Der spukende Müller von Wendorf bei Brüel

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Wendorf, Mühle, Müller, Spuk, Aberglauben
Auf der Mühle zu Wendorf, eineinhalb Meile von Brüel entfernt, wohnte früher ein Müller, der war kein guter Mensch, und viele Sünden belasteten sein Gewissen.

Als er auf dem Totenbette lag, hatte er gerne noch etwas, was sein Herz besonders schwer drückte, den Seinigen gebeichtet; aber er konnte es nicht, und so starb er denn endlich, ohne seine Absicht erreicht zu haben.

Deshalb hatte nun auch nachher der Müller keine Ruhe im Grabe, und in der Mühle war's nach seinem Tode gar nicht mehr recht richtig. Oft knarrte und polterte es dort des Nachts so stark, dass der Geselle ganz erschreckt aus dem Bette fuhr; wenn er dann aber nachsuchte, war nichts zu finden, nichts zu hören oder zu sehen.

Bald aber schon merkte man es wohl, dass man es hier nicht mit etwas Irdischem, sondern mit nichts Anderem, als mit dem Geiste des abgeschiedenen Müllers zu tun habe.

Da baten denn die damaligen Besitzer der Mühle den Pastor, sie von diesem lästigen Geiste zu befreien.

Der Pastor kam auch sogleich, und es gelang ihm, den Geist in den Ofen zu beten.

Als der Geist also eingeschlossen war, ließ der Prediger einen Sack vor das Ofenrohr halten und ihn darin fangen. Gar kläglich bat nun der Gefangene, ihm zu seiner Beschäftigung doch etwas mitzugeben. Man steckte ein Pfund Wolle in den Sack, die er bei seinen Lebzeiten gerne gepflückt hatte, und trug ihn darauf nach dem Moore, das auf dem Wege von Weberin nach Jülchendorf liegt. Hier bannte man den Geist fest und wies ihm seinen steten Wohnsitz an.

                                    *****************

Noch heutigen Tages soll der Müller auf diesem seinem Verbannungsorte herumspuken und die dorthin kommenden Leute, namentlich des Nachts, belästigen und irre führen.

Hat sich aber Jemand in dem Holze verirrt, was häufig geschehen soll, so heißt es gleich von ihm: „Em hett woll de Wullplücker mööt't!"*)

*) „Ihn hat wohl der Wollpflücker gemötet – aufgehalten!“