Zweiter Abschnitt
Die Bahn ist Staatsbahn. Die Tarife sind nicht hoch, aber die Verwaltung war bisher keineswegs musterhaft. Die Regierung kontrahierte einen höheren deutschen Eisenbahnbeamten als Generaldirektor, welcher sehr gute Dienste leistet.
Chausseen sind in Südamerika unbekannt. Da die Winter nicht lang sind, geht es auch ohne diese. — Die Arbeiterverhältnisse sind im allgemeinen noch gute. In den Städten und Industriegegenden hat politische Verhetzung vorübergehende Schwierigkeiten geschaffen. Doch hat dies nicht viel zu bedeuten. Der chilenische Arbeiter ist einer der besten der Welt, und man kann bei gerechter Behandlung und Kenntnis seines Charakters viel mit ihm ausrichten.
Chile ist, wie bereits erwähnt, Bergland, d. h. der Westabhang der hohen Kordillere mit parallellaufender Vorkette, die Küstenkordillere, die meist ohne Vorland steil aus der See aufsteigt. Das nutzbare Land Chiles bilden die Oberflächen der engeren oder weiteren Täler, welche zwischen diesen Bergketten liegen oder zwischen im Korden und Süden vorkommenden Querriegeln als Quertäler von der Kordillere zur See streichen. Ursprünglich nackte Felskessel, füllten sie sich in Urzeiten unterseeisch mit der Gesteinszersetzung des Hochgebirges. Die Küste ist im Aufsteigen wohl noch begriffen. Die Erhebung aus der See schuf nutzbare Flächen, das Schmelzwasser der Kordilleren zahlreiche Flüsse mit großem Gefälle, oberirdische und unterirdische in dem durchlässigen Unterboden. Die enorme Ausdehnung des Landes durch fast drei Zonen hat ganz verschiedene Produktionsbedingungen zur Folge, entsprechend den wechselnden klimatischen Erscheinungen. Der äußerste Süden, Feuerland und Magellanes, das Hinterland von Punta Arenas, ist kühl und windig. Das Mittel der Jahrestemperatur ist so niedrig, dass Getreide nicht mehr reift, höchstens Kartoffeln und Kohlarten, letztere in großer Vollkommenheit. Das Gedeihen der von den Falklands eingeführten englischen Fleischschafe schaffte Millionen Vermögen und machte die ehemalige Verbrecherkolonie Punta Arenas zu einer lebhaften Handelsstadt. Die meisten großen Schäfereien sind heute als chilenische Gesellschaften gegründet und für Einwanderung ist dort nicht mehr Platz.
Der südliche chilenische Archipel bis Chiloe ist eine im ewigen Regen liegende Inselwelt ohne wesentliches Interesse. Der nördliche Teil dieser Region enthält nutzbare Wälder und schöne Kordillerenhochtäler. Dieses Zuviel an Niederschlägen vermindert sich nach dem Norden zu dergestalt, dass nördlich Santiago nur noch das Land an den Flüssen bebaut wird. Nördlich Copiapó hört der Regenfall völlig auf und bis zum Norden Perus herrscht die absolute Wüste, nur unterbrochen von einzelnen kultivierten Flusstälern. Diesem Klima entsprechend zeigt der Süden Chiles heut noch Holzreichtum. Die wunderbar schönen Wälder aber werden nur irrationell ausgebeutet. Das meiste wird niedergebrannt, um Ackerland zu gewinnen, und wo vor 10 bis 20 Jahren alles mit kerzengraden, riesenstarken Bäumen von über 40 Höhe bestanden war, herrscht heute absoluter Holzmangel. Die Bretter der viel angepflanzten lombardischen Pappel müssen in Zentralchile wie auch in Teilen Argentiniens aushelfen, sowie kalifornisches Holz an der Westküste und norwegisches in Argentinien. Zurzeit sind noch riesige Waldungen in Südchile für ein Spottgeld zu kaufen und ihr wirtschaftlicher Wert dürfte binnen kurzem ein sehr hoher werden, da, wie gesagt, das einer riesigen Entwicklung entgegengehende Argentinien, auch Uruguay und nicht weniger Zentral- und Nordchile, das Hochland von Bolivien und die Küsten Perus absoluten Holzmangel haben. Die Wälder enthalten meist sehr wertvolle Holzarten für alle Zwecke, Weichhölzer auch Harthölzer, die sich zu Bauten, Bahnschwellen, Wasserbauten, Bretter, für Möbel u. a. m. eignen. Für jeden Zweck findet sich Passendes.
Bei Puerto Montt fängt Ackerbau an; auch Weizen, Gerste, Hafer, Bohnen, Erbsen, Kartoffeln, — bis zur Höhe von Valdivia noch unter Regen leidend. Wenig weiter nach Norden setzt schon Bewässerung ein, die, je weiter nach Norden, umso notwendiger wird. Von Concepcion ab beginnt der Weinbau, der von großer Bedeutung ist. Chile produziert sehr gute Weine. Im Zentrum beginnt auch der Anbau von Luzerne, teils zur Viehmast, teils zur Erzeugung von Trockenfutter für den Export; der Anbau dieser Futterpflanze, welche lange andauert und drei bis vier Schnitte liefert, ist von großer Bedeutung. Ganz Südchile zieht Vieh im Süden auf den Waldterrains, in welchen eine Rohrart, die Quila, gutes Futter und Schutz vor den Winterregen gewährt. Das in Chile gezogene Vieh reicht aber für den Konsum im Lande nicht aus, und alljährlich werden bedeutende Mengen aus Argentinien importiert.
Die ganze nördliche Hälfte von Chile — enthaltend die Salpetergebiete und große Minen — erzeugt keine Landwirtschaftsprodukte, sondern konsumiert allein, und da Chiles südliche Hälfte auch die Hauptstädte, die Häfen und eine bedeutende Bergbauregion zu ernähren hat, befindet sich die chilenische Landwirtschaft in der angenehmen Lage, fast alle Produkte im eigenen Lande absetzen zu können. Hierzu kommt, dass das im großen Maßstabe Bergbau treibende bolivianische Hochland Mehl, Trockenfutter, Wein, Alkohol, Konserven aus Chile bezieht, ebenso Peru Mehl. Es kommt also wohl vor, dass Chile etwas Weizen nach Europa exportiert, nie aber in großer Menge, denn es wird alles zu Hause los zu Preisen, welche zum Teil exorbitant sind. In Santiago schon kostet das Pfund Butter fast 3 M, Milch der Liter bis 50 Pf., Kartoffeln 90 kg 15 bis 30 M, Bohnen 45 M 90 kg , Fleisch wie in Berlin. Trockenfutter 6 bis 7 M die 100 kg (Luzernepressheu). Dabei ist diese Stadt das Zentrum einer fruchtbaren, ackerbautreibenden Gegend und hat Bahn nach allen Seiten. Dieses Verhältnis wird sich auch schwerlich ändern, da die Bevölkerung zunimmt, auch die Industrie, nicht aber der Ackerbau, im Gegenteil führt aussaugender Raubbau, namentlich im Süden, zur Verarmung des Bodens.
Der chilenische Ackerbau ist auch sonst noch wesentlich günstiger situiert als der argentinische. Es gibt keine Heuschrecken, keine schädlichen Fröste, keinen Hagel, keine Gewitterstürme, und gegen Dürre schützt die Bewässerung, die noch überall viel weiter ausgedehnt werden kann. Bei einer richtigen Ausnutzung des Flusswassers, unterstützt durch Stauanlagen im Gebirge, dürften 40 bis 50 % mehr Ackerland nutzbar gemacht werden. Bewässerungen in Chile sind eine Melioration, welche innerhalb eines Jahres den fünffachen Betrag des investierten Kapitals und eine Verzinsung von 200% bringen kann. Nur sehr vereinzelt werden sie auch wirklich ausgeführt. Verhältnisse, die der Ausländer schwer versteht, verhindern es, dass dies allgemeiner wird. Der südamerikanische Gutsbesitzer ist nicht Landwirt, sondern Städter, sein Geschäft ist die Politik. Er hat deshalb in den weitaus meisten Fällen gar nicht Zeit, sich um seinen Besitz zu kümmern, sondern muss in der Stadt und in den politischen Klubs sitzen. Es gibt keine Meliorationskredite, Kapital ist knapp, auch hat er niemand, dem er die Ausführung einer solchen Sache anvertrauen kann. Trockenland zu kaufen und zu bewässern kostet per cuadra (= 1 1/2 ha — 6 Morgen) etwa 300 M; sobald das Wasser drüber läuft, ist das Land 1000 M bis 4.000 M, je nach Lage, wert. Der chilenische Kapitalist kauft wohl einen Fundo (Gut) und bezahlt 4.000 M per cuadra, aber er melioriert nicht. Derartige Geschäfte, bei denen Millionen mit relativ geringem Kapital zu verdienen sind, können zu Dutzenden gemacht werden im Zentrum des Landes und noch mit dem Wasser der Flüsse. Der ganze wüste Norden, in dem viel Wasser unterirdisch zur See läuft, ist noch ganz unberührt, trotzdem dort die Rente noch eine höhere sein würde. In Arica machen die Bauern mit Gemüsebau für die Salpetergegend 4.000 M netto jährlich pro Hektar und in Antofagasta nimmt ein Italiener aus einer noch nicht 1 ha großen Gartenwirtschaft jährlich 8.000 M ein. — In dieser Region wird alles und jedes per Schiff zugeführt, und frische Blumen und Gemüse werden mit Gold aufgewogen.
Der hochintelligente, leider zu früh verstorbene Präsident Montt — ein Deutschenfreund — wollte diese Bewässerungen von Staats wegen im großen Stil durchführen. Mit seinem Tode dürfte die Sache einschlafen. Sie steht dem Deutschen Kapital offen. Auch ohne solche Meliorationen haben viele deutsche Landwirte in Chile Vermögen gemacht. Die zahlreichen Kolonien von Puerto Montt, dann die nordwärts am Llanquihuesee, Osorno, La Union, Rio Bueno, die blühende Industriestadt Valdivia, das aufstrebende Temuco und eine große Anzahl von Kolonien von Temuco aufwärts bis Concepcion zeugen von dem großen Wohlergehen des deutschen Elements, namentlich auch der Landwirte. Viele tüchtige und hochangesehene Deutsche sind als Gutsbesitzer in Zentralchile angesessen. Gute sorgsame Wirtschaft lohnt hundertfach die Arbeit, und der Landmann kennt all die Sorgen und Mühen nicht, mit denen der deutsche Ackerbauer in der Heimat zu kämpfen hat. Je weiter nach Korden, desto bequemer und rentabler die Wirtschaft. Die Täler von Vallenar und Copiapó treiben fast nur Futterbau für die Salpetergegend und Ochsenweidemast. Sie ernten jährlich viermal Luzerne und lassen noch im Winter die Ochsen auf derselben weiden. Das ist ihre Arbeit, womit sie 200 — 300 % vom Kapital verdienen können. Dabei schädigt sie weder Regen, noch Tau, noch Hagel, noch Wind oder Insekten. Unter einem stets heiteren Himmel spielt sich der Betrieb mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks ab. — Die Möglichkeit, die Landwirtschaft auf die nördlichen wüsten Regionen Chiles auszudehnen, bleibt einem besonderen Artikel Vorbehalten. Die Ausbeutung der mineralischen Reichtümer Chiles ist das zweite große Gewerbe des Landes.
Chausseen sind in Südamerika unbekannt. Da die Winter nicht lang sind, geht es auch ohne diese. — Die Arbeiterverhältnisse sind im allgemeinen noch gute. In den Städten und Industriegegenden hat politische Verhetzung vorübergehende Schwierigkeiten geschaffen. Doch hat dies nicht viel zu bedeuten. Der chilenische Arbeiter ist einer der besten der Welt, und man kann bei gerechter Behandlung und Kenntnis seines Charakters viel mit ihm ausrichten.
Chile ist, wie bereits erwähnt, Bergland, d. h. der Westabhang der hohen Kordillere mit parallellaufender Vorkette, die Küstenkordillere, die meist ohne Vorland steil aus der See aufsteigt. Das nutzbare Land Chiles bilden die Oberflächen der engeren oder weiteren Täler, welche zwischen diesen Bergketten liegen oder zwischen im Korden und Süden vorkommenden Querriegeln als Quertäler von der Kordillere zur See streichen. Ursprünglich nackte Felskessel, füllten sie sich in Urzeiten unterseeisch mit der Gesteinszersetzung des Hochgebirges. Die Küste ist im Aufsteigen wohl noch begriffen. Die Erhebung aus der See schuf nutzbare Flächen, das Schmelzwasser der Kordilleren zahlreiche Flüsse mit großem Gefälle, oberirdische und unterirdische in dem durchlässigen Unterboden. Die enorme Ausdehnung des Landes durch fast drei Zonen hat ganz verschiedene Produktionsbedingungen zur Folge, entsprechend den wechselnden klimatischen Erscheinungen. Der äußerste Süden, Feuerland und Magellanes, das Hinterland von Punta Arenas, ist kühl und windig. Das Mittel der Jahrestemperatur ist so niedrig, dass Getreide nicht mehr reift, höchstens Kartoffeln und Kohlarten, letztere in großer Vollkommenheit. Das Gedeihen der von den Falklands eingeführten englischen Fleischschafe schaffte Millionen Vermögen und machte die ehemalige Verbrecherkolonie Punta Arenas zu einer lebhaften Handelsstadt. Die meisten großen Schäfereien sind heute als chilenische Gesellschaften gegründet und für Einwanderung ist dort nicht mehr Platz.
Der südliche chilenische Archipel bis Chiloe ist eine im ewigen Regen liegende Inselwelt ohne wesentliches Interesse. Der nördliche Teil dieser Region enthält nutzbare Wälder und schöne Kordillerenhochtäler. Dieses Zuviel an Niederschlägen vermindert sich nach dem Norden zu dergestalt, dass nördlich Santiago nur noch das Land an den Flüssen bebaut wird. Nördlich Copiapó hört der Regenfall völlig auf und bis zum Norden Perus herrscht die absolute Wüste, nur unterbrochen von einzelnen kultivierten Flusstälern. Diesem Klima entsprechend zeigt der Süden Chiles heut noch Holzreichtum. Die wunderbar schönen Wälder aber werden nur irrationell ausgebeutet. Das meiste wird niedergebrannt, um Ackerland zu gewinnen, und wo vor 10 bis 20 Jahren alles mit kerzengraden, riesenstarken Bäumen von über 40 Höhe bestanden war, herrscht heute absoluter Holzmangel. Die Bretter der viel angepflanzten lombardischen Pappel müssen in Zentralchile wie auch in Teilen Argentiniens aushelfen, sowie kalifornisches Holz an der Westküste und norwegisches in Argentinien. Zurzeit sind noch riesige Waldungen in Südchile für ein Spottgeld zu kaufen und ihr wirtschaftlicher Wert dürfte binnen kurzem ein sehr hoher werden, da, wie gesagt, das einer riesigen Entwicklung entgegengehende Argentinien, auch Uruguay und nicht weniger Zentral- und Nordchile, das Hochland von Bolivien und die Küsten Perus absoluten Holzmangel haben. Die Wälder enthalten meist sehr wertvolle Holzarten für alle Zwecke, Weichhölzer auch Harthölzer, die sich zu Bauten, Bahnschwellen, Wasserbauten, Bretter, für Möbel u. a. m. eignen. Für jeden Zweck findet sich Passendes.
Bei Puerto Montt fängt Ackerbau an; auch Weizen, Gerste, Hafer, Bohnen, Erbsen, Kartoffeln, — bis zur Höhe von Valdivia noch unter Regen leidend. Wenig weiter nach Norden setzt schon Bewässerung ein, die, je weiter nach Norden, umso notwendiger wird. Von Concepcion ab beginnt der Weinbau, der von großer Bedeutung ist. Chile produziert sehr gute Weine. Im Zentrum beginnt auch der Anbau von Luzerne, teils zur Viehmast, teils zur Erzeugung von Trockenfutter für den Export; der Anbau dieser Futterpflanze, welche lange andauert und drei bis vier Schnitte liefert, ist von großer Bedeutung. Ganz Südchile zieht Vieh im Süden auf den Waldterrains, in welchen eine Rohrart, die Quila, gutes Futter und Schutz vor den Winterregen gewährt. Das in Chile gezogene Vieh reicht aber für den Konsum im Lande nicht aus, und alljährlich werden bedeutende Mengen aus Argentinien importiert.
Die ganze nördliche Hälfte von Chile — enthaltend die Salpetergebiete und große Minen — erzeugt keine Landwirtschaftsprodukte, sondern konsumiert allein, und da Chiles südliche Hälfte auch die Hauptstädte, die Häfen und eine bedeutende Bergbauregion zu ernähren hat, befindet sich die chilenische Landwirtschaft in der angenehmen Lage, fast alle Produkte im eigenen Lande absetzen zu können. Hierzu kommt, dass das im großen Maßstabe Bergbau treibende bolivianische Hochland Mehl, Trockenfutter, Wein, Alkohol, Konserven aus Chile bezieht, ebenso Peru Mehl. Es kommt also wohl vor, dass Chile etwas Weizen nach Europa exportiert, nie aber in großer Menge, denn es wird alles zu Hause los zu Preisen, welche zum Teil exorbitant sind. In Santiago schon kostet das Pfund Butter fast 3 M, Milch der Liter bis 50 Pf., Kartoffeln 90 kg 15 bis 30 M, Bohnen 45 M 90 kg , Fleisch wie in Berlin. Trockenfutter 6 bis 7 M die 100 kg (Luzernepressheu). Dabei ist diese Stadt das Zentrum einer fruchtbaren, ackerbautreibenden Gegend und hat Bahn nach allen Seiten. Dieses Verhältnis wird sich auch schwerlich ändern, da die Bevölkerung zunimmt, auch die Industrie, nicht aber der Ackerbau, im Gegenteil führt aussaugender Raubbau, namentlich im Süden, zur Verarmung des Bodens.
Der chilenische Ackerbau ist auch sonst noch wesentlich günstiger situiert als der argentinische. Es gibt keine Heuschrecken, keine schädlichen Fröste, keinen Hagel, keine Gewitterstürme, und gegen Dürre schützt die Bewässerung, die noch überall viel weiter ausgedehnt werden kann. Bei einer richtigen Ausnutzung des Flusswassers, unterstützt durch Stauanlagen im Gebirge, dürften 40 bis 50 % mehr Ackerland nutzbar gemacht werden. Bewässerungen in Chile sind eine Melioration, welche innerhalb eines Jahres den fünffachen Betrag des investierten Kapitals und eine Verzinsung von 200% bringen kann. Nur sehr vereinzelt werden sie auch wirklich ausgeführt. Verhältnisse, die der Ausländer schwer versteht, verhindern es, dass dies allgemeiner wird. Der südamerikanische Gutsbesitzer ist nicht Landwirt, sondern Städter, sein Geschäft ist die Politik. Er hat deshalb in den weitaus meisten Fällen gar nicht Zeit, sich um seinen Besitz zu kümmern, sondern muss in der Stadt und in den politischen Klubs sitzen. Es gibt keine Meliorationskredite, Kapital ist knapp, auch hat er niemand, dem er die Ausführung einer solchen Sache anvertrauen kann. Trockenland zu kaufen und zu bewässern kostet per cuadra (= 1 1/2 ha — 6 Morgen) etwa 300 M; sobald das Wasser drüber läuft, ist das Land 1000 M bis 4.000 M, je nach Lage, wert. Der chilenische Kapitalist kauft wohl einen Fundo (Gut) und bezahlt 4.000 M per cuadra, aber er melioriert nicht. Derartige Geschäfte, bei denen Millionen mit relativ geringem Kapital zu verdienen sind, können zu Dutzenden gemacht werden im Zentrum des Landes und noch mit dem Wasser der Flüsse. Der ganze wüste Norden, in dem viel Wasser unterirdisch zur See läuft, ist noch ganz unberührt, trotzdem dort die Rente noch eine höhere sein würde. In Arica machen die Bauern mit Gemüsebau für die Salpetergegend 4.000 M netto jährlich pro Hektar und in Antofagasta nimmt ein Italiener aus einer noch nicht 1 ha großen Gartenwirtschaft jährlich 8.000 M ein. — In dieser Region wird alles und jedes per Schiff zugeführt, und frische Blumen und Gemüse werden mit Gold aufgewogen.
Der hochintelligente, leider zu früh verstorbene Präsident Montt — ein Deutschenfreund — wollte diese Bewässerungen von Staats wegen im großen Stil durchführen. Mit seinem Tode dürfte die Sache einschlafen. Sie steht dem Deutschen Kapital offen. Auch ohne solche Meliorationen haben viele deutsche Landwirte in Chile Vermögen gemacht. Die zahlreichen Kolonien von Puerto Montt, dann die nordwärts am Llanquihuesee, Osorno, La Union, Rio Bueno, die blühende Industriestadt Valdivia, das aufstrebende Temuco und eine große Anzahl von Kolonien von Temuco aufwärts bis Concepcion zeugen von dem großen Wohlergehen des deutschen Elements, namentlich auch der Landwirte. Viele tüchtige und hochangesehene Deutsche sind als Gutsbesitzer in Zentralchile angesessen. Gute sorgsame Wirtschaft lohnt hundertfach die Arbeit, und der Landmann kennt all die Sorgen und Mühen nicht, mit denen der deutsche Ackerbauer in der Heimat zu kämpfen hat. Je weiter nach Korden, desto bequemer und rentabler die Wirtschaft. Die Täler von Vallenar und Copiapó treiben fast nur Futterbau für die Salpetergegend und Ochsenweidemast. Sie ernten jährlich viermal Luzerne und lassen noch im Winter die Ochsen auf derselben weiden. Das ist ihre Arbeit, womit sie 200 — 300 % vom Kapital verdienen können. Dabei schädigt sie weder Regen, noch Tau, noch Hagel, noch Wind oder Insekten. Unter einem stets heiteren Himmel spielt sich der Betrieb mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks ab. — Die Möglichkeit, die Landwirtschaft auf die nördlichen wüsten Regionen Chiles auszudehnen, bleibt einem besonderen Artikel Vorbehalten. Die Ausbeutung der mineralischen Reichtümer Chiles ist das zweite große Gewerbe des Landes.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutschen Interessen in Argentinien, Chile, Bolivien und Peru.