Die nördliche Region von Bolivien.

      Die Kordillere zeigt an ihrem Nord- und Ostende tief einschneidende Täler, welche in kurzer Aufeinanderfolge im höheren Teil Wald und die Produkte der gemäßigten, beim weiteren Sinken der Höhe die der subtropischen Zone aufweisen. Die Region der Täler geht in die der Yungas, meist angebaute breite Täler von großer Fruchtbarkeit und tropischem Klima, über. An diese schließen sich im Norden die riesigen Gummiregionen an, dem Stromgebiet des Amazonas zugehörig. Der Abfall des Hochgebirges ist teilweise so steil, dass man in zwölfstündigem Ritt von den Gletschern in die Tropen gelangt. Bereits drei Tagereisen von La Paz nördlich fangen die Gummiwaldungen an. Die ganze Waldregion, die zwar nicht überall, aber doch an vielen Stellen Gummibäume enthält, ist zum Teil noch kaum erforscht. Die Jagd nach Gummi hat, den Strömen entlanggehend, das meiste zur Entdeckung beigetragen, hat zu Niederlassungen und zur Bevölkerung der Flusstäler geführt, von denen das des Rio Acre das in letzten Jahren meistbesprochene war. Der Streit zwischen Brasilien und Bolivien um den Besitz dieser Region wurde auf friedlichem Wege geschlichtet, Bolivien trat das Acregebiet ab und erhielt dafür von Brasilien 2 1/2 Millionen Lstrl., die jetzt in die Eisenbahnen gesteckt sind.
      Das ganze große Nordgebiet, etwa bis zum 17. Breitengrade südlich, ist tropisch, von großen, meist schiffbaren Wasseradern durchzogen, wie dem Rio Beni, dem Mamoré u. a. m. Der für Bolivien sehr wichtige Beni hat Stromschnellen, die in der wasserarmen Jahreszeit die Schifffahrt sehr erschweren und durch eine Eisenbahn umgangen werden sollten. Die vielen und wertvollen Hölzer dieses Gebietes sind der Transportkosten wegen nicht ausführbar, und so hat diese wichtige Region, welche zum Teil noch von wilden Indianerstämmen durchzogen wird, außer dem Anbau der Lebensmittel für die Gummiarbeiter keine weitere Industrie als die Gummigewinnung selbst; der hohe Wert gestattet diesem Produkt allein die durch Länge der Wege und große Schwierigkeiten sehr verteuerte Ausfuhr. Diese findet nach dem Amazonas hin oder via Mollendo über Sorata oder La Paz, auch über Cochabamba-Oruro statt. Die Gewinnung des Gummis besteht im Sammeln des Saftes durch Anzapfung der Bäume. Der milchige Saft wird aufgefangen, geräuchert, wobei er fest wird, und hierbei in eierkuchenartige Fladen geformt, die ihrerseits wieder in große Kugeln zusammengewickelt werden. Die Gummiwaldungen bilden keinen geschlossenen Bestand von Gummibäumen, diese finden sich horstweise oder vereinzelt meist an den Rändern der Flüsse.       Man zählt sie. 150 Bäume bilden eine „estrada“, welche als Wertmesser für Preis und Besteuerung zugrunde gelegt wird. Der Wert von Offerten, welche keine Angabe der Estradas enthalten, ist nicht zu schätzen. Die Besteuerung ist ein Boliviano per Estrada. 15jährige Steuerzahlung gibt Eigentumsrecht.
      Man zahlt dem Capataz, welcher die Arbeiter anwirbt und für sie verantwortlich ist, 10 Bolivianos per Kopf, dem Arbeiter selbst 50 bis 60 Bolivianos per Quintal abgelieferten Gummis, doch müssen hier ebenfalls beträchtliche Vorschüsse in Geld und Waren gegeben werden. Mais und Gemüse werden an den Arbeitsstellen produziert; Waren an die Arbeiter verkauft die Unternehmung. Die Kosten des Transportes nach der Küste sind je nach der Lage der Gomales verschieden. Bei einem mir vorliegenden Anschläge über Gomales, die nur drei Tagereisen von La Paz liegen, betragen die Kosten per Quintal bis Europa 102,25 Bolivianos.
      Das Risiko der Gummiindustrie liegt im Preise des Artikels, welcher neuerdings stark geschwankt hat, ferner in der Arbeiterfrage. Eine Yankeeunternehmung importierte vor Jahren [Schwarze] von San Domingo, die sich nicht bewährten. Die Gefahren liegen in den Fiebern, welche bei genügender Vorsicht indes keineswegs so schlimm sind, als man glaubt. Wilde [Ureinwohner] mögen teilweise lästig werden. Meistens sind sie bei guter Behandlung nicht bösartig. Die Zukunft dieser großen Region ist die eines zentral gelegenen Tropenlandes, welches in diesem Falle den Vorteil der großen Flussläufe hat, die den Export erleichtern*).

      *) Zurzeit sind zwei Gummiunternehmungen für Bolivien im Entstehen, denen wir viel Glück wünschen.