Der zurückgelassene Messingtopf der unterirdischen Frau aus dem Galgenberge bei Alt-Strelitz

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Alt-Strelitz,
In der Beguinenstraße zu Alt-Strelitz lag vor Zeiten eine Herberge.

Der Herbergvater, welcher Fitzner hieß, hatte mehrere Kühe, die er gut fütterte und die deshalb reichlich Milch gaben. Aus dem Verkaufe der Milch bestritt seine sparsame Hausfrau die Kosten ihrer Wirtschaft, weshalb sie diesem Geschäfte an jedem Morgen und Abend, wenn die Kühe gemolken waren, mit vielem Eifer oblag.

An einem Dezembermorgen, als es noch dunkel war, kam auch eine kleine, nur ein Paar Spannen hohe Frau mit einem niedlichen Messingtöpfchen zu ihr in die Gaststube und forderte einen halben Pott Milch.

Der Messingtopf der kleinen unterirdischen Frau — denn eine solche war sie — wurde, weil die Milch noch nicht da war, vorläufig zu den übrigen Gefäßen der wartenden Milchkundcn auf den Tisch gesetzt, um nachher, der Reihenfolge nach, ebenfalls gefüllt zu werden.

Bevor aber das kleine unterirdische Weib abgefertigt war, huschte ein noch kleineres Mädchen als sie selbst in die Stube und rief mit feiner Stimme: „Mutter, komm geschwind nach Hause, Brüderchen ist gleich tot."

Eilig drehte sich die Gerufene um, und lief mit ihrer Tochter hastig von dannen.

Draußen auf der Straße war es indessen schon hell geworden und es gingen die Kinder zur Schule. Als diese nun die beiden kleinen Wesen erblickten, liefen sie hinter ihnen her und verfolgten sie durch das Neubrandenburger Tor bis zum Galgenberg, wo sie verschwanden.

Das bei der Frau Fitzner zurückgelassene zierliche Messingtöpfchen wurde nicht wieder abgeholt und noch viele Jahre hindurch den in der Herberge einkehrenden Gästen als etwas Rares gezeigt.