Der heilige Brunnen bei Pyritz.

Aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen
Autor: Gesammelt von Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1840

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Pyritz, Rügen, Pommern,
Vor der Stadt Pyritz befindet sich eine Quelle, welche den Namen des heiligen Brunnens führt. Aus dieser Quelle hat der Heilige Otto die Pommern zu Pyritz getauft. Nachdem nämlich, wie oben erzählt, der Römische Bischof Bernhard von den Julinern verjagt war, beschloss der Bischof Otto von Bamberg, ein kluger und heiliger Mann, die abgöttischen Pommern zum Christentume zu bekehren. Es war nach Christi unseres Herrn Geburt im Jahre Eintausend einhundert vier und zwanzig, unter dem Papste Calixtus und dem Kaiser Heinrich dem Fünften, als er mit vielen Begleitern, denn er wollte nicht armselig erscheinen wie Bernhardus, nach dem Lande zu Pommern zog. Er begab sich zuerst zu dem Pommerschen Herzoge Wartislav, der schon ein Christ war. Derselbe empfing ihn freundlich, und gab ihm auch seinen Feldobersten Paulitius mit mehrerem Gefolge mit, dass sie ihn unterstützen sollten, wenn die Pommern es sich möchten einfallen lassen, ihn ungebührlich zu behandeln. Also zog Sankt Otto weiter und kam zuerst gegen Abend nach Pyritz: allda waren an viertausend Menschen versammelt, die ein heidnisches Fest feierten. Als das der Bischof hörte, blieb er die Nacht draußen und zog erst am anderen Morgen zu den Leuten. Denen hielt er dann eine große und freundliche Anrede, sie beredend, dass sie ihre Götter verlassen und den wahren und einzigen Gott verehren sollten; der Oberst und die Räte des Herzogs unterstützten ihn. Da geschah es denn wunderbarer Weise durch die Gnade Gottes, dass alle das versammelte Volk sogleich bereit war, sich taufen zu lassen und Christen zu werden. Darauf säumte der Bischof Otto auch nicht, und er begab sich schleunig an sein heiliges Werk. Dies tat er auf folgende Weise: Zuerst unterrichtete er, mit Hilfe seiner Mitpriester, das Volk sieben Tage lang, und ließ sie die Worte im kleinen Katechismus auswendig lernen. Danach legte er ihnen auf, drei Tage lang zu fasten. Wann sie so gefastet, dann mussten sie baden und reine Kleider anziehen, also dass sie nicht nur mit reinem Herzen, sondern auch mit sauberem Leibe zur Taufe gehen möchten. Dann ließ er sie ihren Katechismus aufsagen und sie beten. Unterdes hatte er drei Taufen zurichten lassen, eine jede besonders, nämlich eine für die Männer, die andere für die Frauen und Jungfrauen, und die dritte für die Knaben.

Dieselben Taufen ließ er mit Teppichen umhangen, damit man nichts Unhöfliches sehen konnte. Also tauften die anderen Priester die Männer und Frauen; er selbst aber taufte die Knaben, damit sie desto länger und fester das Christentum in ihrem Herzen behalten sollten.

So taufte er in zwanzig Tagen über 7.000 Menschen, die von allen Seiten gen Pyritz kamen, um von dem frommen Manne das Wort des wahren Gottes zu empfangen. Die Quelle, an der er die Taufzelte errichtet hatte, und ans welcher das Wasser in die Taufwannen geschüttet wurde, hat von der Zeit an den Namen des heiligen oder auch des Otto-Brunnens bekommen, den sie noch bis auf den heutigen Tag führt.

Man sagt, dass in jener Gegend damals kein Wasser zum Taufen war. Da nahm der heilige Mann seinen Bischofsstab, und stieß damit in die Erde, und augenblicklich entstand diese heilige Quelle.

Sie ist seit dem Jahre 1824 durch die Huld des frommen Königs Friedrich Wilhelms III. würdig erneuert worden. Sie ist jetzt mit behauenem Granit eingefriedigt, und bequeme Stufen führen zu ihr hinab; ein großes, granitenes Kreuz erhebt sich über ihr, mit einer passenden frommen Inschrift. Nicht weit von ihr, nächst der Landstraße von Pyritz nach Arnswalde, ist ein Gebäude, wie eine Abtei, errichtet, als Seminar für Landschullehrer, und den Namen Ottostift führend.

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Kanngießer, Gesch. von Pommern, S. 568-580
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 148.
Cramer, Große Pomm. Kirchen-Chronik, I. S. 27. 28
Berliner Kalender für 1838, S. 357. 358,
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Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller

Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller