Erster Abschnitt
Argentinien ist das größte, Europa nächstgelegene, der zu besprechenden Länder. Es reicht von den Grenzen der antarktischen bis in die heiße Zone und von der großen Fahrstraße des atlantischen Ozeans bis fast zum Stillen. Nur die hohe Cordillere und der schmale Küstenstreif, welcher sich Chile nennt, trennen das Land und allerdings vollständig vom „Pacifico“. Argentinien ist das Land der Ebene, denn diese nimmt den bei weitem größten Teil des Landes ein, welches fünfmal so groß wie Deutschland ist und noch nicht den zehnten Teil von dessen Bevölkerung hat. 20 % derselben wohnt in der Hauptstadt Buenos Aires (gute Lüfte), eine Stadt, die unfraglich einst eine der größten der Welt werden wird, keine zweite hat ein so großes und entwicklungsfähiges Hinterland.
Den Kern des Landes bilden die Provinzen oder Bundestaaten Buenos Aires, Entre Bios — zwischen den Flüssen Parana und Uruguay, Santa Fe, Cordoba, San Luis und Gobernacion de la Pampa. Es sind wesentlich Ackerbauländer mit gemäßigtem Klima, gutem Boden, meistens tiefgründiger roter Lehm, vielfach mit starken Humusschichten. Der Boden ist fast ausnahmslos weizen- und luzernefähig. Die Besiedlung Argentiniens ist von Buenos Aires ausgegangen; so sind auch die nächst gelegenen Provinzen am meisten bevölkert und kultiviert, haben die meisten Eisenbahnen und größeren Städte. Sie durchschneidet die große Wasserader des Paranáflusses. Die Gobernacion de la Pampa ist neu, dürfte sich aber bald würdig den anderen Provinzen anschließen, da überall, wo die Eisenbahnen sie durchschneiden und das Land in Kultur genommen ist, reiche Ernten erzielt werden. Um diesen wertvollsten Kern gruppiert sich im Westen und Nordwesten eine Reihe von Bergprovinzen, das neue Land: Gobernacion von Neuquen, dann Mendoza, San Juan, La Rioja, Catamarca, Tucuman, Salta, Jujuy, denen sich im äußersten Nordwesten noch die Gobernacion de los Andes, d. h. das Stück wüster Hochcordillere anschließt, welches bei der letzten Grenzregulierung Chile an Argentinien abtreten musste. Diese Provinzen schließen die Vorberge der Cordillere und deren östlichen Abhang bis zum Kamme des Hochgebirges, der Grenze, ein. Der gebirgige Charakter verringert die landwirtschaftlichen Nutzungsflächen, das trockene Klima verlangt Bewässerung. Der Schnee der Hochcordillere sendet viele Flüsse zum Atlantischen Ozean, deren Wasser noch wenig oder gar nicht benutzt ist. In einigen Gegenden, in Mendoza, San Rafael, San Juan, Rioja, wo überall Weinbau betrieben wird, in Tucuman, Salta, Jujuy, wo Zuckerrohr gedeiht, wird mit Bewässerung gearbeitet, die den Spaniern aus maurischer Zeit her bekannt war. Der Boden, die Gesteinszersetzung der Cordillere, ist dankbar und lohnt die Arbeit auf das reichste.
Die Täler der letztgenannten Provinzen tragen bereits subtropischen Charakter, wie auch die nachfolgend angeführten weniger kultivierten Provinzen Santiago del Estero, die Neuländereien der Gobernacion des Chaco und von Formosa, sowie die Missiones, eine Gruppe, in die eigentlich auch noch Corrientes gehört. Chaco und Formosa sind Grassteppen und Waldländereien, in Europa bekannt durch ihren Reichtum an dem gerbstoffhaltigen Quebrachoholz. Die Besiedelung und Aufteilung dieser Gobernacionen wird, jetzt mit besonderem Eifer betrieben, namentlich dringt die Viehzucht von Süden her ein. Alle diese Provinzen sind kulturfähig und können dicht bevölkert werden.
Den Süden Argentiniens bildet Patagonien, d. h. die Gobernacionen des Rio Negro, Chubut, Santa Cruz und Tierra de Fuego (Feuerland). Das Klima Patagoniens ist wesentlich rauer, ziemlich trocken, aber gesund. Vielfach trockene Steppe mit Basaltuntergrund, eignet es sich nur stellenweise zum Ackerbau, fast überall zur Schafzucht.
Argentinien kennt keine alte Kultur. Die Spanier fanden indianische Jägervölker, welche allmählich bis auf geringe Reste in Patagonien und im Chaco aufgerieben sind. Die erste Kolonie war Buenos Aires, und diese Niederlassung ist später der Sitz des spanischen Vizekönigs geworden und seitdem die Hauptstadt des Landes geblieben, in günstiger Lage am La Plata-Strome, dessen Zuflüsse, Parana und Paraguay, alles Land bis zur Wasserscheide mit dem Amazonasgebiet, also Nordargentinien, Paraguay, Ost-Bolivien, und ein großes Stück Zentralbrasiliens von dem großen La Plata-Hafen abhängig machen. — Der Vorort Südamerikas war in der ersten spanischen Zeit Lima in Peru, und Buenos Aires unterstand dem dortigen Vizekönige. So musste eine alte Etappen-Straße angelegt werden, welche über Cordoba, Tucuman Salta, Jujuy nach Norden führte. Diese Städte sind noch heut die blühendsten und entwickeltsten. An Bevölkerung überlegen ist ihnen nur der große Flusshafen Rosario. Große Aussichten für die Zukunft hat der im Süden von Buenos Aires gelegene Seehafen Bahia Bianca, der rasch sich entwickelnde Aus- und Eingangspunkt für den Süden der Provinz, sowie die Gobernacion de la Pampa.
Der Charakter des ganzen Landes drängte zunächst zur Viehzucht. Großvieh und Pferde hatten keinen ernsten Feind, höchstens den Jaguar im Norden. Der in Patagonien häufig vorkommende Puma wird nur den Schafen gefährlich, die in größerer Zahl erst seit etwa 40 Jahren gezüchtet werden. Die Vermehrung der Tiere war eine außerordentlich rasche. 100 Jahre genügten, um die indianischen Fußjägervölker durch die Nachkommen weniger, den ersten spanischen Kolonisten entlaufener Hengste und Stuten beritten zu machen und sie in Reitervölker zu verwandeln. Allein die Trockenperioden wurden den verwilderten Herden gefährlich, und zu Tausenden ertranken die sich drängenden Tiere, wenn sie endlich einen der seltenen großen Wasserläufe erreichten.
In einem Lande von so riesenhaften Dimensionen waren die Ausmessungen der Landbesitze auch riesige. Das Maß war die Quadratlegua = 2.500 ha oder 10.000 Morgen. Besitzungen von 40 bis 70 Leguas in besserem Lande waren keine Seltenheit, in den Bergprovinzen kommen noch heut Güter von 200 bis 300 Leguas Größe vor. In spanischer Zeit wurden die Güter (Estancias) meist als Belohnung für geleistete Dienste an Offiziere und Beamte gegeben, ein System der Dotierung, welches auch bis vor etwa einem Jahrzehnt noch für irgendwelche Kriegsdienste üblich war. Die Indianer sind unschädlich gemacht, andere Kriege gab es nicht, die Regierung braucht Geld und verkauft jetzt das Land in Auktionen.
Die ursprünglich ungeregelte Viehzucht gab wenig Ertrag. Der sich stetig steigernde Konsum der alten Welt, das Nachlassen der nordamerikanischen Ausfuhr und die Verbesserung der Dampfschifffahrt gewährte die Möglichkeit, nicht nur die Felle der Tiere, sondern auch lebendes Vieh, Fleisch und andere Fleischprodukte zu exportieren. Schon vor Jahrzehnten entstanden Saladeros, d. h. große Schlächtereien, in denen hauptsächlich Dörrfleisch (Tasajo) durch Sonnentrocknung hergestellt wurde.
Am bekanntesten ist die von Fray Bentos in Uruguay, in welchem zuerst Fleischextrakt nach dem von Justus von Liebig erfundenen Verfahren gemacht wurde. Fray Bentos schlachtete jährlich 400.000 Ochsen, das Filialunternehmen Santa Elena am Parana in Entre Rios über 200.000, welche auf dem 300 Leguas umfassenden Besitz der Gesellschaft fett gemacht wurden. Die Tiere lieferten etwa ein Dutzend verschiedener Produkte, Extrakt, Pepton, verdickte Bouillon, Salzfleisch, Trockenfleisch, Zungen, Blutmehl, Fleischmehl, Talg, Hörner, Klauen, Felle, Schwanzhaare, Ziemer, Knochenasche, Schulterknochen für die Knopffabrikation usw. Diese Industrie, welche mit Millionen arbeitet, hat sich weit ausgedehnt, und eine neue, auch Millionen erfordernde kam hinzu: die Gefrieranstalten (Frigorificos), in denen Fleisch jeder Tiergattung eingefroren wird, um so versandt zu werden. — Diese Entwicklung hat den Preis der Tiere von weniger als 1 Peso vor 50 Jahren auf über 100 Peso hinaufgetrieben, und diese Steigerung allein erklärt schon in etwas das 30 enorme Steigen der Bodenwerte. Ganz ohne alles Zutun ist diese Entwicklung natürlich nicht gekommen. — Zunächst hat die wilde Tierzucht aufgehört. Jeder Grundbesitz muss heut laut Gesetz vollständig mit genügend starken Drahtzäunen eingezäunt sein. Zur besseren Ausnutzung wird der ganze Kamp (das Feld) einer Estancia, durch andere Drahtzäune in verschiedene Abschnitte (Potreros) geteilt. Die Einsperrung des Viehes erfordert fast stets die Anlage künstlicher Tränken, die am Zusammenstoß der Potreros eingerichtet werden, und die Wasserbeschaffung bei dem oft tiefem Grundwasserstande recht kostspielige Brunnen. Allein in diesen Anlagen stecken bedeutende Kapitalien auf jeder Besitzung. Bald erkannten die Viehzüchter auch, dass bessere Kassen höhere Erträge brachten, und man scheute keine Kosten, sie zu beschaffen.
Preise von 100.000 $ für Hengste, 50.000 — 60.000 für Stiere, 5.000—8.000 für Böcke sind keine Seltenheit. (1 Peso $ = 1,80 M.) Die feineren Tiere verlangten besseres Futter.
Das Pflügen des Kamp zerstörte das wilde, harte Gras (pasto duro), feinere Gräser und Kleearten kamen mehr zur Geltung. Ein weiterer großer Fortschritt aber war die Einführung des Luzernebaues, welcher das ganze Jahr hindurch und auch zur Winter weide (invernada) erstklassiges Futter gibt und in den Zentralprovinzen einen außerordentlichen Umfang angenommen hat. Gemäß den Anforderungen des Marktes züchtet man in Argentinien in der Hauptsache nur zwei englische Fettviehrassen: Durham und Hereford und zwar in außerordentlicher Vollkommenheit. Milch- und Arbeitsrassen zu züchten, betrachtet man im Allgemeinen als überflüssig. Ist doch auch der Genuss von Milch, und namentlich von Butter, auch heut noch auf die Städte beschränkt. Der berittene Viehhirt lebte nur von Fleisch und trank Yerbatee. Das meiste Vieh in Argentinien ist heut schon reinblütig oder doch gekreuzt (mestizos); die eingeborene Rasse (criollos) dürfte auf die Bergprovinzen und Nordprovinzen beschränkt sein.
Die Schafzucht steht fast gleich hoch wie die Rindviehzucht. Englische Fleischschafe, Rambouillets und deutsche Kammwollschafe sind die bevorzugten Rassen, je nach Klima und Bodenart.
Für Pferdezucht erscheint Argentinien ebenso prädestiniert wie für die Zucht von Rindvieh. Englisches Vollblut wird in großer Vollkommenheit gezogen. Jeden Sonntag sind große Rennen bei Buenos Aires. Es gibt bereits sehr gute Halbblutzuchten, auch solche von kalten Schlägen für die Lastwagen in den Städten. Der Criollo, das eingeborene unveredelte Tier, ist das denkbar beste Gebrauchspferd für die Viehwirtschaft im Kamp und in den lichten Dornenwäldern Zentralargentiniens unersetzlich.
Maultiere werden in bester Qualität in den Nordwestprovinzen gezogen und als Zugtiere nach den Minen und Salpeter distrikten Nordchiles sowie nach Bolivien verkauft.
Den Kern des Landes bilden die Provinzen oder Bundestaaten Buenos Aires, Entre Bios — zwischen den Flüssen Parana und Uruguay, Santa Fe, Cordoba, San Luis und Gobernacion de la Pampa. Es sind wesentlich Ackerbauländer mit gemäßigtem Klima, gutem Boden, meistens tiefgründiger roter Lehm, vielfach mit starken Humusschichten. Der Boden ist fast ausnahmslos weizen- und luzernefähig. Die Besiedlung Argentiniens ist von Buenos Aires ausgegangen; so sind auch die nächst gelegenen Provinzen am meisten bevölkert und kultiviert, haben die meisten Eisenbahnen und größeren Städte. Sie durchschneidet die große Wasserader des Paranáflusses. Die Gobernacion de la Pampa ist neu, dürfte sich aber bald würdig den anderen Provinzen anschließen, da überall, wo die Eisenbahnen sie durchschneiden und das Land in Kultur genommen ist, reiche Ernten erzielt werden. Um diesen wertvollsten Kern gruppiert sich im Westen und Nordwesten eine Reihe von Bergprovinzen, das neue Land: Gobernacion von Neuquen, dann Mendoza, San Juan, La Rioja, Catamarca, Tucuman, Salta, Jujuy, denen sich im äußersten Nordwesten noch die Gobernacion de los Andes, d. h. das Stück wüster Hochcordillere anschließt, welches bei der letzten Grenzregulierung Chile an Argentinien abtreten musste. Diese Provinzen schließen die Vorberge der Cordillere und deren östlichen Abhang bis zum Kamme des Hochgebirges, der Grenze, ein. Der gebirgige Charakter verringert die landwirtschaftlichen Nutzungsflächen, das trockene Klima verlangt Bewässerung. Der Schnee der Hochcordillere sendet viele Flüsse zum Atlantischen Ozean, deren Wasser noch wenig oder gar nicht benutzt ist. In einigen Gegenden, in Mendoza, San Rafael, San Juan, Rioja, wo überall Weinbau betrieben wird, in Tucuman, Salta, Jujuy, wo Zuckerrohr gedeiht, wird mit Bewässerung gearbeitet, die den Spaniern aus maurischer Zeit her bekannt war. Der Boden, die Gesteinszersetzung der Cordillere, ist dankbar und lohnt die Arbeit auf das reichste.
Die Täler der letztgenannten Provinzen tragen bereits subtropischen Charakter, wie auch die nachfolgend angeführten weniger kultivierten Provinzen Santiago del Estero, die Neuländereien der Gobernacion des Chaco und von Formosa, sowie die Missiones, eine Gruppe, in die eigentlich auch noch Corrientes gehört. Chaco und Formosa sind Grassteppen und Waldländereien, in Europa bekannt durch ihren Reichtum an dem gerbstoffhaltigen Quebrachoholz. Die Besiedelung und Aufteilung dieser Gobernacionen wird, jetzt mit besonderem Eifer betrieben, namentlich dringt die Viehzucht von Süden her ein. Alle diese Provinzen sind kulturfähig und können dicht bevölkert werden.
Den Süden Argentiniens bildet Patagonien, d. h. die Gobernacionen des Rio Negro, Chubut, Santa Cruz und Tierra de Fuego (Feuerland). Das Klima Patagoniens ist wesentlich rauer, ziemlich trocken, aber gesund. Vielfach trockene Steppe mit Basaltuntergrund, eignet es sich nur stellenweise zum Ackerbau, fast überall zur Schafzucht.
Argentinien kennt keine alte Kultur. Die Spanier fanden indianische Jägervölker, welche allmählich bis auf geringe Reste in Patagonien und im Chaco aufgerieben sind. Die erste Kolonie war Buenos Aires, und diese Niederlassung ist später der Sitz des spanischen Vizekönigs geworden und seitdem die Hauptstadt des Landes geblieben, in günstiger Lage am La Plata-Strome, dessen Zuflüsse, Parana und Paraguay, alles Land bis zur Wasserscheide mit dem Amazonasgebiet, also Nordargentinien, Paraguay, Ost-Bolivien, und ein großes Stück Zentralbrasiliens von dem großen La Plata-Hafen abhängig machen. — Der Vorort Südamerikas war in der ersten spanischen Zeit Lima in Peru, und Buenos Aires unterstand dem dortigen Vizekönige. So musste eine alte Etappen-Straße angelegt werden, welche über Cordoba, Tucuman Salta, Jujuy nach Norden führte. Diese Städte sind noch heut die blühendsten und entwickeltsten. An Bevölkerung überlegen ist ihnen nur der große Flusshafen Rosario. Große Aussichten für die Zukunft hat der im Süden von Buenos Aires gelegene Seehafen Bahia Bianca, der rasch sich entwickelnde Aus- und Eingangspunkt für den Süden der Provinz, sowie die Gobernacion de la Pampa.
Der Charakter des ganzen Landes drängte zunächst zur Viehzucht. Großvieh und Pferde hatten keinen ernsten Feind, höchstens den Jaguar im Norden. Der in Patagonien häufig vorkommende Puma wird nur den Schafen gefährlich, die in größerer Zahl erst seit etwa 40 Jahren gezüchtet werden. Die Vermehrung der Tiere war eine außerordentlich rasche. 100 Jahre genügten, um die indianischen Fußjägervölker durch die Nachkommen weniger, den ersten spanischen Kolonisten entlaufener Hengste und Stuten beritten zu machen und sie in Reitervölker zu verwandeln. Allein die Trockenperioden wurden den verwilderten Herden gefährlich, und zu Tausenden ertranken die sich drängenden Tiere, wenn sie endlich einen der seltenen großen Wasserläufe erreichten.
In einem Lande von so riesenhaften Dimensionen waren die Ausmessungen der Landbesitze auch riesige. Das Maß war die Quadratlegua = 2.500 ha oder 10.000 Morgen. Besitzungen von 40 bis 70 Leguas in besserem Lande waren keine Seltenheit, in den Bergprovinzen kommen noch heut Güter von 200 bis 300 Leguas Größe vor. In spanischer Zeit wurden die Güter (Estancias) meist als Belohnung für geleistete Dienste an Offiziere und Beamte gegeben, ein System der Dotierung, welches auch bis vor etwa einem Jahrzehnt noch für irgendwelche Kriegsdienste üblich war. Die Indianer sind unschädlich gemacht, andere Kriege gab es nicht, die Regierung braucht Geld und verkauft jetzt das Land in Auktionen.
Die ursprünglich ungeregelte Viehzucht gab wenig Ertrag. Der sich stetig steigernde Konsum der alten Welt, das Nachlassen der nordamerikanischen Ausfuhr und die Verbesserung der Dampfschifffahrt gewährte die Möglichkeit, nicht nur die Felle der Tiere, sondern auch lebendes Vieh, Fleisch und andere Fleischprodukte zu exportieren. Schon vor Jahrzehnten entstanden Saladeros, d. h. große Schlächtereien, in denen hauptsächlich Dörrfleisch (Tasajo) durch Sonnentrocknung hergestellt wurde.
Am bekanntesten ist die von Fray Bentos in Uruguay, in welchem zuerst Fleischextrakt nach dem von Justus von Liebig erfundenen Verfahren gemacht wurde. Fray Bentos schlachtete jährlich 400.000 Ochsen, das Filialunternehmen Santa Elena am Parana in Entre Rios über 200.000, welche auf dem 300 Leguas umfassenden Besitz der Gesellschaft fett gemacht wurden. Die Tiere lieferten etwa ein Dutzend verschiedener Produkte, Extrakt, Pepton, verdickte Bouillon, Salzfleisch, Trockenfleisch, Zungen, Blutmehl, Fleischmehl, Talg, Hörner, Klauen, Felle, Schwanzhaare, Ziemer, Knochenasche, Schulterknochen für die Knopffabrikation usw. Diese Industrie, welche mit Millionen arbeitet, hat sich weit ausgedehnt, und eine neue, auch Millionen erfordernde kam hinzu: die Gefrieranstalten (Frigorificos), in denen Fleisch jeder Tiergattung eingefroren wird, um so versandt zu werden. — Diese Entwicklung hat den Preis der Tiere von weniger als 1 Peso vor 50 Jahren auf über 100 Peso hinaufgetrieben, und diese Steigerung allein erklärt schon in etwas das 30 enorme Steigen der Bodenwerte. Ganz ohne alles Zutun ist diese Entwicklung natürlich nicht gekommen. — Zunächst hat die wilde Tierzucht aufgehört. Jeder Grundbesitz muss heut laut Gesetz vollständig mit genügend starken Drahtzäunen eingezäunt sein. Zur besseren Ausnutzung wird der ganze Kamp (das Feld) einer Estancia, durch andere Drahtzäune in verschiedene Abschnitte (Potreros) geteilt. Die Einsperrung des Viehes erfordert fast stets die Anlage künstlicher Tränken, die am Zusammenstoß der Potreros eingerichtet werden, und die Wasserbeschaffung bei dem oft tiefem Grundwasserstande recht kostspielige Brunnen. Allein in diesen Anlagen stecken bedeutende Kapitalien auf jeder Besitzung. Bald erkannten die Viehzüchter auch, dass bessere Kassen höhere Erträge brachten, und man scheute keine Kosten, sie zu beschaffen.
Preise von 100.000 $ für Hengste, 50.000 — 60.000 für Stiere, 5.000—8.000 für Böcke sind keine Seltenheit. (1 Peso $ = 1,80 M.) Die feineren Tiere verlangten besseres Futter.
Das Pflügen des Kamp zerstörte das wilde, harte Gras (pasto duro), feinere Gräser und Kleearten kamen mehr zur Geltung. Ein weiterer großer Fortschritt aber war die Einführung des Luzernebaues, welcher das ganze Jahr hindurch und auch zur Winter weide (invernada) erstklassiges Futter gibt und in den Zentralprovinzen einen außerordentlichen Umfang angenommen hat. Gemäß den Anforderungen des Marktes züchtet man in Argentinien in der Hauptsache nur zwei englische Fettviehrassen: Durham und Hereford und zwar in außerordentlicher Vollkommenheit. Milch- und Arbeitsrassen zu züchten, betrachtet man im Allgemeinen als überflüssig. Ist doch auch der Genuss von Milch, und namentlich von Butter, auch heut noch auf die Städte beschränkt. Der berittene Viehhirt lebte nur von Fleisch und trank Yerbatee. Das meiste Vieh in Argentinien ist heut schon reinblütig oder doch gekreuzt (mestizos); die eingeborene Rasse (criollos) dürfte auf die Bergprovinzen und Nordprovinzen beschränkt sein.
Die Schafzucht steht fast gleich hoch wie die Rindviehzucht. Englische Fleischschafe, Rambouillets und deutsche Kammwollschafe sind die bevorzugten Rassen, je nach Klima und Bodenart.
Für Pferdezucht erscheint Argentinien ebenso prädestiniert wie für die Zucht von Rindvieh. Englisches Vollblut wird in großer Vollkommenheit gezogen. Jeden Sonntag sind große Rennen bei Buenos Aires. Es gibt bereits sehr gute Halbblutzuchten, auch solche von kalten Schlägen für die Lastwagen in den Städten. Der Criollo, das eingeborene unveredelte Tier, ist das denkbar beste Gebrauchspferd für die Viehwirtschaft im Kamp und in den lichten Dornenwäldern Zentralargentiniens unersetzlich.
Maultiere werden in bester Qualität in den Nordwestprovinzen gezogen und als Zugtiere nach den Minen und Salpeter distrikten Nordchiles sowie nach Bolivien verkauft.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutschen Interessen in Argentinien, Chile, Bolivien und Peru.