Bergbau.

      Die Zeit der Unabhängigkeitskriege unterbrach den blühenden spanischen Bergbau. Der Mangel an Arbeitern machte es unmöglich, weiterzuarbeiten, auch waren die Eingeborenen weder so interessiert noch befähigt noch auch kapitalkräftig, um die spanischen Unternehmungen oder eigene fortzuführen. Tausende der besten und ergiebigsten Minen wurden verschüttet, die Eingänge mit Steinen versteckt und gerieten in Vergessenheit. Der Bergbau schlief mit vereinzelten Ausnahmen bis zum pazifischen Kriege, der auch auf diese Ausnahmen erdrückend wirkte. Zum Teil hatten Chilenen schon damals angefangen, neue Unternehmungen ins Leben zu rufen. Die berühmten Minen von Huanchaca, San Jose de Oruro, Socavon de la Virgen-Colquechaca, Potosi u. a. m. arbeiteten. Der Aufschwung, den die Minenindustrie indes neuerdings genommen, ist wesentlich erst in den letzten 25 Jahren erfolgt, zumeist durch auswärtiges Kapital und Unternehmen. Minchin, Peny y Duncan, Harrison y Boettiger, Metting sind Engländer bzw. Deutsche. Ein Bolivianer, S. P., vor zehn Jahren noch Angestellter eines Handelshauses, zog seitdem 10 Millionen Bolivianos — 1 Boliviano ungefähr 1 $ Papier — aus einer Mine von 4 ha Größe, welche ihm dazu noch streitig gemacht wurde, und für diese „ausgebeuteten“ 4 ha bot man ihm kürzlich noch weitere 10 Millionen, welches Gebot er ablehnte. Er nimmt monatlich 600.000 M netto aus seiner Mine ein.
      Die Riesenvermögen dieser Firmen entspringen teils ganz, bei Harrison y Boettiger zum großen Teil dem Zinnbergbau. Aramayo Francke haben neben diesen außerordentlich hohe Gewinne durch die fast völlige Monopolisierung von Wismut gemacht, ein Metall, welches nach dem japanisch-russischen Kriege, während dessen es sich wirksam als Heilmittel gegen Dysenterie zeigte, sehr im Wert gestiegen ist. Die Werke dieser Firmen zeigen, wie schon oben erwähnt, dass verständig angelegte Betriebe sehr wohl einen Preissturz auf 126 Lstrl. vertragen, denn so viel mir bekannt, hat auch nicht eine Mine im Besitze der Genannten die Arbeit auch nur eine Stunde unterbrochen. Im Allgemeinen ist die Situation folgende: Die enorm hohen Metallpreise in 1906 bis 1907 hatten die Spekulationstätigkeit mächtig erregt, und namentlich betätigte sich chilenisches und anglochilenisches Kapital in Gründungen. Solche waren: Los Anjeles, Monte Blanco, Colquiri, Oploca, die Minen von Nicolai, die Käufe von Socavon und San Jose de Oruru, Llallagua, Sevaruyo, Antequera, Huanchaca de Quimza Cruz, La Bajaderia und viele kleinere. Allein in die größeren — sämtlich Zinn — Unternehmungen mögen an 2 Millionen Lstrl. eingeschossen sein. Ein argentinisches Konsortorium kaufte Tucuhusuma, die Yankees Concordia u. a. m. Die Lage dieser sämtlichen Neugründungen war bisher keine befriedigende, trotzdem die Objekte fast alle gut, teilweise ausgezeichnet sind*).

      *) Jetzt zahlen viele 25 % und mehr.


      Der Grund liegt in verschiedenen Ursachen, die sich zum Teil für öffentliche Erörterung nicht eignen, sind auch in jedem Falle verschieden. Ein fast gleichmäßig alle chilenischen Unternehmungen treffender Nachteil ist folgender: In Bolivien gibt es keine aufgeschlossenen Minen, und jede dieser Unternehmungen erforderte von vornherein Kapital, um die Ausbeute zu ermöglichen und zu sichern, welche nötig war, die meist reichlich hohen Betriebskosten zu decken und Erträge zu bringen. Doch alle Unternehmungen befanden sich im Stadium der Entwicklung, als wie ein Frühlingsfrost die Weltkrisis sich auch hier herabsenkte und die Investierung von Kapital unmöglich machte.
      In La Paz hatten einige Gruppen von Bolivianern Minen in der Region von Inquisivi, in den Mineralen von Quimza Cruz, Tres Cruzes und Santa Vela Cruz erworben, auch begonnen zu arbeiten. Dieser Teil der Kordillere liegt sehr hoch und ist namentlich zur Zeit der Niederschläge mit tiefem Schnee bedeckt. Die Zinnvorkommen sind sehr reich, schon an der Oberfläche finden sich reine Kassiteritkristalle. Im Wechsel ist die Arbeit schwierig und die Frachten bis zur Station sehr hohe. Da La Paz und ganz Bolivien unter der allgemeinen Finanzkalamität reichlich zu leiden hat und diese Unternehmungen zur Beschaffung von Maschinerien sowie Aufschließung der Minen Kapital brauchen, haben die meisten die Arbeiten gestoppt. Einzelne befinden sich in der Lage, 30 bis 40prozentige Metalle „a la vista“ zu haben, ohne sich jedoch rühren zu können, da ihnen die Mittel zur Arbeit fehlen, die ihnen auch bei heutigen Preisen einen Gewinn von 30 bis 50 Lstrl. per Tonne bringen könnte.
Kurz zusammengefasst, arbeiten die alten, gutgeleiteten, kapitalkräftigen Werke auch heute mit gutem Nutzen. Kapitalschwache, sobald sie schon exploitieren, kämpfen mit Schwierigkeiten, Minen ohne Exploitation stoppen meist wegen Geldmangels. Wiederholt sei, dass die unbefriedigende Lage der letzteren stets ihren Grund in der zu schwachen Ausstattung der Unternehmung mit den nötigen Betriebsmitteln hat, ein Fehler, der sehr allgemein ist, aber sicher nicht den bolivianischen Minen zur Last gelegt werden kann*).

      *) Die Lage ist jetzt 1911 bei einem Preis von 194 Lstr. sehr viel besser.