Der unverwesliche Edelmann in der Kirche zu Herzberg bei Lübz.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Herzberg, Baron von Maltzan, Herrenhaus,
Viele Leute erinnern sich noch recht gut jener unverweslichen Leiche, die früher hinter dem Altare der Herzberger Kirche aufbewahrt wurde.

Wie die Sage berichtet, waren dies die irdischen Überreste eines alten Herrn vom Adel, der in altenZeiten auf Herzberg wohnte und dem sowohl dies Gut, wie noch mehrere andere der umliegenden Güter zugehört haben.

Dieser alte Edelmann war nun einst in große Ungelegenheiten geraten, die ihn zwangen, eines seiner Güter zu veräußern. Unendlich schwer wurde dem alten stolzen Manne ein solcher Verkauf; denn seit langen Zeiten waren seine ererbten Güter schon im Besitz seiner Familie gewesen, und sein höchster Wunsch war, dass sie dies sämtlich auch noch nach seinem Tode und auf ewige Zeiten bleiben möchten. Doch die Not gebot und er musste sich fügen. Sein Geschick verwünschend, verschwur er sich: wenn es ihm nicht gelingen sollte, sein veräußertes Gut noch vor seinem Tode wieder zurück zu kaufen, dann nicht eher verwesen zu wollen, bis dereinst einer seiner Nachkommen dies getan und also alle Güter wieder, wie sonst vereinigt, seiner Familie angehören würden.

Ob aber alle diese Güter ihm und seiner Familie so ganz von Gott und Rechtswegen zugehört hatten, ist wohl sehr die Frage. Denn wie unser Edelmann schon nicht der beste Mensch war — stolz und hart gegen seine Leute und habsüchtig und gottlos dabei —, so waren es seine Vorfahren erst recht nicht gewesen. Raubritter waren sie nämlich gewesen, die ihr Hab und Gut zusammengeraubt und gestohlen hatten. Deshalb ruhte auch nicht Gottes Segen auf dieser Familie und ihrem unrechtmäßig erworbenen Besitztum; denn dieselbe ist später ganz ausgestorben und ihre sämtlichen Güter, und damit auch ihr Hauptsitz Herzberg, sind nach und nach in andere Hände übergegangen.
Als der alte Edelmann wenige Wochen nach dem beregten unfreiwilligen Verkauf gestorben war, setzte man ihn in der Herzberger Kirche bei. Aber ob auch Jahre hiernach schwanden, so verging doch die Leiche nicht; obgleich auch selbst Jahrhunderte verstrichen und der Sarg verfiel und durch einen neuen ersetzt werden musste, so blieb doch die Leiche noch immer unverwest und unberührt vom Zahn der Alles vernichtenden Zeit. Sie war nur zusammengeschrumpft wie dürrer Zunder, sah auch so aus und war auch so leicht als solcher.

Und als wiederum zu Anfang dieses Jahrhunderts der Sarg vergangen war und die vertrocknete Leiche uneingeschlossen in der Kirche lag, da trieben die Leute allerlei Spott mit ihr. Öfter schwang sie sich auch ein Beherzter auf den Rücken und schleppte sie des Abends aus der Kirche fort, nach dem Kruge hin, setzte sie hier mit an den Tisch, hielt ihr zu trinken vor und dergleichen Ungebührlichkeiten mehr. Auch bei Hochzeiten, Erntebieren und ähnlichen Festen holte man häufig den wunderbaren Leichnam herbei, zeigte ihn den anwesenden Fremden und lachte und spottete darüber.

Der damalige Besitzer von Herzberg, ein Baron von Maltzan, machte endlich diesem Unwesen dadurch ein Ende, dass er den Leichnam wiederum einsargen und alsdann in die Erde versenken ließ.

Seit dieser Zeit ist nun aber das frühere Spuken im Herzberger Herrenhause noch viel arger als sonst geworden, ja es werden davon wahre Wunderdinge erzählt. Namentlich soll's besonders arg in einem Zimmer sein; es soll dort nämlich allnächtlich gewaltig poltern und toben, so dass Niemand es darin aushalten kann.

Um einmal der Sache auf den Grund zu kommen, und ihr möglichst ein Ende zu machen, begab sich vor noch gar nicht vielen Jahren eines Abends nach zehn Uhr ein Beherzter in dies Zimmer, nahm ein Paar geladene Pistolen und seinen wachsamen Hund mit sich und wartete so der Dinge, die da kommen würden. Und nicht lange sollte er darauf warten, denn plötzlich wird der Hund unruhig, fängt an zu heulen und verkriecht sich zwischen die Beine seines Herrn. Dieser greift nun nach seinen Pistolen; da wird's ganz hell im Zimmer und eine scheußliche Fratze ohne Körper grinst ihn an, dass er ohnmächtig zurücksinkt.

Als mehrere Jahre hiernach das Gut Herzberg in den Besitz eines andern Herrn gelangt war, hatte dieser einmal Besuch von seinem alten Vater, für welchen dies Zimmer zur Schlafstube hergerichtet worden war. Als sich nun der alte Herr am ersten Abend spät nach einer fröhlichen Gesellschaft hierher begeben und zur Ruhe gelegt hat, wird es plötzlich wieder ganz hell und ein kleiner Knirps kommt grinsend auf ihn zu. Auf die Frage, was er denn wolle, erwidert der Kleine nichts, sondern grinst den Alten nur unverwandt an. Diesem wird dies Spiel endlich über, er steht auf und kleidet sich an; der Kleine bleibt dabei immer dicht vor ihm und begleitet ihn auch die Treppe hinunter, wo er dann spurlos verschwindet. Der alte Herr reiste aber noch in derselben Nacht wieder ab.

Solche und noch viele ähnliche Geschichten werden von dem Herzberger Herrenhause erzählt, namentlich aber von dem beregten Zimmer, welches der Haupttummelplatz des Spukes zu sein scheint. Plötzliches Hellwerden dieses Gemaches, großes Gepolter, entsetzliches Stöhnen und Geschrei darin soll fast jede Nacht vorkommen.

Dass alle diese Spukereien von nichts Anderem als dem Geist des unverweslichen Edelmannes herrühren, der wegen seines bekannten Schwurs keine Ruhe im Grabe haben soll, daran zweifelt natürlich kein Mensch in Herzberg; sie alle versichern dies hingegen mit einer Beharrlichkeit, dass man beinahe selbst daran glauben möchte.