2. Bergland.

      Die in Bolivien geteilte Kordillere vereinigt sich in Peru zu einem Berg- und Hochlande von riesenhafter Ausdehnung, welches mehr als 500.000 qkm umfasst. Lange Ketten, die in hohen schneebedeckten Bergstöcken gipfeln, umschließen weite fruchtbare Hochtäler und bieten zahlreichen Herden gute Alpenweiden.
      Die West- und Ostabhänge dieses ungeheuren Gebietes entsenden Flüsse nach der Küste, das Wasser der Osthänge bildet schon in den Längstälern die mächtigen Quellströme des Amazonas, den Maranon und den Ucayali, sowie viele Zu- und Nebenflüsse. Das Bergland ist indes überall nur dünn bevölkert, so dass große Gebiete in den fruchtbaren und klimatisch begünstigsten Hochtälern einer kommenden Kultur Vorbehalten sind. Diese Hochtäler werden später blühendem Ackerbau und bedeutender Viehzucht zur Entfaltung dienen, sobald einmal Kommunikationen geschaffen; die vorhandenen genügen nicht, um den Absatz der Produkte nach der Küste zu bewirken. Das Hochland wird aber weißer Einwanderung dereinst vortreffliche Heimstätten bieten. Eisenbahnen dringen nur von wenigen Stellen in das Hochland ein. Die wichtigsten derselben sind die Oroyabahn, die höchste der Welt, welche von Lima in die Provinz Junin führt und mit einem Zweig die berühmten Kupferminen von Cerro de Paseo erreicht. Im Süden führt die englische Peruvian Railway über Arequipa nach dem Titicacasee, so die Verbindung mit Bolivien herstellend; nördlich führt sie bis zur alten Inca-Hauptstadt Cuzco, in weitem Bogen das Hochland von Süden umfassend.
Es möge hier gleich erwähnt sein, dass auch Peru an der Erweiterung seines Bahnnetzes arbeitet. So ist im Norden eine Bahn nach dem Amazonas geplant, um bessere Überlandverbindung mit den Stromprovinzen zu erhalten, ebenso ist die Verlängerung der Peruvian Railway bis Santa Ana geplant, d. h. Anschluss des Südens an das Stromnetz des Amazonas. Beide Bahnen trassierte die deutsche Firma Koppel. Ausführen werden sie zweifellos die Engländer.
      3. Der bei weitem größte Ostteil kommt seiner tropischen Inlandnatur wegen für Deutschland zunächst kaum in Betracht. Durch die ungeheuren, fast durchweg schiffbaren Wasseradern, ist er außerordentlich entwickelungsfähig und wird sicher später leisten, was von einem tropischen Binnenland nur immer erwartet werden kann. Die fast einzige Ausbeute jetzt besteht in Gummi, Orchideen, Vogelbälgen, Schmetterlingen. Die Bevölkerung des größten Teiles sind noch wildlebende Indianerstämme. Die Zukunft scheint durch die Flüsse gesichert zu sein, auf welchen eine große Entwicklung der Schifffahrt erfolgen kann, so dass ein großer Teil des Innern von Peru in direkten Verkehr mit Übersee treten kann. Was alles tropische Länder an wertvollen Produkten erzeugen können, wird erst die Zukunft lehren und wofür speziell sich diese großen Landstriche eignen. Die Entwicklung der Schifffahrt und die bisher unübertroffene Qualität des in Bolivien und Peru gewonnenen Gummis lässt hoffen, dass dieses Erzeugnis sich auch lange hinaus wird behaupten können, wenn nicht die Chemiker etwas Besseres erfinden. Die Erzeugnisse der peruanischen Boden- und Waldnutzung, Landwirtschaft und Viehzucht sind schon früher angeführt. Für die Ausfuhr kommen nur Zucker, Baumwolle, Traubenschnaps, Gummi und Felle in Betracht. Mehl wird noch von Chile eingeführt. Peru könnte eines der ersten Zucker- und Baumwolländer der Welt sein. Die großen Produktionszentren des nördlichen Küstenteils leiden indes unter Arbeitermangel. Die [Ureinwohner] von der kühlen Kordillere vertragen auch das Küstenklima nicht und leiden stark unter Tercianas. Die Stämme des Innern anzulernen und heranzuziehen, wie dies in Argentinien vereinzelt geschieht, ist wegen des dazwischen liegenden ausgedehnten Berglandes ausgeschlossen.
      Die Tierzucht steht auf niedriger Stufe. Das Vieh im Bergland ist meist degeneriert. Vereinzelt ist besseres Blut eingeführt.
      Peru zieht sehr gute Passgänger von reinem altspanischem Blut, welche selten und sehr gesucht sind. Die Tierzucht könnte sehr Gutes leisten, namentlich auch die Schafzucht, wenn erst etwas für die Aufbesserung des Blutes, rationelle Züchtung und Haltung geschähe. — Im Hochland ist das Llama noch weit verbreitet, auch könnten große Bestände von Alpacas und Vicunas gehalten werden.
      Der Mineralreichtum an Kupfer, Silber in der ganzen Kordillere, Gold namentlich im Südostteil oder auch an sehr vielen anderen Stellen ist groß. Die meisten Minerale [Erzvorkommen] die Vorkommen, dürften noch nicht entdeckt sein, da die mangelhaften Verbindungen den Transport zur Küste unmöglich machen und der Bergbau nicht lohnt. Peru steht in dieser Beziehung weit hinter Chile und Bolivien zurück. Da, wo die Bahn in das Bergland eindrang, wie bei Lima, blüht auch der Bergbau, und reiche Silberminen sowie weit größere Kupferminen sind in lohnendem Betrieb.
      Eine nordamerikanische Unternehmung in Cerro de Paseo liefert monatlich 1.500 tons Kupfer, doch ist sie schon nicht mehr die größte Kupfermine.
Im Süden von der Peruvian Railway wird ebenfalls viel Bergbau auf Kupfer betrieben. Von Bedeutung ist dort auch der Goldbergbau in der Kordillere von Carabaya. Auch hier hat sich eine nordamerikanische Gesellschaft, die Inca mining Co., durch große Erträge vorteilhaft ausgezeichnet.
      Im äußersten Norden, bei Tumbes, wird auch durch Nordamerikaner Petroleum gewonnen. Kohle in guter Qualität ist mehrfach gefunden.
Die Industrie ist, wie in allen diesen Ländern, in den Anfängen und erstreckt sich nur auf einige Artikel wie Tuche, Möbel, Zigaretten, Bier und andere Getränke und weniges andere mehr.
      Die bessere Klasse der Bevölkerung Perus verdient besonders hervorgehoben zu werden, da sie in vieler Beziehung die anderer südamerikanischer Länder überragt. Außer tadellosen Formen und Liebenswürdigkeit findet man bei derselben auch Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit in Geschäften. Eine starke Durchsetzung mit Italienern und Franzosen ist nicht von Vorteil gewesen, da der unverfälschte spanische Kreole unter allen diesen bei weitem das beste Element ist. Von den vier beschriebenen Ländern ist auch die innere Politik in Peru noch die unruhigste, und das Land steht an innerer Konsolidierung gegen die anderen Länder zurück, was indes für Fremde wenig zu bedeuten hat.
      Es existiert Goldwährung. Das peruanische Pfund ist dem englischen gleichwertig, der Sol gilt 2 Mark. Die Münzen sind ausgezeichnet geprägt, von bestem Metall.
      Einwanderung hat sich Peru noch wenig zugewandt. Stark eingewandert ist bisher nur das nordamerikanische Kapital.
      Die Erzeugung von Elektrizität hat auch in Peru in allen größeren Orten ihren Einzug gehalten. Das Land ist noch reicher an ungenutzten Wasserkräften wie die vorgenannten Länder.
      Im deutschen Interesse lohnt es sich, dem südlichen Peru — dem peruanischen „Südwestafrika“ — besondere Aufmerksamkeit zu schenken, und zwar im Zusammenhang mit dem Norden Chiles; ein zusammenhängendes Gebiet von fast gleicher Beschaffenheit.
      Wie früher erwähnt, streicht die hohe Kordillere parallel der Küste, doch bleibt ein 5 — 10 geographische Meilen breiter Streif zwischen beiden. Im chilenischen Gebiet gibt es noch eine Küstenkordillere, eine niedrigere Parallelkette hart an der See, die in Peru sich mehr ins Innere zieht, ein breites Vorland lassend. Zwischen Küsten und hoher Kordillere liegen schmale Längsebenen, Pampas genannt, vegetationslose Wüsten. Von der hohen Kordillere zur See laufen Quertäler, die in Südperu zum Teil stark fließende Wasserläufe aufweisen, wie den Majes, Tambo und Ocona, und schwächere, teils nur zeitweise fließende, wie den Vitor und Bio Sama. Die Ebenen, große Längstäler, ebensowie die Quertäler, waren ursprünglich reine Felstäler, welche sich unterseeisch mit Geröll auffüllten. Der Untergrund ist deshalb durchlässig und die von der schneebedeckten Kordillere abfließenden Wasser laufen in dieser Region besonders meist unterirdisch zur See. Häufig sind sie so nahe der Oberfläche, dass in den sogenannten valles muertos, trockenen Tälern, sich eine Vegetation tiefwurzelnder Sträucher halten kann. Dieses Wasser kann an vielen Stellen mit leichter Mühe gewonnen werden. Es genügen oft nur Dränage- oder Fangschächte, und da die Terrains meist nach der Küste sowohl wie nach der Talsohle geneigte Ebenen sind, kann das Wasser ohne Hebevorrichtung nutzbar gemacht werden, und die Kosten für Bewässerung reduzieren sich auf ein Minimum.
      Das Klima ist absolut gleichmäßig, gesund und gestattet auch dem Europäer die Arbeit. Der bewässerte Boden ist von sehr großer Fruchtbarkeit; man kann alles anbauen, was es auch sei, wenn es nur Gewächse sind, die nicht fortgesetzt äußerste Wärme oder geringe Temperatur erfordern. Das wertvollste Produkt ist die in dieser Zone wildwachsende Roughbaumwolle, welche den Preis der Schafwolle behauptet und deren Kultur viel weniger Kosten verursacht als irgendeine andere Pflanze. Diese Gegenden werden ein zweites besseres Kalifornien bilden. Wie lohnend Bodenkultur in ihnen ist, mag der Umstand zeigen, dass die Bauern in Arica 4.000 $ = 3600 M Reinertrag aus einem Hektar Landes mit Gemüsebau für die Salpeterpampa machen.
In Chile sind die Behörden mit Landkonzessionen entgegenkommend, denn sie wollen den Norden, namentlich die Peru abgenommene Provinz Tacna-Arica bevölkern, um sie fester an Chile zu ketten.
      Auch in Peru würde man, wenn dies richtig angefangen wird, gerade deutschen Unternehmungen an der vernachlässigten, jetzt wüsten Küste des Südens sehr entgegenkommen, denn man versteht den Wert der Kolonisation zu würdigen, und es ist für Peru wichtig, wenn eine starke inoffensive Macht wie Deutschland großen Einfluss in einer Region gewinnt, welche zwischen dem Herzen des Landes und dem Erbfeinde Chile liegt. Eine unternehmende Gesellschaft kann, ohne dass sie gerade sehr viel Kapital nötig hätte, mit guter Verzinsung vom ersten Tage ab sich eine Einflusssphäre von 100.000 qkm Küstenland sichern, zu welcher später ein großes Bergland und weite tropische Distrikte treten würden. Von diesem Küstengebiet aus können einmal die Bergtäler kolonisiert werden.
      In Peru fehlt, wie in allen südamerikanischen Ländern, nur Kapital und Unternehmungslust. Was überlegene Intelligenz vermag, zeigt folgendes. In den siebziger und achtziger Jahren war der Wunsch nach Bahnen lebhaft, aber man kam bei dem vermeintlichen Geldmangel nicht damit zustande. Eines Tages erschien Herr Meiggs, ein Yankee, in Lima mit Millionen hinter sich — , angeblich. Er verstand es indes, in Peru selbst das nötige Geld für seine Zwecke zu bekommen und baute mit diesem die gewünschten Bahnen. Die Banken machen es nicht anders. Sie erscheinen mit einem Firmenschild, den nötigen Büchern und Angestellten, eröffnen eine Geschäftsstelle und machen mit den Einlagen vorzügliche Geschäfte. Dass in den Annoncen stets 30 Millionen oder mehr Kapital angegeben wird, ist für das eigentliche Geschäft unwesentlich und dient nur zur Reklame.
      Paraguay und Uruguay sind von uns nicht besonders hervorgehoben. Die klimatischen und Bodenverhältnisse dieser Länder sind denen des Ostens bzw. Nordens von Argentinien fast gleich. Sie können indes erst in zweiter Linie in Betracht gezogen werden.