Der eherne Wächter am Rhein.

Die Gartenlaube, illustriertes Familienblatt.
Autor: F. H., Erscheinungsjahr: 1863
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Das deutsche Volk nannte den Alten, dessen Denkmalmodell wir unseren Lesern hier vorzeigen, den „Vater Arndt“. Und in der Tat haben selbst Männer dem grauen Patrioten gegenüber des Gefühls der Ehrfurcht, welche das Kind gegen den Vater erfüllt, nie ganz sich erwehren können, und dies sogar in den kritischen Augenblicken nicht, wo der alte Kämpe, seinem berühmtesten Worte untreu geworden, der tapfersten Partei des deutschen Parlaments den Rücken zuwandte. Selbst diejenigen, die damals seine politischen Gegner wurden, taten es nicht aus Hohn, sie taten es mit bitterer Wehmut, wenn sie ihm sein eigenes Lied sangen: „Das ganze Deutschland soll es sein!“ So tief in allen Herzen lebte die Pietät gegen den greisen Mann, daß ihn kein Undank betrübte, wie scharf auch sonst die Waffen der Parteien sind und wie rücksichtslos sie allezeit geführt werden.

Dieser Pietät muss das Denkmal entsprechen, das die deutsche Nation ihrem „Vater Arndt“ errichten will.

Wir Alle wissen, daß die Bedeutung der Denkmäler eine ganz andere ist, seitdem das Volk sie seinen Männern setzt. Das Volk treibt damit keine Spielerei des Luxus, es zieht nicht die edle Kunst in den Dienst der Eitelkeit und Prunksucht, es ist ihm ein Herzensbedürfnis, ein öffentliches Zeugnis auszustellen der Dankbarkeit, die es einem Manne schuldet, der sein Wohltäter, der sein Stolz, der sein Liebling ist.

Kalt geht das Volk an den Ruhmessäulen, an den bronzenen Monumenten vorüber, welche einzelne Herrscher sich und ihren Lieblingen errichtet haben. Denn wie sie selbst waren, so diente ihnen die Kunst: der Unnatur schuf sie Unnatur, die geckenhafte Selbstvergötterung strafte sie mit Verewigung ihrer widerlichen Gestalt. Da stehen sie, die unnahbaren Herrschaften, da sitzen sie, bald hoch zu Ross, bald in Triumphwagen, bald auf Thronen, wie einst im Leben, ohne Blick für das sie umgebende Volk, da paradieren sie mit dem römischen Kleide unter dem französischen Perückenungetüm - und wie sie im Leben, aus Verachtung gegen Das, was sie Volk nannten, in der Regel keinem Lande, am wenigsten ihrem eigenen, anzugehören sich erniedrigen wollten, so gehören sie auch noch heute keinem an: sie bleiben ewig und überall Fremdlinge auf ihren umgitterten Postamenten.

Wie anders ist der Dienst und der Triumph der Kunst geworden, seitdem sie vor den Augen und für das Herz des Volks nur die Wahrheit darzustellen hat! Das volle Bild des Lebens ragt in Erz und Stein vor uns auf, vor uns stehen unsere großen Todten mit dem Gesamtausdruck ihres Wirkens, ihres Denkens und Thuns, wir sehen sie, wie sie waren in ihrem ganzen herrlichen Wesen, und wir wissen, was wir verehren sollen beim Aufschauen zu ihrer verewigten Gestalt. Das ist die neue Bedeutung der monumentalen Plastik im Dienste der Nation, daß unsere Männer vor dem Volke ewig das bleiben, was sie waren: seine Vorbilder für alles Edle, Große, Schöne zur Ehre des Vaterlandes!

Und so will das deutsche Volk auch zu seinem „Vater Arndt“ hinaufblicken: es will ihn sehen, wie er war in seinem ganzen herrlichen Wesen! - Man hat nun zu prüfen, ob Affinger, der Meister dieses Modells, es verstanden, uns unsern Arndt nach des Volkes Wunsch zu verewigen; ob er vor uns steht als Das, was er war: als Lehrer und Mahner, als das „deutsche Gewissen“, als der rechte eherne Wächter am Rhein.

So viel wir wissen, ist das Affinger’sche das erste Modell, welches dem Denkmal-Comité zur Prüfung vorliegt. Um so mehr ist zu wünschen, daß die Kunstkritik sich möglichst offen und ehrlich darüber ausspreche. Man muss sich die Statue nach Westen gerichtet denken, dann wird der Grundgedanke für die Affinger’sche Darstellung klar. Der „Vater Arndt“ stützt sich mit der Linken auf einen das Deutschtum bedeutenden Eichstamm, während er die Rechte abwehrend gegen Frankreich ausstreckt.

F. H.