Die Dorfstelle bei Grabow

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Dorfstelle, Grabow, Gotteslästerung
Unfern der Stadt Grabow befindet sich eine sumpfige Gegend, welche man allgemein die Dorfstelle nennt. Hier stand einstmals ein großes, blühendes Dorf. Da aber die Bewohner desselben zu schlecht und gottlos waren, so ließ der liebe Gott es spurlos von der Erde verschwinden.

Es war nämlich an einem Sonntag Vormittag. Als allenthalben gute und fromme Christen in die Kirchen gingen, um Gott den Höchsten zu verehren, schlenderten statt dessen die Bewohner dieses Dorfes nach ihren Schenken, um dort diese dem Dienste des Herrn gewidmete Zeit bei Bier und Branntwein, mit unzüchtigen Reden und Gotteslästerungen zu töten. Nur zwei brave und gottesfürchtige Edeldamen, die ebenfalls in diesem Sodom wohnten, waren nach Grabow — wohin das Dorf eingepfarrt war — in die Kirche geeilt.

Ebenso wie diese Edeldamen allein nur die beiden wahren Christen ihres ganzen Dorfes waren, so waren sie auch au diesem Sonntage wieder nur die Einzigen aus demselben, die sich ins Gotteshaus begeben hatten.

Während nun also die beiden frommen Frauen in der Grabower Kirche weilten und Gott ihren Schöpfer priesen, die übrigen Mitbewohner ihres Dorfes aber daheim saßen und den Tag des Herrn aufs Gröblichste entweihten, geschah' plötzlich ein gewaltiges Donnern und Krachen; die Erde öffnete sich und verschlang das ganze Dorf mit allen seinen gottlosen Einwohnern.

Nichts war von dem Dorfe übrig geblieben; kein Bewohner desselben, als nur die beiden einzigen Guten, die Edeldamen, waren dem allgemeinen Verderben entgangen.

An der Stelle des ehemaligen Dorfes entstand aber ein großer Sumpf, der zur Erinnerung hieran noch heute, wie schon gemeldet, den Namen die Dorfstelle oder „de Dörpstähr" führt.