Des Drachens Treiben in Bresegard zu Grabow

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Von Fr. Günther, Pastor zu Groß-Methling, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Bresegard, Grabow, Drachen, Zauber, Teufel, Sprichworte
Zu Bresegard bei Grabow wohnte einmal ein Bauer, der hatte allezeit die fettesten Pferde, die blanksten Kühe, und Korn und Futter wurde ihm nimmer all. Wenn's in den Scheunen anderer Bauern heller Tag war, waren in der seinigen kaum die Abseiten leer, und das Viehsterben, das oft der Reihe nach die Nachbarn traf, ging an seiner Hofstelle allemal vorüber. Und Geld hatte er, wie wenn es ihm auf den Bäumen wüchse. Wenn andere Bauern beim Mühlenfahren nicht selten sich den Mahlschilling leihen mussten, hatte er so viel, dass er wohl für Alle hätte zahlen können.

Natürlich war dies den übrigen Dorfleuten auffällig genug und selten unterließ man es, des fetten Bauern zu gedenken, wenn die Nachbarsfrauen zusammenkamen. Da riet man hin und her und kreuz und quer, woher gerade diesem Bauern all das Glück komme, und wenn's auch Allen klar war wie das Sonnenlicht, dass hier nicht Alles mit rechten Dingen sei, so wusste doch Niemand der Sache völlig auf den Grund zu kommen. Es war aber noch nicht des fetten Bauern aller Tage Abend und: „Nichts ist so fein gesponnen, es kommt doch endlich an die Sonnen", sagt die Weisheit auf der Straße, und: „Sprichwort ist Wahrwort!"

Schulzenvater war zur Stadt gegangen und hatte sich so sehr verspätet, dass er erst zur Nachtzeit wieder auf den Rückweg kam. Sein langes Ausbleiben machte Schulzenmutter ängstlich und sie schickte ihm, just als hatte es so sein sollen, statt des Knechtes ihren Schwager entgegen, der ein Zwillingsbruder ihres Mannes war.

Als nun beide Brüder dem Dorfe nahe kamen, da schauten sie in weiter Ferne einen Feuerstreifen am Himmel, der lang war wie ein Weesbaum, und eiligen Fluges auf das Dorf zuzog. Er kam ihnen immer näher und näher, und je näher er kam, desto heller leuchtete er um sie, und als er über ihre Häupter dahinflog, da konnten sie ganz deutlich gewahr werden des feurigen Drachen hell leuchtende Augen und seinen weit aufgesperrten Rachen mit der flammenden Zunge und seinen langgestreckten glühenden Leib mit dem dünnen beweglichen Schwanze, und ebenso deutlich sahen sie es, wie er auf die Hofstelle des reichen Bauern zuzog und durchs Eulenloch *) ins Haus einging.

*) Eulenlöcher heißen diejenigen kleinen Öffnungen oben an dem Giebel unter dem Strohdach der alten Bauernhäuser, wodurch die Eulen schlüpfen sollen, um die Mäuse und Ratten aus dem Stroh und Heu fortzufangen. Bekanntlich mausen die Eulen vortrefflich.

Das war also der saubere Teufelsgeselle, mit dem der Bauer im Bunde stand, wie nun am Tage lag, und durch den der Böse ihm zuführte, was andern Leuten fehlte. Des Bauern ehrbarer Wandel, den er als Christenmensch bis lang geführt hatte, war also nichts denn eitel Blendwerk gewesen, bloß um die Leute hinters Licht zu führen, was bis zur Stunde ihm auch gut genug gelungen war. Aber von nun an pfiff er auf dem letzten Loche, denn diesmal war just seine Sache vor die rechte Schmiede gekommen.

„Vör Unrat is ümmer ok Rat, wenn man't bloht weet" *), sprach ein Zwillingsbruder zu dem andern; und Beide fassten den Beschluss, den Drachen im Hause des gottlosen Bauern zu bannen.

*) „Vor Unrat ist immer auch Rat, wenn man's bloß weiß.”

Sie machten sich eilig zu dessen Hofstelle hin, zogen von dem dort stehenden Wagen die Räder ab und schoben sie dergestalt auf die Schenkel, dass die äußeren Seiten nach innen waren, und rückten den Wagen hart vor die große Tür des Hauses hin. Durch ein solches Mittel können Zwillingsbrüder ein Haus, in welchem ein Drache sitzt, so fest für ihn versperren, dass selbst der Teufel nicht im Stande ist, den Bann zu lösen; folglich musste auch hier der Drache gebannt bleiben und konnte weder durch die Oken, noch durch die Rauch- und Eulenlöcher ins Freie kommen, durch welche er sonst seine Passage zu nehmen pflegt.
Allein das Haus vermochte auf die Dauer der großen Glut nicht Widerstand zu leisten, die der geängstigte Drache von sich blies, und derselbe hatte, ehe noch der Hahn den Morgen ankrähte, einen roten Hahn auf das Dach gesetzt. Er selbst jedoch war feuerfest. Aus den lodernden Flammen entsprang er in eine große schwarze Sau verwandelt, umkreiste in dieser Gestalt noch siebenmal das Haus und machte dann vor aller Augen sich unsichtbar.

Aber wie ging es nun dem fetten und gottvergessenen Bauern? „As ick mienen Rock holl, sitt he in de Foll"*) und: „Wie man's treibt, so geht's". Er hatte vom Bösen sich dienen lassen, so musste er nun ihm wieder dienen. Sein Leib kam jämmerlich in dem durch Teufelsgewalt entstandenen Feuer um und die Seele kam ins höllische Feuer, — dem Teufel zur Lust, wie dieser ihm zur Lust gewesen war.

Dem Drachen aber war der langgewohnte Aufenthalt im Dorfe lieb geworden. Schon in den nächsten Nächten machte er sich wieder sichtbar und zog abermals über das Dorf hin, um neue Freunde für seinen Herrn zu gewinnen. Doch diesmal kam er an, wie die Sau im Judenhause, es sollte ihm nicht glücken.

Der Schweinehirt, ein kluger und dreister Mann, verstand es mit ihm umzugehen und ließ ihn abladen, ohne dafür sein Freund zu werden. Alle Drachen sind nicht bloß von ärgerlicher, sondern auch von neulicher und eitler Natur und mögen sich fast eben so gern im Spiegel beschauen, als unsere junge und ältere Frauenwelt. Dies war dem Hirten wohl bekannt, und hierauf bauend, stellte er sich zur Nachtzeit unter das vorspringende Dach des Hirtenkatens hin, um des Drachen Ankunft abzuwarten. Als dieser nun nach kurzer Zeit herangezogen kam, da machte der Hirte, nachdem er ihm den Rücken zugekehrt, sofort einen gewissen Teil seines Leibes bloß, hockte nieder und hielt ihn dem Drachen zum Spiegel vor Augen.

*) „So wie ich meinen Rock halte, so sitzt er in der Falte."

Und siehe, der ungewohnte neckische Anblick versetzte den ärgerlichen Drachen in eine so gräuliche Wut, dass er sich aufblies, wie ein Blasebalg, bis sein Leib immer dicker und dicker wurde und zuletzt zerplatzte und Alles, was er geladen hatte, auf die Straße fallen ließ.

Der kluge Hirte blieb aber wohlweislich unter dem schützenden Dache des Katens stehen. Wäre er im Freien gewesen, der erzürnte Drache würde unzweifelhaft ein schlimmes Spiel mit ihm getrieben haben. Die ganze Ladung würde er auf ihn geworfen haben und zwar zu einer Masse verwandelt, von so anklebender und ekelhafter Natur, dass er all sein Lebtag den Schmutz und Gestank derselben nicht wieder losgeworden wäre. So aber, oh Jemine! was gab's für ein Wundern und Handschlagen unter Klein und Groß der guten Dorfleute über die Menge des Hafers, den man am andern Morgen auf der Straße fand, wo der gefoppte Drache abgeladen hatte.

Wohl Manchem stand der Sinn darnach, das schöne Korn an sich zu nehmen. Doch tat man's nicht, und Niemand machte sich durch dessen Annahme dem Bösen untertan, sondern Alles ließ man ruhig liegen, bis nach und nach des Hirten Schweine es verzehrten.

Das war nun aber ganz und gar nicht nach des Drachen Sinn getan. „Er schleift nicht gern ohne Wasser" und "schmeißt nur mit der Mettwurst, wenn er den Schinken damit treffen kann." Und doch war's ihm hier nicht gelungen, für all seinen schönen Hafer auch nur eine einzige Seele für seinen Herrn zu gewinnen. Den schweren Ärger über dies und Alles, was man ihm im Dorfe angetan, wusste er nun aber auch den armen Dorfbewohnern gründlich einzutränken. War er bisher ein zutragender Drache gewesen, so wurde er nun ein wegtragender und stahl den Leuten Alles, was er nur erwischen konnte.

Es währte nichts, so war das ganze Dorf im Aufruhr, wegen der zahlreichen Diebereien, die allenthalben auf Äckern und Wiesen, in Häusern, Scheunen und Gärten verübt wurden, ohne dass man sich dagegen zu schützen wusste. Denn da jeder Drache die Teufelskunst besitzt, sich in alle möglichen Gestalten zu verwandeln, wenn er auf Diebeswegen aus ist, so hält es schwer, vor seinen Spitzbübereien sich in Acht zu nehmen. Die Enten- und Hechtsgestalten kann er freilich nicht annehmen, denn der Hecht trägt in seinem Kopfe, die Ente vor ihrem Kopfe das Zeichen des mächtigen Kreuzes, vor dem auch Satanas samt allen seinen Dienern zu Kreuze kriechen muss. Dagegen aber machte sich unser Drache bald zum Heister*) und bald zum Hasen, bald zum Währwolf und bald zum Fuderheu und nahm in solcher Verkleidung selbst bei hellem Tage den Leuten Alles unter den Händen weg.

Was Wunder, wenn die ganze Dorfschaft auf nah und fern und weit und breit nach Rat aus war, wie dieser heillosen Wirtschaft ein Ende zu machen sei. Doch wollte das lange Zeit nicht glücken, bis man endlich zu einem Weibe kam, das einer im Walde hausenden Taterbande**) angehörte.

*) Elster
**) Zigeunerbande


Die kluge Frau ließ zur Bertreibung des Drachen erstlich alles Feuer auslöschen, was im ganzen Dorfe sich befand. Darauf ließ sie ein dürres Holzstück so anhaltend und kräftig reiben, bis es Feuer fing, und mussten alle Dorffrauen von diesem „Notfeuer" sich das Feuer für ihren Heerd anholen. Über solches Feuer musste jede Hausfrau ihren größten Kessel, gefüllt mit fließendem Wasser und Hexenkraut, in das dritte Gelenk der Kesselkette hängen und musste den Kessel kochen lassen unaufhörlich, drei Tage und drei Nächte lang. Und wirklich durch all den Dampf, der aus allen diesen Kesseln aufstieg, wurde der Drache richtig ausgeräuchert.

Das Mittel war freilich ein wenig unbequem, dazu nicht ohne Ausgaben, denn die Zigeunermutter ließ sich gut begaben; aber dafür war es auch probat, denn von Stund an ließ der Drache das Dieben sein und wird vermutlich bis zum heutigen Tage die guten Bresegarder nicht weiter belästiget haben.

Der Uhu (Bubo L.)

Der Uhu (Bubo L.)

Der Steinkauz (Attura noctura L.)

Der Steinkauz (Attura noctura L.)

Die Schleiereule (Strix flammea, Linné)

Die Schleiereule (Strix flammea, Linné)

Die Sperbereule (Strix nisoria, Naumann)

Die Sperbereule (Strix nisoria, Naumann)

Der Uhu (Strix bubo, Linné)

Der Uhu (Strix bubo, Linné)

Pferdestall auf dem Gut

Pferdestall auf dem Gut

Kühe auf der Wiese

Kühe auf der Wiese