Die Deutschen Interessen in Argentinien, Chile, Bolivien und Peru.

Eine der wichtigsten Fragen für Deutschlands Zukunft. Von einem alten Praktiker
Autor: Alte Praktiker, Erscheinungsjahr: 1911

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutsche Interessen in Argentinien, Chile, Bolivien, Peru, Einwanderung, Wirtschaftsleben, Auswanderung, Kapital, Wohlstand, Kapitalisten, Industrie, Landwirtschaft, Weltmarkt, Zollgesetze,
      Die geradezu jammervolle Unkenntnis, welche im deutschen Publikum über den größten Teil Südamerikas mit gemäßigtem resp. Höhenklima herrscht, veranlassten eine Reihe von Artikeln, die nachstehend gesammelt wiedergegeben werden.
      In den in Frage kommenden Ländern bestehen heute noch nationale Gegensätze. Hier Chile, hier Argentina usw. ist die Losung. Einer ist eifersüchtig auf den andern. Grenzstreitigkeiten, Machtfragen sind an der Tagesordnung. Im Grunde genommen sind die Bewohner schon eine Nation, denn überall ist der Kern der Bevölkerung der spanische Criollo, der Kreole. Die nationalen Gegensätze haben sich vor 100 Jahren gebildet, als die Entfernung noch fast unüberwindliche Hindernisse schuf, als man vom spanischen Joche loskam und die Provinzen Staaten wurden, die, wie die Verhältnisse damals lagen, in der Tat nicht viel miteinander wirtschaftlich zu teilen hatten. Die neueren Verkehrsmittel schaffen Annäherung, lassen die Entfernung verschwinden und bei der Gemeinsamkeit des Blutes wird der Druck von außen diese verstärken und wieder zusammenschweißen, was einst zusammen war. Dabei nimmt die Einwanderung zu. Sie dringt durch den großen Hafen Buenos Aires ein, das Land, zunächst Argentinien, füllend und sich von dort weiterverbreitend.
      In diesen Ländern wiederholt sich der Vorgang, der vor 150 Jahren in den Vereinigten Staaten Nordamerikas begann. Es bildet sich ein neues großes Volk, vielleicht langsamer wie im Norden, wenigstens zunächst, das aber einmal 500 Millionen und mehr zählen wird. Die Einwanderung in Argentinien beträgt jetzt gegen 200.000 Köpfe, meist Spanier, Italiener, Slawen, wenig Germanen. In 50 Jahren werden die nationalen Unterschiede dieser Staaten gefallen sein. Ein Band wird sie alle umschließen und eine neue Nation entsteht unter viel leichteren und günstigeren Bedingungen als dies in Nordamerika vor sich ging.
      Es ist wohl möglich, dass kluge Leute, auch zünftige Diplomaten, zu dieser Prognose den Kopf schütteln. Richtig ist, dass, wie in Deutschland und Italien dynastische Interessen die Einigung verhinderten, auch hier gewissermaßen dynastische Interessen bestehen, nur nennen sie sich hier caudillos, d. h. die führenden Familien wollen Herren in ihren Bezirken bleiben. — Deutschland und Italien sind trotzdem zur Einigung gelangt, auch das spanische Südamerika wird einig werden. Der Druck des Auslandes, namentlich nordamerikanische Bestrebungen und wirtschaftliche Bedürfnisse werden dazu zwingen.
      Verfasser lebte und arbeitete seit fast 20 Jahren nicht in einem Lande, sondern in allen vier großen Staaten, die er genauer kennt als die Mehrzahl ihrer Einwohner und überlässt den Beweis für die Richtigkeit seiner Hypothesen vertrauensvoll der Zukunft. Aber schon heute wird ihm jeder Recht geben, der sich einmal die Mühe genommen hat, über diese Sache gründlich nachzudenken, die Verhältnisse kennt und die Vorgänge der letzten Jahrzehnte beobachtet hat. Außer Sprache und Abstammung haben die spanischen Südamerikaner auch die Religion gemeinsam und die trotz allem religiösen Liberalismus doch noch recht einflussreiche Kirche hat ein Interesse an dieser Lösung der südamerikanischen politischen Frage.
      Wie wird sich Deutschland zu diesem Vorgange stellen? Nordamerika hätte beinahe die deutsche Sprache angenommen. Es ist nicht geschehen. An die 16 Millionen oder mehr leben in den Staaten, die von Deutschen abstammen und Deutsche sein sollten. Sie sind Yankees, unsere Konkurrenten im Wirtschaftsleben, unsere Gegner in der Politik, falls erforderlich. Will Deutschland die neu entstehende südamerikanische Nation sich auch so gegenüberstehend wissen, wo man doch die Mittel in der Hand hat, sie sich dauernd uns zu verbinden?

03 Der Berg San Cristobal

03 Der Berg San Cristobal

04 Ansicht von Lima vom Fuße des San Cristobal

04 Ansicht von Lima vom Fuße des San Cristobal

Lateinamerika 1

Lateinamerika 1

Lateinamerika 2

Lateinamerika 2

Lateinamerika 3

Lateinamerika 3