1. Das Küstengebiet.

      Die Spanier kamen von der See her als Eroberer. Diese blieb ihre strategische Operationsbasis, wie sie auch die Haupthandelsstraße ist. Ihre wichtigste Niederlassung war an der See, Lima mit dem Hafen Callao durch lange Zeit als Sitz des einzigen Vizekönigs der Vorort für das ganze spanische Südamerika. Erst nach und nach trennten sich die anderen Länder als besondere Vizekönigreiche ab. Der Schwerpunkt des Inkareiches lag in Hochperu am Titicaca und in Cuzco. Die Verbindung mit Europa ließ die Küste in den Vordergrund treten und sie ist bis heute auch der wirtschaftlich wichtigste Teil geblieben. Die peruanische Küste ist von der Natur zur Wüste bestimmt, da es nicht regnet, mit Ausnahme des äußersten Nordens, wo in langen Zwischenräumen Regenfälle sich einstellen. Die Kultur beschränkt sich auf die Flusstäler und soweit das befruchtende Wasser reicht, sind diese vortrefflich angebaut. Dazwischen liegen Wüsten, sogenannte Pampas.
Das Klima ist äußerst günstig, zwar tropisch, indes die Luft rein und trocken und gemildert durch die Nähe der See auf der einen, der Berge auf der anderen Seite. Es gedeiht fast jedes Gewächs der Tropen und der wärmeren gemäßigten Zone. Der Ackerbau im Großen erstreckt sich in der Hauptsache auf Zucker und Baumwolle. Zucker produzieren in erster Linie die Umgegend von Lima und die Täler nach Norden mit den Hauptorten und Häfen Huacho, Supe, Casma, Samanco, Chimbote, Salaverry-Trujillo, Pacasmayo und Eten-Chiclayo. Weiter nach Norden folgt eine große Wüste, die Sechura, die sich fast bis an die Grenze von Ecuador erstreckt, nur unterbrochen durch die Flüsse von Piura und den Rio Chira. Im Norden bei Fereñafe wird auch Reisbau betrieben. — Die peruanische Zuckerindustrie arbeitet unter günstigen natürlichen Bedingungen. Die sich geltend machende Bodenerschöpfung kann durch rationelle Düngung beseitigt werden. Störend ist der Arbeitermangel, welcher nach Aufhebung der Sklaverei durch Einführung von chinesischen Kulis und neuerdings von Japanern bekämpft wurde.
      Der Umstand, dass früher junge Peruaner die Vereinigten Staaten besuchten, dürfte zum Anbau amerikanischer Baumwolle geführt haben, welcher hauptsächlich bei Lima und weiter südlich bis Cañete mit gutem Erfolg betrieben wird. Peru besitzt selbst ausgezeichnete Baumwollarten, deren Anbau müheloser und weit lukrativer ist, denn dieselbe ist doppelt bis vierfach so teuer, wie beste andere Sorten, doch versteht man bis jetzt es nicht, die Pflanze richtig zu behandeln. Sie wird im äußersten Norden und im Süden in Piura und Tacna in wenig rationeller Weise gepflanzt.
      Die Zuckerrohrzone geht bis Tacna, doch gebraucht dort das Rohr schon 13 Monate, um zu reifen. Kaffee und Kakao baut sich im Norden jeder Besitzer selbst. Die Rebe gedeiht überall. Ihre Kultur, die Weinbereitung und auch Wein Verfälschung liegt meist in den Händen von Italienern, die rasch reich wurden. Im Süden bei Pisco und Locumba macht man einen vortrefflichen Traubenschnaps, den Pisco. Mais, Früchte, Gemüse baut jeder für seinen Bedarf, ebenso Luzerne und Kartoffeln. Die Orange ist in ganz Nord- und Zentralperu durch eine Schildlaus zerstört. Übrigens sind Früchte und Gemüse in Peru von besonderem Wohlgeschmack.
      Der ganze Küstenstrich von Tumbes im Norden bis Pisco im Süden erfreut sich einer gewissen Blüte und dementsprechenden Fürsorge. Sind auch die Häfen bis auf den von Callao, der völlig ausgebaut ist, und von Chimbote und Payta (beides vortreffliche, natürliche Häfen), schlecht, wie fast alle der Westküste nur offene Reeden, so ist in ihnen doch regelmäßiger Dampferverkehr durch die Küstenlinien sowie durch die Hamburger Kosmoslinie vorhanden. Eisenbahnen durchlaufen alle Täler und bringen die reife Produktion zu den Häfen. Von Lima bis Huacho läuft auch eine Küstenbahn.
      Gleich wüst, aber wesentlich weniger von fruchtbaren Tälern unterbrochen ist der südliche Teil des Littorals von Pisco bis zum Morro de Sama, der heute den Grenzhügel mit Chile bildet. Hier findet lediglich eine Unterbrechung durch das Tal des Tambo und die von dem naheliegenden Mollendo aufsteigende Bahn ins Innere, die Peruvian Railway, statt, sowie durch die Täler von Moquequa und Locumba, Ocoña und Majes.
      Die ganze Küstenzone bietet vom Standpunkt der deutschen Auswanderung aus kein hervorragendes Interesse, mit Ausnahme des südlichen Teiles von Ica bis Mollendo, welcher in einem besonderen Abschnitt behandelt werden wird. Die erwähnten Kulturen sind wesentlich solche für Großkapital. Das Flusswasser ist so fast vollständig durch eine mangelhafte Wassergesetzgebung vergeben.
      Dass die Küste eine große Zukunft hat, werden wir noch später erörtern, und das große und mittlere Kapital kann dort auf seine Rechnung kommen. Als ich 1904 nach Lima kam, bekam ich etwas zu hören, was mir völlig neu war. Alle deutschen Limakaufleute sagten: ,,Es geht uns allen gut“. So wird es auch jedem gehen, welcher sich an der peruanischen Küste in irgend einem Zweige unter richtiger Würdigung der Verhältnisse etabliert. Namentlich wird die Eröffnung des Panamakanals einen rapiden Aufschwung bringen. — Die Auswanderung von kleinen Ackerbauern hat indes keinen Zweck. Das Klima ist immerhin zu warm, und in den Flusstälern herrschen Tercianas, leichte Klimafieber, die nicht tödlich, aber lästig sind.