Zweiter Abschnitt
Die Fertigstellung des Kanals von Panama wirft ihren Schatten voraus. Die Differenz Vereinigte Staaten -Mexiko ist die Wirkung, bzw. die mit dem Dollar bewirkte Revolution gegen Porfirio Diaz das Auskunftsmittel, um offenen Krieg zu vermeiden. Die Vollendung der interozeanischen Verbindung wird der Westküste großen Aufschwung, aber auch Verstärkung der nordamerikanischen Einwanderung bringen, ferner auch die Verstärkung des japanischen Einflusses und die japanische Einwanderung. Die Bevölkerung Japans hat in 40 Jahren um 20 Millionen, d. h. rund 66 2/3 % zugenommen, und es wird auf lange hinaus so bleiben, während die Zunahme der Deutschen sich vermindert. Wird die gelbe Rasse oder werden die Germanen Anteil an der neuen Nation haben? — Die Germanen, die dort neue Kraft zu gewinnen scheinen, und deren durchschnittlich zwölf Köpfe starken Familien das Deutschtum rasch ausbreiten?
Verfasser ist kein Neuling auf diesem Gebiet. Schon vor zwölf Jahren machte er Vorschläge. Diese hätten einer deutschen Gesellschaft die Kontrolle über ganz Patagonien, ein Land von der Größe Deutschlands, gesichert. Die 1 1/2 Millionen der Gesellschaft wären heute wenigstens 40 Millionen, vielleicht auch 100 Millionen wert. Die Mitglieder der Gesellschaft, welche von dem wahren Wert ihres Unternehmens keine Ahnung hatten, liefen wegen Privatzänkereien auseinander, und stellten, um sich zu entlasten, das Unternehmen als phantastisch hin. Ein interessierter großer Reeder in Hamburg schlug bei dieser Gelegenheit eine große Landkonzession aus, welche heute 80 Millionen wert ist, und nahm kleine Rechte, die heute noch nicht 2 Millionen gelten. Der Direktor einer großen Berliner Bank hielt den Verfasser für einen Aufschneider, weil er damals schon den Wert dieser Konzession sachgemäß auf etwa 12.000.000 Mark angab. Einer der es indes wissen muss, nämlich der erste Direktor der Filiale dieser ersten Berliner Bank in Buenos-Aires, der damals das Geplante genau kennen lernte, nannte das Projekt „das Beste und Großartigste, was je in Argentinien vorgelegt sei.“ Dies ist der Gegensatz zwischen heimischer deutscher Auffassung und von solchen, die es verstehen. Verfasser war durch seine Kenntnis der Verhältnisse besser in der Lage, die Entwicklung der Dinge in Patagonien beurteilen zu können als die Argentinier selbst. Die Wirklichkeit hat seine Erwartungen trotzdem noch weit übertroffen. Gleiches ist noch mit vielen anderen Dingen der Fall, wird an anderen Stellen zweifellos eintreten.
In Patagonien verdienen heute Zehntausende, die allen möglichen Kationen angehören, viele Millionen, die alle hätten nach Deutschland kommen müssen, wenn diese deutschen Kapitalisten ihrer Aufgabe sich gewachsen gezeigt hätten. Es ist nötig, ein solches Beispiel aus dem Leben zu geben. Die nachstehenden Zeilen enthalten die Hindeutung auf ein ähnliches Projekt, auf die einzige Möglichkeit, für deutsche Kapitalisten noch einen zusammenhängenden großen Landstrich unter Kontrolle zu bekommen. Werden sich jetzt Männer finden, die der Sache gewachsen sind? oder werden die Interessenten wieder wegen Läppereien ein großes Land fahren lassen.
Der Kolonialsekretär Exzellenz Dernburg konstatiert, dass, nachdem wir 23 Jahre Kolonien besassen, das deutsche Volk weder von den natürlichen Bedingungen, Kosten und Opfern, die jede Kolonisation mit sich bringt, eine entsprechende Kenntnis, noch von der Art und den Aussichten unseres eigenen Kolonialbesitzes auch nur das oberflächlichste Wissen hatte.
In den genannten Staaten dürften heut über zwei Milliarden deutschen Kapitals und Kapital von Deutschen arbeiten. Es sind die einzigen Länder, die für die Kolonisation ernstlich in Betracht kommen können. Sie sind in diesem Sinne wichtiger für Deutschland als jedes andere Land, denn auch in praxi werden die gegenseitigen Bilanzen dermaleinst die höchsten Ziffern aufweisen. Es trifft aber hier nicht nur das zu, was Herr Dernburg über das deutsche Volk und die Kolonien sagt, sondern es geht noch viel weiter. Die Ansichten über jene Länder sind, soweit solche überhaupt existieren, falsch, irregeleitet durch einseitige oder kurzsichtige Berichterstattung, sensationell zugestutzte oder erfundene Zeitungsnachrichten, sogar gefälschte Mitteilungen. Großes leisten in Bezug auf Fälschung und Verhetzung auch in jenen Ländern die französische Presse und die englischen Telegrafenbüros, die konsequent und systematisch arbeiten, und fast keine Woche vorübergehen lassen, ohne einige verlogene Hetztelegramme gegen Deutschland zu bringen. Entfremdung und Verhinderung jedes Einverständnisses ist ihr Zweck, und jeder Anlass ist recht, um den Nativismus gegen Deutschland aufzustacheln.
Dies geschieht, um uns jene Länder zu verekeln und sie für sich zu reservieren, denn Vorkommnisse, wie sie täglich die Zeitungen füllen, sind in den in Frage stehenden Ländern (Argentinien, Chile, Bolivien, Peru) ausgeschlossen. Es gibt keine Winzeraufstände wie in der Champagne, keine Regierungswillkür und Polizeischrecken wie in osteuropäischen Ländern, keine Judenverfolgungen oder Christenmetzeleien, keinen religiösen Fanatismus, keine Notstände, keine Cholera, keine Tropenfieber und giftigen Tiere, keine drückenden Steuerlasten usw. Das Schlechte in Südamerika ist ganz wesentlich mit den Einwanderern gekommen. Das erkannte schon Darwin im Jahre 1833. (Siehe Darwins Reise um die Erde.)
sagt weiter: „Um so wichtiger ist es, das deutsche Volk auf seine wahren Interessen hinzuweisen. In seinem Zweck im Recht sagt Ihering: „Die wahre Politik ist die Fernsicht des Interesses, das Auge des Weitsichtigen . . . Der schlechte Geschäftsmann hat nur Sinn für den nächstliegenden Vorteil, er gleicht dem schlechten Schachspieler, der den Bauer schlägt und darüber das Spiel verliert. Der gute Geschäftsmann opfert den Bauer und gewinnt die Partie. Der Charakterzug der schlechten Geschäftspolitik besteht in ihrer Richtung auf den einzelnen Akt und den flüchtigen Moment, der guten in der Richtung auf das Ganze und die Zukunft.“
Dies Wort trifft vor allem hier zu. In Deutschland macht man aus Unkenntnis schlechte Politik in Bezug auf Südamerika. Das zu konstatieren, ist der Zweck dieser Zeilen. Mögen sie nicht unbeherzigt bleiben und mag zunächst durch kapitalistisches Vorgehen, später durch Leitung der Auswanderung, für deutsche Interessen so viel von den Schätzen dieser Länder gesichert werden, als erlangt werden kann.
Es existiert drüben kein Deutscher, welcher noch etwas für sein Vaterland fühlt, gleichgültig, ob er noch Reichsdeutscher oder schon Chilene ist, dem sich nicht fast täglich die Frage aufdrängt, warum kommen Angehörige aller Nationen hierher und nehmen die guten Sachen in Besitz, und nur die Deutschen stehen zurück? Wann endlich wird es anders werden, wann werden denen drüben die Augen aufgehen, wann werden nicht mehr allein die Engländer die Bahnen bauen, wann endlich werden nicht mehr allein Engländer, Franzosen, Italiener usw. die Konzessionen bekommen, wann werden auch Deutsche von drüben Land bebauen, Bergwerke erwerben, sich industriell betätigen usw.? Zehntausende denken so, Zehntausende dienen als lebende Zeugen für das Wohlergehen der Deutschen in jenen Ländern. Möge man endlich auch in Deutschland das Ganze der Tatsachen erkennen und sich nicht durch Einzelfälle oder Pressemitteilungen kopfscheu machen lassen. Das kommt nur anderen Nationen zugut, und wir haben das Nachsehen.
Artikel über fremde Länder entstammen meistens der Feder eines Reisenden, seltener der eines Diplomaten oder eines Mannes, welcher in jenen praktisch arbeitet. Die Reisenden nehmen kurze Eindrücke mit sich. Trotz gewissenhaftester Arbeit, diese zu vertiefen und wahrheitsgetreu zu gestalten, werden diese Schilderungen selten den Kern der Sache richtig und erschöpfend wiedergeben. Die Leute der praktischen Arbeit, Farmer, auch wohl Kaufleute, sind sicher über ihren Kreis gut orientiert, aber er wird stets nur ein kleiner sein, und ihre Ansichten treffen in der Regel nur für einen kleinen Teil eines Landes zu. Man möchte heute aber gern gründlich und über alles orientiert sein. Dies ist nicht leicht, wenigstens nicht in Bezug auf praktische Orientierung. Man kann Reisebeschreibungen, Berichte aller Art, wissenschaftliche Werke, statistische Tabellen noch so gründlich studieren und wird doch nicht in der Lage sein, sich über die nächstliegenden Fragen der Praxis klare Antworten geben zu können, im Gegenteil, aus der Statistik, gelesen unter dem Gesichtswinkel heimischer Anschauungen, entstehen häufig gänzlich verschrobene und unzutreffende Ideen. Man fragt dann schließlich noch den vermeintlich allwissenden hanseatischen Kaufmann oder Bankbeamten, d. h. Herren, die an und für sich schon unter keinen Umständen eine Verantwortung zu übernehmen geneigt sind, und erfährt deswegen und aus anderen häufig noch recht verschiedenen Nebengründen erst recht nicht die Wahrheit.
Die Jahrhundertfeiern, welche mehrere südamerikanische Länder im abgelaufenen Jahre zur Erinnerung an ihre Freiwerdung von der spanischen Herrschaft mit großem Pomp veranstalteten, führten Spezialgesandtschaften aller Länder nach den Hauptstädten der südlichen Republiken, die früher spanische Kolonien waren. Die ausnahmslos glänzende Aufnahme der Gäste im Verein mit wirklich vielem Guten, ja Hervorragendem und Imponierendem, das sich den Augen jener Herren darstellte, in deren Herzen vielleicht die stille Sorge schlummerte, in nur halbzivilisierte Länder zu kommen, hat überrascht und vielfach tiefen Eindruck hinterlassen. Diese Republiken taten aus mancherlei Gründen ihr Bestes, um im Feiertagsgewand zu erscheinen. Es gelang, und eine Anzahl hoch- und höchstgestellter Redner und Schriftsteller verkünden ihren Ruhm. Man erkannte, dass der reiche Boden dieser zum Teil noch jungfräulichen Länder, die außerordentlich große Naturschätze jeder Art bergen, den Einwanderern aller alten Nationen offensteht, den Menschen wie dem Kapital unter so günstigen Bedingungen, wie kaum irgendein neues Land sie bietet. Man sah, dass in diesen Ländern für Einwanderer jeder Art und aller Nationen noch außerordentlich viel zu holen ist, und es scheint verdienstvoll, auch bei uns darauf hinzuweisen, damit Deutschland nicht zu kurz komme, wie gewöhnlich. Die Gründung von einem halben Dutzend von Landgesellschaften für Argentinien war die Folge dieses Hinweises. Dass alte deutsch-argentinische Firmen in einigen derselben vertreten sind, bürgt für die gute Durchführung des Geplanten. Leider ist dies nicht bei allen der Fall, und wie überall, versucht auch hier die unberechtigte Spekulation sich einzudrängen und bringt den Keim des Verderbens. So verdienstvoll auch diese Anregungen sind, so sind die Veröffentlichungen doch auch nur solche von Reisenden. Es ist ferner z. B. sehr zu bedauern, dass der deutsche Spezialgesandte in Argentinien nicht auch die Länder der Westküste kennen lernte. Er würde sich sonst nicht einseitig für Argentinien erwärmen. Wichtig ist es, dass man dank dieser Anregung in Deutschland klar zu erkennen anfängt, wie ungeheuer groß die wirtschaftliche Bedeutung dieser Länder auch für uns ist *).
*) In Betracht kommen allein die Länder mit gemäßigtem oder Höhenklima: Argentinien, Chile, Bolivien, Peru und allenfalls noch Paraguay. Südbrasilien ziehen wir nicht in Betracht, weil es schon lange von berufener Seite gut vertreten wird.
Verfasser ist kein Neuling auf diesem Gebiet. Schon vor zwölf Jahren machte er Vorschläge. Diese hätten einer deutschen Gesellschaft die Kontrolle über ganz Patagonien, ein Land von der Größe Deutschlands, gesichert. Die 1 1/2 Millionen der Gesellschaft wären heute wenigstens 40 Millionen, vielleicht auch 100 Millionen wert. Die Mitglieder der Gesellschaft, welche von dem wahren Wert ihres Unternehmens keine Ahnung hatten, liefen wegen Privatzänkereien auseinander, und stellten, um sich zu entlasten, das Unternehmen als phantastisch hin. Ein interessierter großer Reeder in Hamburg schlug bei dieser Gelegenheit eine große Landkonzession aus, welche heute 80 Millionen wert ist, und nahm kleine Rechte, die heute noch nicht 2 Millionen gelten. Der Direktor einer großen Berliner Bank hielt den Verfasser für einen Aufschneider, weil er damals schon den Wert dieser Konzession sachgemäß auf etwa 12.000.000 Mark angab. Einer der es indes wissen muss, nämlich der erste Direktor der Filiale dieser ersten Berliner Bank in Buenos-Aires, der damals das Geplante genau kennen lernte, nannte das Projekt „das Beste und Großartigste, was je in Argentinien vorgelegt sei.“ Dies ist der Gegensatz zwischen heimischer deutscher Auffassung und von solchen, die es verstehen. Verfasser war durch seine Kenntnis der Verhältnisse besser in der Lage, die Entwicklung der Dinge in Patagonien beurteilen zu können als die Argentinier selbst. Die Wirklichkeit hat seine Erwartungen trotzdem noch weit übertroffen. Gleiches ist noch mit vielen anderen Dingen der Fall, wird an anderen Stellen zweifellos eintreten.
In Patagonien verdienen heute Zehntausende, die allen möglichen Kationen angehören, viele Millionen, die alle hätten nach Deutschland kommen müssen, wenn diese deutschen Kapitalisten ihrer Aufgabe sich gewachsen gezeigt hätten. Es ist nötig, ein solches Beispiel aus dem Leben zu geben. Die nachstehenden Zeilen enthalten die Hindeutung auf ein ähnliches Projekt, auf die einzige Möglichkeit, für deutsche Kapitalisten noch einen zusammenhängenden großen Landstrich unter Kontrolle zu bekommen. Werden sich jetzt Männer finden, die der Sache gewachsen sind? oder werden die Interessenten wieder wegen Läppereien ein großes Land fahren lassen.
Der Kolonialsekretär Exzellenz Dernburg konstatiert, dass, nachdem wir 23 Jahre Kolonien besassen, das deutsche Volk weder von den natürlichen Bedingungen, Kosten und Opfern, die jede Kolonisation mit sich bringt, eine entsprechende Kenntnis, noch von der Art und den Aussichten unseres eigenen Kolonialbesitzes auch nur das oberflächlichste Wissen hatte.
In den genannten Staaten dürften heut über zwei Milliarden deutschen Kapitals und Kapital von Deutschen arbeiten. Es sind die einzigen Länder, die für die Kolonisation ernstlich in Betracht kommen können. Sie sind in diesem Sinne wichtiger für Deutschland als jedes andere Land, denn auch in praxi werden die gegenseitigen Bilanzen dermaleinst die höchsten Ziffern aufweisen. Es trifft aber hier nicht nur das zu, was Herr Dernburg über das deutsche Volk und die Kolonien sagt, sondern es geht noch viel weiter. Die Ansichten über jene Länder sind, soweit solche überhaupt existieren, falsch, irregeleitet durch einseitige oder kurzsichtige Berichterstattung, sensationell zugestutzte oder erfundene Zeitungsnachrichten, sogar gefälschte Mitteilungen. Großes leisten in Bezug auf Fälschung und Verhetzung auch in jenen Ländern die französische Presse und die englischen Telegrafenbüros, die konsequent und systematisch arbeiten, und fast keine Woche vorübergehen lassen, ohne einige verlogene Hetztelegramme gegen Deutschland zu bringen. Entfremdung und Verhinderung jedes Einverständnisses ist ihr Zweck, und jeder Anlass ist recht, um den Nativismus gegen Deutschland aufzustacheln.
Dies geschieht, um uns jene Länder zu verekeln und sie für sich zu reservieren, denn Vorkommnisse, wie sie täglich die Zeitungen füllen, sind in den in Frage stehenden Ländern (Argentinien, Chile, Bolivien, Peru) ausgeschlossen. Es gibt keine Winzeraufstände wie in der Champagne, keine Regierungswillkür und Polizeischrecken wie in osteuropäischen Ländern, keine Judenverfolgungen oder Christenmetzeleien, keinen religiösen Fanatismus, keine Notstände, keine Cholera, keine Tropenfieber und giftigen Tiere, keine drückenden Steuerlasten usw. Das Schlechte in Südamerika ist ganz wesentlich mit den Einwanderern gekommen. Das erkannte schon Darwin im Jahre 1833. (Siehe Darwins Reise um die Erde.)
sagt weiter: „Um so wichtiger ist es, das deutsche Volk auf seine wahren Interessen hinzuweisen. In seinem Zweck im Recht sagt Ihering: „Die wahre Politik ist die Fernsicht des Interesses, das Auge des Weitsichtigen . . . Der schlechte Geschäftsmann hat nur Sinn für den nächstliegenden Vorteil, er gleicht dem schlechten Schachspieler, der den Bauer schlägt und darüber das Spiel verliert. Der gute Geschäftsmann opfert den Bauer und gewinnt die Partie. Der Charakterzug der schlechten Geschäftspolitik besteht in ihrer Richtung auf den einzelnen Akt und den flüchtigen Moment, der guten in der Richtung auf das Ganze und die Zukunft.“
Dies Wort trifft vor allem hier zu. In Deutschland macht man aus Unkenntnis schlechte Politik in Bezug auf Südamerika. Das zu konstatieren, ist der Zweck dieser Zeilen. Mögen sie nicht unbeherzigt bleiben und mag zunächst durch kapitalistisches Vorgehen, später durch Leitung der Auswanderung, für deutsche Interessen so viel von den Schätzen dieser Länder gesichert werden, als erlangt werden kann.
Es existiert drüben kein Deutscher, welcher noch etwas für sein Vaterland fühlt, gleichgültig, ob er noch Reichsdeutscher oder schon Chilene ist, dem sich nicht fast täglich die Frage aufdrängt, warum kommen Angehörige aller Nationen hierher und nehmen die guten Sachen in Besitz, und nur die Deutschen stehen zurück? Wann endlich wird es anders werden, wann werden denen drüben die Augen aufgehen, wann werden nicht mehr allein die Engländer die Bahnen bauen, wann endlich werden nicht mehr allein Engländer, Franzosen, Italiener usw. die Konzessionen bekommen, wann werden auch Deutsche von drüben Land bebauen, Bergwerke erwerben, sich industriell betätigen usw.? Zehntausende denken so, Zehntausende dienen als lebende Zeugen für das Wohlergehen der Deutschen in jenen Ländern. Möge man endlich auch in Deutschland das Ganze der Tatsachen erkennen und sich nicht durch Einzelfälle oder Pressemitteilungen kopfscheu machen lassen. Das kommt nur anderen Nationen zugut, und wir haben das Nachsehen.
Artikel über fremde Länder entstammen meistens der Feder eines Reisenden, seltener der eines Diplomaten oder eines Mannes, welcher in jenen praktisch arbeitet. Die Reisenden nehmen kurze Eindrücke mit sich. Trotz gewissenhaftester Arbeit, diese zu vertiefen und wahrheitsgetreu zu gestalten, werden diese Schilderungen selten den Kern der Sache richtig und erschöpfend wiedergeben. Die Leute der praktischen Arbeit, Farmer, auch wohl Kaufleute, sind sicher über ihren Kreis gut orientiert, aber er wird stets nur ein kleiner sein, und ihre Ansichten treffen in der Regel nur für einen kleinen Teil eines Landes zu. Man möchte heute aber gern gründlich und über alles orientiert sein. Dies ist nicht leicht, wenigstens nicht in Bezug auf praktische Orientierung. Man kann Reisebeschreibungen, Berichte aller Art, wissenschaftliche Werke, statistische Tabellen noch so gründlich studieren und wird doch nicht in der Lage sein, sich über die nächstliegenden Fragen der Praxis klare Antworten geben zu können, im Gegenteil, aus der Statistik, gelesen unter dem Gesichtswinkel heimischer Anschauungen, entstehen häufig gänzlich verschrobene und unzutreffende Ideen. Man fragt dann schließlich noch den vermeintlich allwissenden hanseatischen Kaufmann oder Bankbeamten, d. h. Herren, die an und für sich schon unter keinen Umständen eine Verantwortung zu übernehmen geneigt sind, und erfährt deswegen und aus anderen häufig noch recht verschiedenen Nebengründen erst recht nicht die Wahrheit.
Die Jahrhundertfeiern, welche mehrere südamerikanische Länder im abgelaufenen Jahre zur Erinnerung an ihre Freiwerdung von der spanischen Herrschaft mit großem Pomp veranstalteten, führten Spezialgesandtschaften aller Länder nach den Hauptstädten der südlichen Republiken, die früher spanische Kolonien waren. Die ausnahmslos glänzende Aufnahme der Gäste im Verein mit wirklich vielem Guten, ja Hervorragendem und Imponierendem, das sich den Augen jener Herren darstellte, in deren Herzen vielleicht die stille Sorge schlummerte, in nur halbzivilisierte Länder zu kommen, hat überrascht und vielfach tiefen Eindruck hinterlassen. Diese Republiken taten aus mancherlei Gründen ihr Bestes, um im Feiertagsgewand zu erscheinen. Es gelang, und eine Anzahl hoch- und höchstgestellter Redner und Schriftsteller verkünden ihren Ruhm. Man erkannte, dass der reiche Boden dieser zum Teil noch jungfräulichen Länder, die außerordentlich große Naturschätze jeder Art bergen, den Einwanderern aller alten Nationen offensteht, den Menschen wie dem Kapital unter so günstigen Bedingungen, wie kaum irgendein neues Land sie bietet. Man sah, dass in diesen Ländern für Einwanderer jeder Art und aller Nationen noch außerordentlich viel zu holen ist, und es scheint verdienstvoll, auch bei uns darauf hinzuweisen, damit Deutschland nicht zu kurz komme, wie gewöhnlich. Die Gründung von einem halben Dutzend von Landgesellschaften für Argentinien war die Folge dieses Hinweises. Dass alte deutsch-argentinische Firmen in einigen derselben vertreten sind, bürgt für die gute Durchführung des Geplanten. Leider ist dies nicht bei allen der Fall, und wie überall, versucht auch hier die unberechtigte Spekulation sich einzudrängen und bringt den Keim des Verderbens. So verdienstvoll auch diese Anregungen sind, so sind die Veröffentlichungen doch auch nur solche von Reisenden. Es ist ferner z. B. sehr zu bedauern, dass der deutsche Spezialgesandte in Argentinien nicht auch die Länder der Westküste kennen lernte. Er würde sich sonst nicht einseitig für Argentinien erwärmen. Wichtig ist es, dass man dank dieser Anregung in Deutschland klar zu erkennen anfängt, wie ungeheuer groß die wirtschaftliche Bedeutung dieser Länder auch für uns ist *).
*) In Betracht kommen allein die Länder mit gemäßigtem oder Höhenklima: Argentinien, Chile, Bolivien, Peru und allenfalls noch Paraguay. Südbrasilien ziehen wir nicht in Betracht, weil es schon lange von berufener Seite gut vertreten wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutschen Interessen in Argentinien, Chile, Bolivien und Peru.