Vierter Abschnitt
Eine weitere Spezialbranche der argentinischen Landwirtschaft ist die Zuckerproduktion, gestützt auf Pflanzungen von Rohrzucker. Der Schwerpunkt der aus mehr als 30 großen Unternehmungen bestehenden Industrie liegt in Tucuinan. Einzelunternehmungen sind in Salta, Jujuy, auch im Chaco und Formosa. Die Rohrzuckerindustrie war früher hochlohnend. Die Erschöpfung der Böden, die Festlegung des Geldkurses, Knappheit der Arbeiter, Änderung des Klimas — es treten jetzt Fröste auf — haben den Zuckerbau an die Grenze der Rentabilität geführt. Die Einheit, 10 kg, erzeugt man heute für 2,90—3,00 $ und verkauft sie für 3,00 — 3,10 $. Dass einzelne besonders gut situierte Werke noch bis zu 200 % verteilt haben — das Kapital ist längst abgeschrieben — , ist richtig. Die Mehrzahl kämpft mit latentem Bankerott. Dabei wird der Zuckerpreis nur durch den politischen Einfluss der Zuckerbarone und ihrer Freunde gehalten.
als subtropisches Innenland — Zuckerrohr verlangt Seeklima —, hat mit 1.500 kg Zucker per Hektar den zweitniedrigsten Ertrag aller Zuckerländer. Brasilien kann weit billiger nach Buenos Aires exportieren, auch Kuba.
Rübenzucker würde sich in Argentinien auf 0,50 $ stellen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass eine Rübenzuckerindustrie den ganzen Rohrzucker binnen kurzer Zeit beseitigen würde. Die praktischen Schwierigkeiten würden sich bewältigen lassen, indes ist vorläufig nicht abzusehen, welche politischen Schwierigkeiten der Einfluss der Zuckerbarone schaffen würde. — Es wurde jetzt beabsichtigt, argentinische Rohrzuckerfabriken hier zu finanzieren. Es erscheint nicht rätlich, sich daran zu beteiligen.
Wer auf diesen Gebieten in Argentinien arbeiten will, wird guttun, sich persönlich in Buenos Aires an die Inhaber der deutschen Zeitungen zu wenden, von welchen namentlich der Schweizer Herr Aleman sich große Mühe gegeben hat, durch Reisen und Studien aller Art die Verhältnisse auf das genaueste kennen zu lernen. Diese Herren können auch Interessenten stets an gut orientierte, ehrlich denkende Personen verweisen, die zuverlässige Auskunft geben. — Das Selbstprüfen ist damit aber niemandem erspart und die Hauptsache.
Die Industrie bietet dem einwandernden Kapital noch wenig Chancen. Soweit solche sich mit Verwertung der Produkte der Landwirtschaft beschäftigt, die oben angeführten Zweige, zu denen noch Müllerei tritt, wird sie in großem Umfange und in riesenhaften, gut geleiteten, viele Millionen werten Etablissements betrieben. — Ein Zweig, die Produktion von Handelsdüngern, welche gewisse Kulturen, wie der Weinbau, der Zuckerbau, sowie die Gemüsekulturen, nicht länger entbehren können, ist noch völlig unbekannt.
Man muss in Argentinien das Kilogramm importierter Phosphorsäure mit 0,80 $ bezahlen, während man sie aus inländischen Knochen für 0,20 $ herstellen könnte. Ebenso gehen Stickstoffträger, wie Schlachtungsabfälle und Wolle, außer Landes, die Verwendung von Kalk ist unbekannt, die Vertretung von Kali war 1909 noch denkbar unzweckmäßig organisiert. Allein der chilenische Salpeter wurde geschickt und zielbewusst auch mit gutem Erfolg vertreten. Auf diesem Gebiet wäre durch Anlage von Knochenmühlen mit Seifen- und Lichtfabrikation Adel zu machen. Auch die Lebensmittelbranche, speziell Konservenherstellung hat Aussicht. Andere Industrien anzufangen, ist unrätlich, es sei denn, sie wüchsen aus dem Handwerk bzw. kleinen Anfängen heraus.
Allenfalls kann die Herstellung von Baumaterialien in der Nähe der Städte lohnend sein. Der Mangel an Rohmaterial und Brennstoffen, sowie an geschulten, zuverlässigen Arbeitern werden den Anfänger gegen die europäische Konkurrenz kaum aufkommen lassen, trotzdem die Regierung, wo immer möglich, Protektion gewährt.
Ein weites Gebiet öffnet jetzt die Ausnutzung der Wasserkräfte, die im Wesentlichen allerdings nur in den Bergprovinzen stattfinden würde. In Mendoza ist zurzeit eine Konzession von 7.000 PS. zu verwenden, welche die Stadt und die sie umgebenden 30.000 ha umfassenden Rebpflanzungen mit den größten Kellereien der Welt wohl konsumieren werden. Drei weitere große Flusssperren stehen in dieser Provinz, sowie eine Riesenstauanlage für die Zuckerfelder in Tucumau in Aussicht.
Viele von diesen Kräften könnten wohl im Bergbau verwendet werden. Außer Calciumcarbid, das eine große Zukunft in Argentinien hat, ist vorläufig nicht abzusehen, welchen industriellen Zwecken sie dienen könnten.
Ungeheure Wasserkräfte bietet der Osten in den den Niagara übertreffenden Fällen des Iguazú. Auch dort bleibt der Zukunft noch alles Vorbehalten, Spricht man in Südamerika von Industrie, so wird in erster Linie auch der Bergbau gemeint. Das Riesengebirge der Kordilleren ist so reich an Metallen wie nur irgend ein anderes, auch hat in Argentinien die kleine isolierte Sierra de Cordoba Mineralschätze. Die Hauptmetalle sind Kupfer, Silber, Gold, Eisen, Wolfram. In geringeren Mengen kommt vor: Zinn, Vanadium. Ferner gibt es große Lager von Borkalk, Gips, Marmor, Quarz, Glimmer, Schiefer, Ton, Kalk, Natron. Abbauwürdige Kohle ist neuerdings bei Mendoza erbohrt in einer großen Besitzung, welche vorzügliche Materialien für Herstellung von Zement enthält, dessen Fabrikation dort sehr lohnend wäre. Bei bedeutendem Konsum wird er durch die hohen Eisenbahnfrachten und durch Protektionszoll wahrscheinlich geschützt werden. Petroleum sucht man, indes bisher noch ohne großen Erfolg. Asphalt, Salze verschiedener Art kommen an mehreren Stellen vor.
Wir können vorläufig den Betrieb von Bergwerken in Argentinien im Allgemeinen nicht empfehlen. Ohne Zweifel wird in der Zukunft die argentinische Bergregion von großer Bedeutung werden, denn obgleich dieselbe noch lange nicht genügend erforscht ist, steht doch fest, dass sie große Metallreichtümer birgt. Aber ihre Zeit wird erst kommen, wenn die noch in Privatbesitz befindlichen Eisenbahnen mit ihren für lohnenden Bergbaubetrieb viel zu hohen Tarifen weit mehr ausgedehnt und verzweigt sind und die Interessen dieser Industrie mehr berücksichtigen, bzw. wenn mehr Verbindungen nach den näheren Häfen des Stillen Ozeans geschaffen sind. Beides liegt noch sehr in der Ferne. Eine einzige Transversalbahn führt von Buenos Aires nach Valparaiso, welches man in 40 Stunden erreicht. Weitere sind über die leichter zugänglichen Pässe des Südens geplant. Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen.
In Bezug auf Elektrizitätsanlagen entwickelt die Überseeische Elektrische Gesellschaft eine Aufsaugungskraft, die sie allmächtig erscheinen lässt. Die neue Anlage in Buenos Aires dürfte die größte der Welt sein.
Eisenbahnkonzessionen sind wohl noch zu erlangen, wie überhaupt für den, der gute Verbindungen hat, in diesen Ländern weit mehr zu erreichen ist, als in Deutschland zum Beispiel. — Sie bieten als lukratives Nebengeschäft die Möglichkeit der Landspekulation.
Die Überseeschifffahrt besorgen Linien aller Nationen, namentlich Deutsche, Engländer, Italiener, Franzosen, Holländer. Die Küstenschifffahrt nach Süden betreibt eine Hamburger Linie unter argentinischer Flagge. Die sehr bedeutende und riesig entwicklungsfähige Flussschiffahrt auf dem Paraná besorgen englisch-argentinische Gesellschaften. Der Pilcomayo, zum Teil auch der Bermejo sollen schiffbar gemacht werden, der Uruguay ist es in seinem unteren Ende, am Rio Negro und Santa Cruz wird experimentiert. Für fremdes Kapital ist auf diesem Gebiet kaum Platz.
Der Reisende, welcher gut und möglichst schnell hinüberkommen will ohne Ansehung der Kosten, wählt die Capdampfer der Hamburg-Südamerika-Linie oder die in diese Linie eingeschobenen Dampfer der Hapag. Wer ein paar Tage mehr Zeit gegen 300 bis 400 M Ersparnis eintauschen kann, ist auf dem Bremer und dem Holländischen Lloyd oder den Brasiliendampfern der Hamburg-Südamerika auch nicht schlecht aufgehoben. Wer englische Küche nicht scheut, kann die englischen Postdampfer nehmen, und wer an 600 bis 700 Auswanderern keinen Anstoß nimmt, kann über Genua mit den Italienern oder mit den Franzosen fahren. — Frachten, namentlich Rückfracht, sind der großen Konkurrenz wegen zurzeit billig. Die Reise ist eine der ruhigsten und angenehmsten.
Argentinien ist im Wesentlichen waldarm. Die lichten Buschhaine des Zentrums sind durch Heuschreckenfraß verkrüppelt, erst der Norden hat ansehnliche Wälder. Wo sie erreichbar sind, liefern sie Bauholz, Bahnschwellen (Quebracho), Holzpflaster und vor allem Gerbstoff, eine Industrie, die auch mit Millionen arbeitet, aber in letzter Zeit starken Schwankungen unterworfen war. — Argentinien kauft Kanthölzer und Bretter von Skandinavien. Bei der Holzarmut dieses Landes sowie auch der Republik Uruguay, namentlich an geeigneten Bauhölzern und Brettern, die bei der wachsenden Entwicklung in immer steigender Quantität gebraucht werden, wäre die Versorgung aus südchilenischen Wäldern hochlohnend. Sie ist noch nicht in die Hand genommen, weil dem werbenden Kapital dies wenig bekannt ist, auch wohl nicht immer geeignete Leute zur Ausführung zur Hand sind.
Die Banken verdienen im Allgemeinen gut, obgleich viele Gebiete des Geldgeschäftes noch stark vernachlässigt sind. In erster Linie gehört hierzu die hypothekarische Beleihung, namentlich ländlicher Grundstücke. Eingesessene klagten früher über große Willkür der einheimischen Hypothekenbanken. Dass sich bei einem ganz unverhältnismäßig hohen Zinsfuß in Argentinien (9 bis 13%) durch Verwendung billigen europäischen Geldes mit nur wenig Risiko enorm verdienen lässt, ist bereits erwähnt und neuerdings ist auch, irren wir nicht, in der Schweiz eine Gesellschaft für Ausnützung dieser Lage gegründet.
Große Firmen nützen in weitester Weise ihren Kredit aus, indem sie durch Diskontierung der Wechsel ihres argentinischen Klientels in Europa 9 % und mehr ohne besonderes Risiko verdienen, ein Nebenverdienst, der ihnen gewisse Spekulationen im Warenhandel möglich macht und ihnen die Überlegenheit über die weniger gut situierte Konkurrenz sichert.
Auch die Einführung neuer Industrieprodukte kann sehr lohnend sein. Im Allgemeinen wird man besser tun, sie dem eingesessenen Handel zu überlassen, denn die unvermeidliche Kreditgabe an wenig bekannte Kunden hat schon manchen schwer geschädigt und manchen Wehschrei über das schlechte Argentinien hervorgerufen. Dass es in Europa mit faulen Kunden genau ebenso geht, daran denken die Leute dann nicht, und Prozesse soll man in Europa schon vermeiden, in Übersee aber erst recht.
In Argentinien herrscht die Zentralisation. Wenn auch die Einzelteile dieses Bundesstaates in gewissem Grade selbständig sind, so konzentriert sich doch fast alles in Buenos Aires. Mehr noch als Paris für Frankreich bedeutet Buenos Aires für die Länder des La Plata — ausgenommen Uruguay! — Es ist nicht nur politischer und gesellschaftlicher Mittelpunkt, sondern auch die große Ein- und Ausgangspforte für den Welthandel, für alle kommerziellen und industriellen Interessen. Buenos Aires ist Argentinien, und hier allein pulsiert das Leben und Denken, Wirken und Wollen von intensiv kultivierbaren Ländern, die durch Zusammenschluss die Größe Europas erreichen werden.
Was bedeuten das Weinbauzentrum Mendoza, das Zuckerzentrum Tucuman, die alte Universitätsstadt Cordoba, auch selbst das volkreiche Rosario neben Buenos Aires. Es sind Zwergmonde. Buenos Aires ist eine junge Stadt, der europäische Großstädter wird sich, trotz riesiger Entwicklung in den letzten zehn Jahren, noch immer nicht voll befriedigt fühlen, aber für Südamerika ist Buenos Aires das Paris der neuen Welt, der Porteñö (der Hafenbewohner, der Bonaerenser) ist allein der hochkultivierte Mensch. Der Fremde wird daran manches auszusetzen haben. Die Preise wird er auf der Höhe stehend finden. Buenos Aires bleibt in letzterem Punkt hinter keiner Großstadt zurück.
Argentinien kommt für deutsche Kolonisation, weil es von diesen südamerikanischen Ländern am nächsten liegt, in erster Reihe in Frage, und es wäre durchaus im deutschen Interesse, wenn große Gesellschaften große Ländereien in erreichbarer Lage sich sichern würden, um sie später an Kolonisten aufzuteilen. Sie werden dabei ein gutes Geschäft machen und den nationalen Interessen wichtige Dienste leisten. Dringend notwendig aber ist eine gute sachverständige Vorbereitung solcher Kolonisation. Auch Landwirte mit Kapital können Geschäfte machen, wenn sie sich vorher die notwendigen Kenntnisse verschaffen und den Verhältnissen Rechnung tragen. Ebenso kann Großkapital vorteilhaft angelegt werden.
Der deutsche Landwirt, namentlich der kleine, bleibt stets an der Scholle kleben. Er wird vielleicht Argentiner werden, aber seine Sympathien bleiben der alten Heimat. Er selbst wird von Zeit zu Zeit Deutschland besuchen, es seinen Kindern und Enkeln zeigen, die deutsche Sprache und Sitten behalten und deutsche Waren kaufen. Dem Romanen ist der Grundbesitz, wenigstens in Südamerika, wesentlich nur Ausbeutungsobjekt, nur Ware — Ausnahmen sind selten. Dem Deutschen ist es die Heimat. Der Deutsche im Auslande geht uns ohne Zweifel politisch verloren, aber das Gefühl der Zugehörigkeit bleibt. Für Deutschland dürfte es von großem Nutzen sein, die Sympathien einer rasch wachsenden, wirtschaftlich hoch bedeutenden, im ganzen deutsch bleibenden Bevölkerung sich zu erhalten. Das kann auf die Dauer nur in Südamerika der Fall sein, niemals aber in den Nordstaaten, Kanada oder an anderen Punkten. Und deshalb sollten diese südamerikanischen Länder berücksichtigt werden vor allen, denn es sind die einzigen, die außer reichen Gewinnchancen diese Möglichkeit bieten.
als subtropisches Innenland — Zuckerrohr verlangt Seeklima —, hat mit 1.500 kg Zucker per Hektar den zweitniedrigsten Ertrag aller Zuckerländer. Brasilien kann weit billiger nach Buenos Aires exportieren, auch Kuba.
Rübenzucker würde sich in Argentinien auf 0,50 $ stellen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass eine Rübenzuckerindustrie den ganzen Rohrzucker binnen kurzer Zeit beseitigen würde. Die praktischen Schwierigkeiten würden sich bewältigen lassen, indes ist vorläufig nicht abzusehen, welche politischen Schwierigkeiten der Einfluss der Zuckerbarone schaffen würde. — Es wurde jetzt beabsichtigt, argentinische Rohrzuckerfabriken hier zu finanzieren. Es erscheint nicht rätlich, sich daran zu beteiligen.
Wer auf diesen Gebieten in Argentinien arbeiten will, wird guttun, sich persönlich in Buenos Aires an die Inhaber der deutschen Zeitungen zu wenden, von welchen namentlich der Schweizer Herr Aleman sich große Mühe gegeben hat, durch Reisen und Studien aller Art die Verhältnisse auf das genaueste kennen zu lernen. Diese Herren können auch Interessenten stets an gut orientierte, ehrlich denkende Personen verweisen, die zuverlässige Auskunft geben. — Das Selbstprüfen ist damit aber niemandem erspart und die Hauptsache.
Die Industrie bietet dem einwandernden Kapital noch wenig Chancen. Soweit solche sich mit Verwertung der Produkte der Landwirtschaft beschäftigt, die oben angeführten Zweige, zu denen noch Müllerei tritt, wird sie in großem Umfange und in riesenhaften, gut geleiteten, viele Millionen werten Etablissements betrieben. — Ein Zweig, die Produktion von Handelsdüngern, welche gewisse Kulturen, wie der Weinbau, der Zuckerbau, sowie die Gemüsekulturen, nicht länger entbehren können, ist noch völlig unbekannt.
Man muss in Argentinien das Kilogramm importierter Phosphorsäure mit 0,80 $ bezahlen, während man sie aus inländischen Knochen für 0,20 $ herstellen könnte. Ebenso gehen Stickstoffträger, wie Schlachtungsabfälle und Wolle, außer Landes, die Verwendung von Kalk ist unbekannt, die Vertretung von Kali war 1909 noch denkbar unzweckmäßig organisiert. Allein der chilenische Salpeter wurde geschickt und zielbewusst auch mit gutem Erfolg vertreten. Auf diesem Gebiet wäre durch Anlage von Knochenmühlen mit Seifen- und Lichtfabrikation Adel zu machen. Auch die Lebensmittelbranche, speziell Konservenherstellung hat Aussicht. Andere Industrien anzufangen, ist unrätlich, es sei denn, sie wüchsen aus dem Handwerk bzw. kleinen Anfängen heraus.
Allenfalls kann die Herstellung von Baumaterialien in der Nähe der Städte lohnend sein. Der Mangel an Rohmaterial und Brennstoffen, sowie an geschulten, zuverlässigen Arbeitern werden den Anfänger gegen die europäische Konkurrenz kaum aufkommen lassen, trotzdem die Regierung, wo immer möglich, Protektion gewährt.
Ein weites Gebiet öffnet jetzt die Ausnutzung der Wasserkräfte, die im Wesentlichen allerdings nur in den Bergprovinzen stattfinden würde. In Mendoza ist zurzeit eine Konzession von 7.000 PS. zu verwenden, welche die Stadt und die sie umgebenden 30.000 ha umfassenden Rebpflanzungen mit den größten Kellereien der Welt wohl konsumieren werden. Drei weitere große Flusssperren stehen in dieser Provinz, sowie eine Riesenstauanlage für die Zuckerfelder in Tucumau in Aussicht.
Viele von diesen Kräften könnten wohl im Bergbau verwendet werden. Außer Calciumcarbid, das eine große Zukunft in Argentinien hat, ist vorläufig nicht abzusehen, welchen industriellen Zwecken sie dienen könnten.
Ungeheure Wasserkräfte bietet der Osten in den den Niagara übertreffenden Fällen des Iguazú. Auch dort bleibt der Zukunft noch alles Vorbehalten, Spricht man in Südamerika von Industrie, so wird in erster Linie auch der Bergbau gemeint. Das Riesengebirge der Kordilleren ist so reich an Metallen wie nur irgend ein anderes, auch hat in Argentinien die kleine isolierte Sierra de Cordoba Mineralschätze. Die Hauptmetalle sind Kupfer, Silber, Gold, Eisen, Wolfram. In geringeren Mengen kommt vor: Zinn, Vanadium. Ferner gibt es große Lager von Borkalk, Gips, Marmor, Quarz, Glimmer, Schiefer, Ton, Kalk, Natron. Abbauwürdige Kohle ist neuerdings bei Mendoza erbohrt in einer großen Besitzung, welche vorzügliche Materialien für Herstellung von Zement enthält, dessen Fabrikation dort sehr lohnend wäre. Bei bedeutendem Konsum wird er durch die hohen Eisenbahnfrachten und durch Protektionszoll wahrscheinlich geschützt werden. Petroleum sucht man, indes bisher noch ohne großen Erfolg. Asphalt, Salze verschiedener Art kommen an mehreren Stellen vor.
Wir können vorläufig den Betrieb von Bergwerken in Argentinien im Allgemeinen nicht empfehlen. Ohne Zweifel wird in der Zukunft die argentinische Bergregion von großer Bedeutung werden, denn obgleich dieselbe noch lange nicht genügend erforscht ist, steht doch fest, dass sie große Metallreichtümer birgt. Aber ihre Zeit wird erst kommen, wenn die noch in Privatbesitz befindlichen Eisenbahnen mit ihren für lohnenden Bergbaubetrieb viel zu hohen Tarifen weit mehr ausgedehnt und verzweigt sind und die Interessen dieser Industrie mehr berücksichtigen, bzw. wenn mehr Verbindungen nach den näheren Häfen des Stillen Ozeans geschaffen sind. Beides liegt noch sehr in der Ferne. Eine einzige Transversalbahn führt von Buenos Aires nach Valparaiso, welches man in 40 Stunden erreicht. Weitere sind über die leichter zugänglichen Pässe des Südens geplant. Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen.
In Bezug auf Elektrizitätsanlagen entwickelt die Überseeische Elektrische Gesellschaft eine Aufsaugungskraft, die sie allmächtig erscheinen lässt. Die neue Anlage in Buenos Aires dürfte die größte der Welt sein.
Eisenbahnkonzessionen sind wohl noch zu erlangen, wie überhaupt für den, der gute Verbindungen hat, in diesen Ländern weit mehr zu erreichen ist, als in Deutschland zum Beispiel. — Sie bieten als lukratives Nebengeschäft die Möglichkeit der Landspekulation.
Die Überseeschifffahrt besorgen Linien aller Nationen, namentlich Deutsche, Engländer, Italiener, Franzosen, Holländer. Die Küstenschifffahrt nach Süden betreibt eine Hamburger Linie unter argentinischer Flagge. Die sehr bedeutende und riesig entwicklungsfähige Flussschiffahrt auf dem Paraná besorgen englisch-argentinische Gesellschaften. Der Pilcomayo, zum Teil auch der Bermejo sollen schiffbar gemacht werden, der Uruguay ist es in seinem unteren Ende, am Rio Negro und Santa Cruz wird experimentiert. Für fremdes Kapital ist auf diesem Gebiet kaum Platz.
Der Reisende, welcher gut und möglichst schnell hinüberkommen will ohne Ansehung der Kosten, wählt die Capdampfer der Hamburg-Südamerika-Linie oder die in diese Linie eingeschobenen Dampfer der Hapag. Wer ein paar Tage mehr Zeit gegen 300 bis 400 M Ersparnis eintauschen kann, ist auf dem Bremer und dem Holländischen Lloyd oder den Brasiliendampfern der Hamburg-Südamerika auch nicht schlecht aufgehoben. Wer englische Küche nicht scheut, kann die englischen Postdampfer nehmen, und wer an 600 bis 700 Auswanderern keinen Anstoß nimmt, kann über Genua mit den Italienern oder mit den Franzosen fahren. — Frachten, namentlich Rückfracht, sind der großen Konkurrenz wegen zurzeit billig. Die Reise ist eine der ruhigsten und angenehmsten.
Argentinien ist im Wesentlichen waldarm. Die lichten Buschhaine des Zentrums sind durch Heuschreckenfraß verkrüppelt, erst der Norden hat ansehnliche Wälder. Wo sie erreichbar sind, liefern sie Bauholz, Bahnschwellen (Quebracho), Holzpflaster und vor allem Gerbstoff, eine Industrie, die auch mit Millionen arbeitet, aber in letzter Zeit starken Schwankungen unterworfen war. — Argentinien kauft Kanthölzer und Bretter von Skandinavien. Bei der Holzarmut dieses Landes sowie auch der Republik Uruguay, namentlich an geeigneten Bauhölzern und Brettern, die bei der wachsenden Entwicklung in immer steigender Quantität gebraucht werden, wäre die Versorgung aus südchilenischen Wäldern hochlohnend. Sie ist noch nicht in die Hand genommen, weil dem werbenden Kapital dies wenig bekannt ist, auch wohl nicht immer geeignete Leute zur Ausführung zur Hand sind.
Die Banken verdienen im Allgemeinen gut, obgleich viele Gebiete des Geldgeschäftes noch stark vernachlässigt sind. In erster Linie gehört hierzu die hypothekarische Beleihung, namentlich ländlicher Grundstücke. Eingesessene klagten früher über große Willkür der einheimischen Hypothekenbanken. Dass sich bei einem ganz unverhältnismäßig hohen Zinsfuß in Argentinien (9 bis 13%) durch Verwendung billigen europäischen Geldes mit nur wenig Risiko enorm verdienen lässt, ist bereits erwähnt und neuerdings ist auch, irren wir nicht, in der Schweiz eine Gesellschaft für Ausnützung dieser Lage gegründet.
Große Firmen nützen in weitester Weise ihren Kredit aus, indem sie durch Diskontierung der Wechsel ihres argentinischen Klientels in Europa 9 % und mehr ohne besonderes Risiko verdienen, ein Nebenverdienst, der ihnen gewisse Spekulationen im Warenhandel möglich macht und ihnen die Überlegenheit über die weniger gut situierte Konkurrenz sichert.
Auch die Einführung neuer Industrieprodukte kann sehr lohnend sein. Im Allgemeinen wird man besser tun, sie dem eingesessenen Handel zu überlassen, denn die unvermeidliche Kreditgabe an wenig bekannte Kunden hat schon manchen schwer geschädigt und manchen Wehschrei über das schlechte Argentinien hervorgerufen. Dass es in Europa mit faulen Kunden genau ebenso geht, daran denken die Leute dann nicht, und Prozesse soll man in Europa schon vermeiden, in Übersee aber erst recht.
In Argentinien herrscht die Zentralisation. Wenn auch die Einzelteile dieses Bundesstaates in gewissem Grade selbständig sind, so konzentriert sich doch fast alles in Buenos Aires. Mehr noch als Paris für Frankreich bedeutet Buenos Aires für die Länder des La Plata — ausgenommen Uruguay! — Es ist nicht nur politischer und gesellschaftlicher Mittelpunkt, sondern auch die große Ein- und Ausgangspforte für den Welthandel, für alle kommerziellen und industriellen Interessen. Buenos Aires ist Argentinien, und hier allein pulsiert das Leben und Denken, Wirken und Wollen von intensiv kultivierbaren Ländern, die durch Zusammenschluss die Größe Europas erreichen werden.
Was bedeuten das Weinbauzentrum Mendoza, das Zuckerzentrum Tucuman, die alte Universitätsstadt Cordoba, auch selbst das volkreiche Rosario neben Buenos Aires. Es sind Zwergmonde. Buenos Aires ist eine junge Stadt, der europäische Großstädter wird sich, trotz riesiger Entwicklung in den letzten zehn Jahren, noch immer nicht voll befriedigt fühlen, aber für Südamerika ist Buenos Aires das Paris der neuen Welt, der Porteñö (der Hafenbewohner, der Bonaerenser) ist allein der hochkultivierte Mensch. Der Fremde wird daran manches auszusetzen haben. Die Preise wird er auf der Höhe stehend finden. Buenos Aires bleibt in letzterem Punkt hinter keiner Großstadt zurück.
Argentinien kommt für deutsche Kolonisation, weil es von diesen südamerikanischen Ländern am nächsten liegt, in erster Reihe in Frage, und es wäre durchaus im deutschen Interesse, wenn große Gesellschaften große Ländereien in erreichbarer Lage sich sichern würden, um sie später an Kolonisten aufzuteilen. Sie werden dabei ein gutes Geschäft machen und den nationalen Interessen wichtige Dienste leisten. Dringend notwendig aber ist eine gute sachverständige Vorbereitung solcher Kolonisation. Auch Landwirte mit Kapital können Geschäfte machen, wenn sie sich vorher die notwendigen Kenntnisse verschaffen und den Verhältnissen Rechnung tragen. Ebenso kann Großkapital vorteilhaft angelegt werden.
Der deutsche Landwirt, namentlich der kleine, bleibt stets an der Scholle kleben. Er wird vielleicht Argentiner werden, aber seine Sympathien bleiben der alten Heimat. Er selbst wird von Zeit zu Zeit Deutschland besuchen, es seinen Kindern und Enkeln zeigen, die deutsche Sprache und Sitten behalten und deutsche Waren kaufen. Dem Romanen ist der Grundbesitz, wenigstens in Südamerika, wesentlich nur Ausbeutungsobjekt, nur Ware — Ausnahmen sind selten. Dem Deutschen ist es die Heimat. Der Deutsche im Auslande geht uns ohne Zweifel politisch verloren, aber das Gefühl der Zugehörigkeit bleibt. Für Deutschland dürfte es von großem Nutzen sein, die Sympathien einer rasch wachsenden, wirtschaftlich hoch bedeutenden, im ganzen deutsch bleibenden Bevölkerung sich zu erhalten. Das kann auf die Dauer nur in Südamerika der Fall sein, niemals aber in den Nordstaaten, Kanada oder an anderen Punkten. Und deshalb sollten diese südamerikanischen Länder berücksichtigt werden vor allen, denn es sind die einzigen, die außer reichen Gewinnchancen diese Möglichkeit bieten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutschen Interessen in Argentinien, Chile, Bolivien und Peru.