Der eidbrüchige Handwerksbursche von Parchim - 4. Die unerwartete Kunde.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 1
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1858
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage,
Viele Jahre sind vergangen; aus dem blassen Jünglinge war ein hübscher und kräftiger Mann geworden. Schon manche Stadt hatte Fritz gesehen, schon vieler Herren Länder durchwandert und allenthalben, wo er in Arbeit gestanden, sich durch Fleiß und Solidität die Achtung und Liebe seiner Meister erworben. Wenn auch gerade wohl keine Schätze, so hatte er doch immer soviel verdient und erübrigt, um sich ordentlich und anständig kleiden zu können, und war es dann Sonntag oder sonst ein Feiertag und Fritz ging aus, so sah man es ihm kaum an, dass er nur ein schlichter mecklenburgischer Schuhmachergeselle sei.

Da kam, — Fritz arbeitete gerade im Böhmerlande, — eines Tages ein großer Brief, mit einem mächtigen Wachssiegel, für ihn an. Ganz verwundert, einen solchen zu bekommen, besieht er das Dings von allen Seiten, ehe er es wagt zu öffnen. Wohl zehnmal liest er die Aufschrift; es war richtig, sie lautete an ihn. Jetzt buchstabiert er auch bei dem Namen des Poststempels, Parchim kommt heraus! Wie ein Blitz fährt es ihm durch die Seele. „Aus meiner Heimat!" ruft er aus, „ich habe ja keine Seele dort; — meine Eltern sind tot; was kann das bedeuten!" „Aber so öffnen Sie doch und lesen!" sprach der nicht weit von ihm sitzende, schon ganz neugierig gewordene Meister. Fritz öffnet endlich und liest, doch bald entsinkt das Papier seinen Händen. Der Rat der Stadt Parchim zeigte dem Fritz darin an, dass sein Onkel plötzlich und ohne Testament verstorben. Da derselbe keine weiteren legitimen Erben als ihn hinterlassen, so sei er, nach mecklenburgischen Erbgesetzen, alleiniger Erbe des ganzen, nicht unbedeutenden Vermögens des Verstorbenen. Um nun aber sicher feine Identität feststellen zu können, sei es nötig, vor Ablauf zweier Jahre sich persönlich sub poena praeclusionis (bei Strafe der Ausschließung) vor dem hohen Rate der Vaterstadt zu gestellen.

Unvermutet und schnell, vom Schlagfluss plötzlich getroffen, war der Onkel verschieden; sein hinterlassenes Vermögen betrug mehrere Tausend Thaler, nach damaligem Geldwerte eine sehr bedeutende Summe, ein wahrer Krösus-Reichtum.

Mecklenburgs Volkssagen - Band 1

Mecklenburgs Volkssagen - Band 1

Parchim, Rathaus

Parchim, Rathaus

Parchim, St. Georgen-Kirche

Parchim, St. Georgen-Kirche

Parchim, Wasserberg

Parchim, Wasserberg

Parchim, Wockertal

Parchim, Wockertal

Parchim, zur Markower Mühle

Parchim, zur Markower Mühle