Zweiter Abschnitt
Die landwirtschaftliche Tierzucht ist im Allgemeinen ein recht rentables Geschäft. Das Vieh ist nicht vielen Krankheiten unterworfen. Milzbrand und Texasfieber ist durch Impfung wirksam bekämpft. Die Schafe leiden an Krätze und müssen nach Erfordern in antiseptischen Bädern gebadet werden.
Die Tiere leben Sommer und Winter im Freien. Ställe sind unbekannt, selbst keine Schutzvorrichtungen für tragende Tiere und Neugeborene vorhanden, obgleich Fröste und nasskaltes Wetter unter Umständen große Verluste verursachen. Höchstens werden wertvolle Zuchttiere besonders gefüttert. Im allgemeinen ist gut ernährtes Vieh stets zu angemessenen Preisen verkäuflich.
Die Viehzucht ist nicht in gleichem Masse abhängig von den Verkehrsmitteln wie der Ackerbau, denn das Tier läuft selbst. Sie wird überall noch lohnend sein, wo die Eisenbahn noch weit entfernt, in den Gobernacionen, im Chaco, in Patagonien, wo es noch keine Eisenbahnen gibt. Allerdings muss die Wolle der Schafe transportiert werden können. Der Ackerbau ist an die Nähe von Kommunikationsmitteln, Eisenbahn, Fluss, Meer, gebunden. Sind diese nicht bequem erreichbar, so kann man nur mit der Tierzucht rechnen. Sie ist das eigentliche Geschäft des argentinischen Estanciero und verlangt unverhältnismäßig größere Flächen als die europäische Tierzucht, da sie sich auch im Winter auf Weidegang stützt. Die natürliche Güte des Kamp, d. h. die bessere oder geringere Qualität der wild wuchernden Gräser entscheidet über die Rentabilität eines Unternehmens, denn der Züchter hat es nicht so leicht zu meliorieren wie in Europa in diesem Punkte. Charakteristisch ist, dass unsere ehemaligen Lehrmeister in der rationellen Tierzucht, die Engländer, das argentinische System schlankweg in allen Punkten adoptiert haben, so ungeheuerlich es auch dem deutschen Landwirt in manchen Einzelheiten erscheinen will. Dies wie so manches andere zeigt, dass Amerika und Europa verschiedene Dinge sind, und dass der Deutsche umlernen muss, will er nicht zu Schaden kommen. Der Ackerbau ist die zweite Stufe der Entwicklung. Der argentinische Großgrundbesitzer ist von Hause aus nicht Ackerbauer. Pflügte man den Kamp, um den pasto duro zu zerstören, so riskierte man wohl auch die Weizenaussaat und machte unter Umständen eine reiche Ernte. Das entwickelte sich dann auch wohl zum Turnus. Der eigentliche Ackerbauer ist der Kolonist, namentlich haben sich hierbei die zahlreichen Deutschschweizer in Santa Fe und Entre Rios große Verdienste erworben. Der Ackerbau hat auch beim Großgrundbesitz, ebenso wie bei der sich immer mehr ausdehnenden Kolonisation, erheblich zugenommen. Unter den ackerbautreibenden Großgrundbesitzern ist die Bremer Firma Lahusen eine der bedeutendsten. — Wer vor zwölf Jahren von Buenos Aires mit einer der großen Bahnen reiste, der Südbahn, der Pacific- oder Nordbahn, sah fast nur Weideflächen, welche noch nie die Pflugschar gestreift hatte. Hohes Pampagras mit mächtigen Blütenbüscheln, Distelwälder und die ausgedehnten Höhlenbauten der Viscacha mit einer kleinen Eule als Schildwache davor, verkündeten den ungestörten Frieden des Urzustandes. Wer heute diese Bahnen fährt, sieht nur Weizen-, Mais-, Lein- und Luzernefelder soweit das Auge reicht. Und zwischen diesen Hauptlinien strahlen Dutzende von anderen Radialbahnen von dem großen Zentrum Buenos Aires aus, und an allen hat man das gleiche Bild, auch an den Querlinien und Ringbahnen. Das Pampagras und die Viscacha sind verschwunden, und der Präriekauz sitzt auf dem Telegraphenpfahl. Eine ungeheure Entwicklung hat stattgefunden und schreitet progressiv weiter vor. — Hauptfrucht ist immer noch der Weizen, neuerdings macht ihm der Mais den Rang streitig. Lein wird Umfangreich zur Samengewinnung gesät, neuerdings auch viel Hafer. Hat der Kolonist ein gutes erstes und zweites Jahr, so kann er in der Regel seine Existenz als gesichert betrachten; der Ertrag dieser günstigen Ernten wirft ihm schon ein ansehnliches Stück Geld ah, so dass er auch über einige weniger gute Jahre hinwegkommt. Wer einigermaßen Glück hat, wird durch Ackerbau sehr rasch wohlhabend, auch reich. Manchen kann es aber auch sehr schlecht gehen, denn Argentinien leidet auch im besseren Zentrum oft unter empfindlichen Schädigungen verschiedener Art. Häufig sind schroffe Temperaturwechsel mit Hagel und Frost, die Folge kalter Windströmungen von der Cordillera. Jahrgangweise schädigt die Dürre, wie auch im vergangenen Jahre, oder frühe Herbstregen verderben das gedroschene Getreide noch in den Stationen der Bahn, wo es häufig ohne Schutz wochenlang liegen muss. Sehr schwer können auch die Schäden durch Heuschreckenfraß werden, eine Plage, die mit der ganzen Wucht eines Naturereignisses auftritt und die ganze Ernte auf vielen Quadratmeilen binnen wenigen Stunden völlig zerstört. Ein wirksames Mittel gegen diese Plage gibt es bis jetzt nicht.
Diese Dinge können den einzelnen sehr hart treffen und den Anfänger ruinieren. In der Regel geschieht es nicht. Kaum 1 % der Anfänger wird daran zugrunde gehen, 99 aber florieren. Die Erleichterungen, welche der jungfräuliche Boden, das milde Klima und die im Durchschnitt reichlichere Regenmenge gegenüber den Schwierigkeiten deutscher Landwirtschaft gewähren, sind ganz ungeheuer. Der Ackerbau ist Raubbau. Wird der Boden selbst schließlich müde, — in den alten Schweizer-Kolonien in Santa Fe ist dieser Zustand vielfach nach einer langen Reihe guter Weizenernten eingetreten, — so bekommt er Luzerne zur Viehweide während 7 — 8 Jahren, und er trägt alsdann wieder reichere Ernten als je zuvor. — Der Argentiner ackert nach deutschen Begriffen schlecht und nachlässig. Er kennt meistens den Wert guter Ackerung nicht, sondern sucht unter Verwendung nordamerikanischer, auf Ramscharbeit konstruierter Pflüge mit möglichst wenig Mühe den Boden umzubrechen. Auch gegen die klarerweise unvermeidliche Verunkrautung der Äcker ist die Luzerne ein unfehlbares Korrektiv. Von den Schädigungen, die seine Bequemlichkeit dem Landmann geschaffen, befreit ihn unter Gewährung hoher Einnahmen die höchste der Bequemlichkeiten, der Luzernebau. Was will man mehr? Somit: der Acker gibt reichlich bei wenig Arbeit und ohne Düngung, das Vieh tut es auch, ohne Mühe zu verursachen.
Die Wirtschaftsgebäude bestehen in Drahtzäunen, die Abgaben sind verschwindend. Die Saat wintert nicht aus, die Dürren kommen selten, die Heuschrecken auch nicht alle Jahre. Italien sendet alle Jahre 90 000 Saisonarbeiter (Sachsengänger) über den Ozean, die zu erschwingbaren Preisen die Erntearbeiten besorgen und dann den Verdienst in die Heimat tragen. Auch die Einwanderung ist heute stark genug, um ein starkes Arbeiterkontingent zu stellen. Einheimische Arbeiter gibt es allerdings für den Ackerbau kaum, nur die Viehzucht besorgen die berittenen Hirten, welche ihre Wohnung im Kamp haben.
Die Tiere leben Sommer und Winter im Freien. Ställe sind unbekannt, selbst keine Schutzvorrichtungen für tragende Tiere und Neugeborene vorhanden, obgleich Fröste und nasskaltes Wetter unter Umständen große Verluste verursachen. Höchstens werden wertvolle Zuchttiere besonders gefüttert. Im allgemeinen ist gut ernährtes Vieh stets zu angemessenen Preisen verkäuflich.
Die Viehzucht ist nicht in gleichem Masse abhängig von den Verkehrsmitteln wie der Ackerbau, denn das Tier läuft selbst. Sie wird überall noch lohnend sein, wo die Eisenbahn noch weit entfernt, in den Gobernacionen, im Chaco, in Patagonien, wo es noch keine Eisenbahnen gibt. Allerdings muss die Wolle der Schafe transportiert werden können. Der Ackerbau ist an die Nähe von Kommunikationsmitteln, Eisenbahn, Fluss, Meer, gebunden. Sind diese nicht bequem erreichbar, so kann man nur mit der Tierzucht rechnen. Sie ist das eigentliche Geschäft des argentinischen Estanciero und verlangt unverhältnismäßig größere Flächen als die europäische Tierzucht, da sie sich auch im Winter auf Weidegang stützt. Die natürliche Güte des Kamp, d. h. die bessere oder geringere Qualität der wild wuchernden Gräser entscheidet über die Rentabilität eines Unternehmens, denn der Züchter hat es nicht so leicht zu meliorieren wie in Europa in diesem Punkte. Charakteristisch ist, dass unsere ehemaligen Lehrmeister in der rationellen Tierzucht, die Engländer, das argentinische System schlankweg in allen Punkten adoptiert haben, so ungeheuerlich es auch dem deutschen Landwirt in manchen Einzelheiten erscheinen will. Dies wie so manches andere zeigt, dass Amerika und Europa verschiedene Dinge sind, und dass der Deutsche umlernen muss, will er nicht zu Schaden kommen. Der Ackerbau ist die zweite Stufe der Entwicklung. Der argentinische Großgrundbesitzer ist von Hause aus nicht Ackerbauer. Pflügte man den Kamp, um den pasto duro zu zerstören, so riskierte man wohl auch die Weizenaussaat und machte unter Umständen eine reiche Ernte. Das entwickelte sich dann auch wohl zum Turnus. Der eigentliche Ackerbauer ist der Kolonist, namentlich haben sich hierbei die zahlreichen Deutschschweizer in Santa Fe und Entre Rios große Verdienste erworben. Der Ackerbau hat auch beim Großgrundbesitz, ebenso wie bei der sich immer mehr ausdehnenden Kolonisation, erheblich zugenommen. Unter den ackerbautreibenden Großgrundbesitzern ist die Bremer Firma Lahusen eine der bedeutendsten. — Wer vor zwölf Jahren von Buenos Aires mit einer der großen Bahnen reiste, der Südbahn, der Pacific- oder Nordbahn, sah fast nur Weideflächen, welche noch nie die Pflugschar gestreift hatte. Hohes Pampagras mit mächtigen Blütenbüscheln, Distelwälder und die ausgedehnten Höhlenbauten der Viscacha mit einer kleinen Eule als Schildwache davor, verkündeten den ungestörten Frieden des Urzustandes. Wer heute diese Bahnen fährt, sieht nur Weizen-, Mais-, Lein- und Luzernefelder soweit das Auge reicht. Und zwischen diesen Hauptlinien strahlen Dutzende von anderen Radialbahnen von dem großen Zentrum Buenos Aires aus, und an allen hat man das gleiche Bild, auch an den Querlinien und Ringbahnen. Das Pampagras und die Viscacha sind verschwunden, und der Präriekauz sitzt auf dem Telegraphenpfahl. Eine ungeheure Entwicklung hat stattgefunden und schreitet progressiv weiter vor. — Hauptfrucht ist immer noch der Weizen, neuerdings macht ihm der Mais den Rang streitig. Lein wird Umfangreich zur Samengewinnung gesät, neuerdings auch viel Hafer. Hat der Kolonist ein gutes erstes und zweites Jahr, so kann er in der Regel seine Existenz als gesichert betrachten; der Ertrag dieser günstigen Ernten wirft ihm schon ein ansehnliches Stück Geld ah, so dass er auch über einige weniger gute Jahre hinwegkommt. Wer einigermaßen Glück hat, wird durch Ackerbau sehr rasch wohlhabend, auch reich. Manchen kann es aber auch sehr schlecht gehen, denn Argentinien leidet auch im besseren Zentrum oft unter empfindlichen Schädigungen verschiedener Art. Häufig sind schroffe Temperaturwechsel mit Hagel und Frost, die Folge kalter Windströmungen von der Cordillera. Jahrgangweise schädigt die Dürre, wie auch im vergangenen Jahre, oder frühe Herbstregen verderben das gedroschene Getreide noch in den Stationen der Bahn, wo es häufig ohne Schutz wochenlang liegen muss. Sehr schwer können auch die Schäden durch Heuschreckenfraß werden, eine Plage, die mit der ganzen Wucht eines Naturereignisses auftritt und die ganze Ernte auf vielen Quadratmeilen binnen wenigen Stunden völlig zerstört. Ein wirksames Mittel gegen diese Plage gibt es bis jetzt nicht.
Diese Dinge können den einzelnen sehr hart treffen und den Anfänger ruinieren. In der Regel geschieht es nicht. Kaum 1 % der Anfänger wird daran zugrunde gehen, 99 aber florieren. Die Erleichterungen, welche der jungfräuliche Boden, das milde Klima und die im Durchschnitt reichlichere Regenmenge gegenüber den Schwierigkeiten deutscher Landwirtschaft gewähren, sind ganz ungeheuer. Der Ackerbau ist Raubbau. Wird der Boden selbst schließlich müde, — in den alten Schweizer-Kolonien in Santa Fe ist dieser Zustand vielfach nach einer langen Reihe guter Weizenernten eingetreten, — so bekommt er Luzerne zur Viehweide während 7 — 8 Jahren, und er trägt alsdann wieder reichere Ernten als je zuvor. — Der Argentiner ackert nach deutschen Begriffen schlecht und nachlässig. Er kennt meistens den Wert guter Ackerung nicht, sondern sucht unter Verwendung nordamerikanischer, auf Ramscharbeit konstruierter Pflüge mit möglichst wenig Mühe den Boden umzubrechen. Auch gegen die klarerweise unvermeidliche Verunkrautung der Äcker ist die Luzerne ein unfehlbares Korrektiv. Von den Schädigungen, die seine Bequemlichkeit dem Landmann geschaffen, befreit ihn unter Gewährung hoher Einnahmen die höchste der Bequemlichkeiten, der Luzernebau. Was will man mehr? Somit: der Acker gibt reichlich bei wenig Arbeit und ohne Düngung, das Vieh tut es auch, ohne Mühe zu verursachen.
Die Wirtschaftsgebäude bestehen in Drahtzäunen, die Abgaben sind verschwindend. Die Saat wintert nicht aus, die Dürren kommen selten, die Heuschrecken auch nicht alle Jahre. Italien sendet alle Jahre 90 000 Saisonarbeiter (Sachsengänger) über den Ozean, die zu erschwingbaren Preisen die Erntearbeiten besorgen und dann den Verdienst in die Heimat tragen. Auch die Einwanderung ist heute stark genug, um ein starkes Arbeiterkontingent zu stellen. Einheimische Arbeiter gibt es allerdings für den Ackerbau kaum, nur die Viehzucht besorgen die berittenen Hirten, welche ihre Wohnung im Kamp haben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutschen Interessen in Argentinien, Chile, Bolivien und Peru.