Der räuberische Müller an der Jasnitz, einem Nebenflüsschen der Sude. Zwischen Ludwigslustt und Hagenow

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Von J. J. F. Giese zu Strohkirchen, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Ludwigslust, Hagenow, Räuber, Überfälle
Zu den magersten Feldmarken, in der Heide ebene des südlichen Mecklenburgs, gehört auch die des zwischen Ludwigslust und Hagenow, an der Berlin-Hamburger Eisenbahn gelegenen Dorfes Strohkirchen. Der Getreidebau auf derselben ist nicht nur ein sehr dürftiger, sondern es fehlen auch alle Mittel, denselben zu heben, indem auf dem ganzen Felde kein Spaten Lehm zu finden ist, und dieser sowohl, als auch der Mergel von den benachbarten Feldmarken geholt werden muss.

Darum ist es auch nicht zu bewundern, dass diese Feldmark, von welcher sich jetzt freilich über hundert Familien ernähren, noch in Erlen- und Birkenwaldung lag, als ringsumher schon blühende Dörfer empor gestiegen waren.

Nur fünf Familien*), welche später auch die ersten Bauern dieses Dorfes geworden sind, hatten sich in dieser fast undurchdringlichen Waldung angesiedelt und dieselbe an etlichen Stellen so viel gelichtet, dass sie die nötigen Nahrungsmittel zu gewinnen vermochten. Das Vieh aber trieb man in die Waldung hinein, wo es hinreichende Gräsung fand, und aus welcher es dann von selber zurück zu kehren pflegte.

Wenn die Ländereien dieser Ansiedler auch an fünf verschiedenen Stellen in der Hölzung lagen, so hatten sie doch ihre Hütten in der Nähe eines Baches so nah als möglich bei einander gebaut, damit sie nötigenfalls schnell einander zu Hilfe kommen konnten; denn die ganze Gegend um diese Waldung her wurde damals von einem berüchtigten, räuberischen Müller, Namens Strohkark, sehr beunruhigt.

Dieser Müller, dem Raub und Wegelagerei die einzige Nahrungsquelle war, und welcher die Müllerei nur als einen Mantel über sein eigentliches Tun und Treiben geworfen hatte, wohnte kaum tausend Schritte oberhalb der gedachten Hütten und an demselben Bache, woran diese lagen. Wusste der Müller auch, dass aus den Hütten nichts zu holen war, so musste er doch Verrat von dieser Seite her fürchten und darum darnach trachten, dieselben aus seiner Nähe zu entfernen; daher das Schutz- und Trutzbündnis der Hüttenbewohner.

*) Die Namen dieser ersten Familien, welche sich noch in den nach ihnen benannten „Kampen" — Feldschlägen — erhalten haben, waren: Vick, Böck, Zanner — Zander, — Koß und Graack; man nennt ihre ehemaligen Äcker noch jetzt „Vicken-Kamp"; „Zanners-Kamp" etc.

Allein letzteres erwies sich als unnötig; Strohkark ließ diese Leute ruhig wohnen. Vielleicht fürchtete er sie nicht, vielleicht hoffte er auch, sie mit in seine Bande zu ziehen. Überdies war er in seiner Mühle so wohl befestigt, dass kleine Haufen ihn nicht zu überwältigen vermochten, wenn er wirklich verraten werden sollte.

Das Haus des Müllers, an der damals noch viel bedeutenderen Jasnitz, — das ist der Name dieses Baches — war von großen Wällen umgeben, die auch heute noch nicht ganz verfallen sind, und wurde ganz von dem Wasser des Baches umflossen, wie solches jetzt noch an den Spuren eines aus der Jasnitz kommenden und wieder in dieselbe führenden Grabens zu sehen ist. Über diesen Graben führte eine Zugbrücke in die Wohnung des Räubers.

Zu dieser Befestigung standen dem Strohkark noch eine Stiege Arme seiner kampfgeübten Bande zu Gebot. Diese Bande war ihrem Hauptmann auf schnellen Pferden bei allen Raubzügen gefolgt und war auch bereit, wenn's sein sollte, Blut und Leben mit ihm zu lassen.

Schien ein Kampf ihm und seinen 10 Müllergesellen, — für welche sie in den Augen der Welt gelten mussten, obgleich er gar keine Mahlgäste hatte, — zu blutig werden zu wollen, so rief er zwei Unterhauptleute, jeden mit einer eben so starken Bande, als die seinige, zu Hilfe. Ein Stoß in ein Horn drang durch Dickicht und Heiden in das Ohr des einen Unterhauptmanns, der in der Jahnkenstädt bei Kuhstorf, in den Gewölben einer dort versunkenen Stadt die Befehle seines Herrn und Meisters erwartete und alle, durch wohlverstandene Signale erhaltenen Aufträge sorgfältig ausführte. Der Ton einer Pfeife aber brachte die Befehle zu den Ohren des andern Unterhauptmanns, welcher in der Saumburg, am Ufer der Sude bei Moraas, mit seinen Mannen versteckt lag. Dieser war einerseits ein ebenso bereitwilliger Diener seines Oberhauptmanns, wie er anderseits klug, tapfer, grausam und der Schrecken reisender Kaufleute und anderer reicher Leute, Unbemittelten aber ein gleichgültiger Nachbar oder Begleiter war.

Eine Bande von solcher Stärke und Güte vermochte schon etwas auszurichten. Sie brach in Wohnungen ein, die Festungen gleich waren, und widerstand bei solchen Gelegenheiten oft einem dreimal stärkeren Gegner. Glück machte unseren Strohkark kühner; er plünderte die damals noch zahlreicher in dieser Gegend vorhandenen Edelgüter und die Johanniter-Ordens-Komturei am Saume der Waldung. Ja er wagte es endlich schon, die nicht sehr entfernt liegenden Klöster, Zarrentin und Eldena, zu besuchen, und alle dort vorgefundenen Wertsachen mit sich fort zu führen. Da mussten denn auch goldene und silberne Kruzifixe, Kelche und Becken mit dieser rohen Horde in die Mühle an der Jasnitz wandern. Kaufmannsgewölbe wurden in den benachbarten Städten geleert, und der Raub in einen der drei benachbarten Schlupfwinkel gebracht.

Andere Genossen der Bande, die im Lande umher lagen, benachrichtigten den Hauptmann von großen Geldsendungen und den Transporten kostbarer Güter, von welchen sie Kunde bekommen hatten; und der ganze Trupp brach alsdann zu Pferde und wohlgerüstet dahin auf, und selten kam er unverrichteter Sache wieder heim.

Solche mit großer Kühnheit ausgeführten Raubzüge, die sich fast täglich wiederholten und wovon Kunde aus allen bedeutenderen Orten des südwestlichen Mecklenburgs einlief, musste die Polizei ernstlich besorgt machen und sie zwingen, die strengsten Maßregeln gegen den Räuber zu ergreifen. Aber wo sollte man ihn aufsuchen, man wusste weder seinen Aufenthalt, noch seinen Namen. Letzteren erfuhr man jedoch bald, als man erst wusste, dass die Mühle an der Jasnitz sein Aufenthalt war, was man dadurch erkundet hatte, indem man den Spuren seiner Pferde nachgefolgt war.

Mahlgäste hatten den Müller nie gehindert, und andere Leute waren auch nur äußerst selten nach seinem befestigten Wohnorte gekommen; es gab also nur sehr wenig Menschen, welche seine Feste kannten; unter denen aber, welche die Polizei dahin sandte, gab es solche gar nicht. Wie staunten daher diese Leute, als sie statt der gehofften verfallenen Mühle eine wohlbefestigte Burg vor sich sahen. Diese einzunehmen waren sie jetzt noch zu schwach, und sie mussten darum für diesmal wieder umkehren, um verstärkt die Belagerung beginnen zu können.

Strohkark, welcher durch auswärtige Genossen seiner Bande von Allem, was gegen ihn beschlossen wurde, Bericht erhielt, sah wohl, dass er einer solchen Macht nicht widerstehen konnte; deshalb suchte er durch alle erdenklichen Mittel seine Feinde zu täuschen. Auf Pferden, welchen die Hufeisen verkehrt untergelegt worden, war er auf die Burg geritten, um also seine Feinde zu täuschen. Als diese aber dennoch zur Belagerung herangerückt waren, suchte er sie durch seine
Banden, die ihm in den benachbarten Höhlen bei Kuhstorf und Moraas zu Gebote standen, im Rücken zu beunruhigen. Durch Streifzüge, die er durch eben diese Banden ausführen ließ, gelang es ihm endlich, seinen Feinden den Wahn einzuflößen, dass nicht er, sondern ein Anderer der gefährliche Räuber sei. Und so geschah es denn auch wirklich, dass die ihn belagernde Mannschaft für diesmal wieder abzog.

Aber „die Katze lässt das Mausen nicht", sagt ein Sprichwort, unserem Strohkark ging es eben so; denn auch er ließ das Rauben nicht.

Als man endlich die sichersten Beweise hatte, dass nur Strohkark und kein Anderer es sei, der die Dörfer plündere, die Reisenden überfalle und somit die ganze Gegend unsicher mache, da wurden von Seiten der Polizei die allerernstlichsten Anstalten zur Zerstörung des Raubnestes getroffen.

Jetzt sah der Müller, dass sowohl List als Gewalt vergeblich sein würde, und er entschloss sich daher, auf etliche Zeit seine Wohnung zu verlassen. Nachdem er alle zusammengeraubten Schätze wohlvergraben hatte, zog er mit der ihn umgebenden Mannschaft über die Elbe ins Sachsen-Lauenburgische hinein. Zuvor aber übergab er das wunderbare Horn dem Unterhauptmann in der Jahnkenstädt, und die Pfeife dem auf der Saumburg, und gebot beiden, sich bis zu seiner Zurückkunft ruhig zu verhalten, damit die Aufmerksamkeit der Polizei erst von ihnen abgewendet werde.

Als nach Strohkarks Abzug das zu seiner Gefangennehmung ausgesandte Heer anrückte, fand es, dass das Raubnest leer war und auch leer blieb, obgleich es Wochen, ja Monate hindurch davor lag. Und so wurden denn alle weiteren Verfolgungen einstweilen wieder eingestellt; und sie sind für immer eingestellt geblieben; denn der Müller ist nie wieder nach seiner Mühle zurückgekehrt, und Keiner weiß, wo und wie er abhanden gekommen.

Als so nun etliche Jahre verflossen und Strohkark noch immer nicht wieder zurückgekommen war, da glaubten sich seine Unterhauptleute ihres Versprechens, in Betreff des sich Ruhigverhaltens, entbunden, deshalb nahmen sie dann ihr altes Handwerk wieder auf und wurden gefürchtete Wegelagerer. Doch trieben sie ihre Räubereien nicht in dem Maße, wie sie ihr Hauptmann jahrelang getrieben hatte.

Allein bei aller Vorsicht kam auch die Reihe an sie; auch sie wurden endlich aus dem Neste gejagt. Der Bewohner der Saumburg musste der Gewalt unterliegen, samt seiner Bande, denn Alle fielen, kämpfend für ihre Herberge und ihre Schätze, unter den Hieben eines gegen sie ausgerückten, vielfach stärkeren Haufens der durch sie so oft beunruhigten Landbewohner. Ein kleiner Teil dieser Bande, welcher in dem nahen Mörderberg versteckt lag, blieb zwar für diesmal noch verschont, wurde aber auch, nicht lange nach dem Falle der Saumburg, bei einem Einbruch ertappt und von den Landleuten mit Forken und Sensen niedergemacht.

Der Bewohner der Jahnkenstädt aber wurde durch ein Mädchen verraten, welches er mit sich in seine Höhle genommen und zu seiner Frau gemacht hatte. Dieselbe traf nämlich einmal zufällig auf einer durch vieles Bitten errungenen Stadtreise mit ihrem Bruder zusammen und versprach demselben, ihm den Weg nach ihrem jetzigen Aufenthalte durch Streuen von Erbsen zu zeigen, da sie, Kraft eines Eides, nichts darüber erzählen durfte. Freilich hatte der Wind die Erbsen bald mit Sand bedeckt, dass sie nicht zu finden waren, aber sie keimten nach einem Regen aus, und das grüngewordene Kraut derselben zeigte die Fährte, welche der Wind zuerst verweht hatte. —

Also gelang es auch, die Höhle dieses Räubers aufzufinden und zu zerstören, wiewohl mit einem Verluste von zwei Menschenleben; denn zwei Jäger, welche zuerst in die Höhle gedrungen, waren von dem Dolche des Räubers durchbohrt worden. Übrigens war der Anhang dieses Banditen sehr zusammen geschmolzen; die wenigen Leute, welche ihm noch zur Verfügung standen, waren in dem Augenblick der Einnahme der Höhle gerade abwesend, wurden aber später, als sie sorglos in dieselbe zurückkehren wollten, gebunden und nach Hagenow abgeführt.

Beim Durchsuchen dieser Höhle fand man auch das so wundersam stark tönende Horn und die Pfeife, vermittelst welcher die Räuber sich in ihrer Glanzperiode zwischen Jahnkenstädt, Saumburg und Strohkark Zeichen gegeben und so in stetem Verkehr mit einander gelebt hatten.

Die Mühle Strohkurks verfiel, da sie hinfort Niemand bewohnte, immer mehr, bis sie zuletzt der Erde fast gleich geworden ist.

Fuhrmann in der Hansezeit

Fuhrmann in der Hansezeit

Jäger in der Hansezeit

Jäger in der Hansezeit

Kriegsmann mit Beute beladen

Kriegsmann mit Beute beladen

Angriff auf eine Burg

Angriff auf eine Burg