Der gottlose Fischer von Waren

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Waren, Müritz, Fischer,
In Waren lebte einst ein Fischer, ein recht schlechter, gottvergessener Kerl. Aus Habsucht hatte er sich eine bucklige, schwächliche Person zum Weibe genommen, weil sie ein hübsches Vermögen besaß. Gerne wäre er sie nun gleich wieder los gewesen, um sich ungehindert ihres Geldes erfreuen zu können, das sie ihm schon vor der Hochzeit hatte verschreiben lassen müssen; deshalb behandelte er das unglückliche Geschöpf auch fürchterlich schlecht und stieß und prügelte sie alle Tage, hoffend, der Tod werde ihn so desto früher von ihr befreien. Dabei sang sein Lästermund fast fortwährend, wo er ging und stand:

      „Ein Kreuz, ein Leid, ein bucklig Weib
      Hat mir der Herr gegeben.
      Nimm's Kreuz von mir, nimm's Weib zu Dir,
      Dann kann ich ruhig leben."

Als er eines Tages auf die Müritz hinaus zum Fischen fuhr, dort bei Sturm und hohem Wellenschlag wiederum sein Lieblingslied anstimmte und dabei weidlich auf Gott schimpfte, dass Er seinen Wunsch noch immer nicht erfüllen wolle, da ereilte den Spötter und Frevler endlich des Höchsten strafender Arm. Ein Wirbelwind erhob sich, warf den Kahn um und stürzte den Fischer tief hinab in die brausenden Fluten, wo er sein schmähliches Ende fand.

Nicht also der Fischer sollte sich seines Weibes Tod, sondern umgekehrt, diese sollte sich des seinen freuen; denn sie lebte noch lange Jahre hiernach in Ruhe und Frieden, dessen sie sich an der Seite ihres rohen, gottlosen Gatten nie zu erfreuen gehabt hatte.