Der unvollendete Teufelsdamm durch den Duckwitzer See bei Tessin

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von G. F. C. Neumann zu Röbel, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Duckwitz, Tessin, Schäfer
Zur Zeit, als noch der Teufel in Menschengestalt auf Erden einhergehen durfte, da lebte einmal zu Hof Duckwitz bei Tessin ein Schäfer, der immer gar mürrisch und verdrießlich war, wenn er seine Schafweide jenseits des auf der Duckwitzer Feldmark gelegenen Sees hatte. Er musste dann mit seiner Herde den ganzen See umtreiben, und das war ein weiter und beschwerlicher Weg. Daher wünschte er denn nichts sehnlicher, als einen Damm durch den See.

Eines Tages, als er auch den weiten Weg mit seinen Schafen machte, stützte er sich verdrießlich auf seinen Schäferstock und blickte sehnsuchtsvoll nach dem jenseitigen Ufer des Wassers hinüber. Da gesellte sich ein kleines Männchen zu ihm und fragte: „Was gibt's da zu sehen?"

„Ach”, entgegnete der Schäfer, „ich bin verdrießlich, dass die Weide so weit entfernt ist und kein Weg durch den See geht, was ich wohl schon hundert Mal gewünscht habe."

Der Fremde sagte: „Wenn's weiter nichts ist, dazu will ich Dir verhelfen; als Lohn dafür gibst Du mir Deine Seele."

Der Schäfer erschrak nicht wenig, denn er war nun nicht mehr im Zweifel darüber, mit wem er es zu tun habe. Ein so großes Opfer für die Erfüllung seines so lange gehegten Wunsches zu bringen, war ihm doch zu viel. Darum brach er das Gespräch ab und ging seines Weges weiter.

Der Teufel weicht aber nicht sobald. Am folgenden Morgen stellte er sich wieder ein und verhandelte mit dem Schäfer, aber ohne Erfolg. Am dritten Morgen, als der Böse sich wieder zu ihm gesellte und ihm gar zu süße Lockspeisen vorhielt, konnte er der Versuchung nicht länger widerstehen und versprach dem Teufel seine Seele, wogegen dieser sich verpflichtete, am nächsten Morgen den Weg fertig zu haben, wenn des Schäfers Hahn zum ersten Male krähen werde.

Der arme Schafhirte bereute es bald, so voreilig gehandelt zu haben. Gern hätte er sein Wort wieder zurückgenommen, aber der Teufel ließ sich nicht sehen. Traurig und verzagt kam er am Abend nach Hause, und das Abendbrot, das sonst seine Hauptmahlzeit war, wollte ihm gar nicht munden.

Seine Frau, die bald merkte, dass ihm etwas Außergewöhnliches begegnet sei, fragte nach der Ursache seiner Bekümmernis und erfuhr dann auch Alles. Sie versuchte ihren Mann zu trösten, indem sie schon für ein gutes Ende sorgen und dem Teufel einen Strich durch die Rechnung machen wolle.

Inzwischen war es 10 Uhr geworden. Der Schäfer hatte sich zu Bette begeben, aber kein Schlaf wollte seine Augen schließen; die Frau saß noch beim Schein der Lampe und verrichtete ihre häuslichen Arbeiten. Da wurde es ein Getöse und Gewimmel in der Luft, als wenn die wilde Jagd vorüber zieht. Es war der Teufel mit seinen dienstbaren Geistern, die sich daran machten, den Weg durch den See zu karren.

So wie der Zeiger der Uhr weiter rückte, steigerte sich auch die Angst des Schäfers. Als es Zwei schlug, glaubte er seine Seele für verloren und brach in lautes Jammern und Wehklagen aus. Aber siehe da! Der Hahn krähte, und die höllischen Geister verschwanden. Sie hatten nur dreiviertel des Weges fertig gekriegt und mussten ohne Lohn davon gehen.

So war also der Schäfer gerettet, und das hatte er seiner Frau zu verdanken. Diese hatte nämlich ihren Hahn so abgerichtet, dass er des Morgens beim Füttern jedesmal krähte und hatte sie sich nun an diesem Morgen um 2 Uhr in den Hühnerstall begeben und ihm sein Futter verabreicht.

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Der nicht fertig gewordene Weg durch den Duckwitzer See ist längst versunken; die Stelle aber, wo der Teufel und seine Gesellen die dazu erforderliche Erde weggenommen haben, wird noch heutigen Tages gezeigt.

Schäfermeister

Schäfermeister

Federvieh

Federvieh

Schäfer mit seiner Herde auf dem Heimweg

Schäfer mit seiner Herde auf dem Heimweg