecken und dem Geschmacke der Jetztzeit entsprochen hätte.

Petermännchen, Schweriner Schlossgeist

Petermännchen, Schweriner Schlossgeist

Petermännchen, Schweriner Schloss-Fassade

Petermännchen, Schweriner Schloss-Fassade

Petermännchen, Schweriner Schlossgespenst

Petermännchen, Schweriner Schlossgespenst

Petermännchen, Wappen von Pinnow

Petermännchen, Wappen von Pinnow