Der Taufstein

Aus: Mecklenburgische Sagen
Autor: Studemund, Friedrich (1784-1857) Pastor an der Nikolaikirche in Schwerin, Erscheinungsjahr: 1848
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Sagen, Bischof Berno von Schwerin, Taufe, Christentum, Taufstein, Wendentaufe, Mittelalter
Aufgerichtet stand das heil'ge Becken,
Da, wo er, der hochbegabte Mann,
Proves Dienern zum Verdruss und Schrecken,
Tausende dem Gottesreich gewann,
Wie ein Friedenszeichen freundlich mahnend
Jeden, der von ihm das heil'ge Bad,
Höh're Weihe, Himmelsgüter ahnend,
Gläubig nahend, dort empfangen hat.

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Und es kommen aus der Näh' und Ferne,
Wie zum Tempel sonst im Götzenhain,
Freudig folgend einem Liebessterne,
Bernos Jünger nun zum heil'gen Stein.
An den hellen Auferstehungstagen
Der Natur sieht man in Scharen zieh’n
Alle, die den Christen-Namen tragen,
Nach dem stillen Ort der Taufe hin.

Und es stimmt die gläubige Gemeine
Psalmen dann zum Preise Gottes an,
Und gelobt im herzlichen Vereine,
Fortzuwandeln auf der Tugend Bahn;
Gute Werke sieht man freudig üben,
Tränen trocknen und die Schuld verzeihn’;
Die sich hassten, lernen hier sich lieben,
Die sich liebten, ihre Lieb’ erneu’n.

So gedeih’t der ausgestreute Same,
Ohne Pflege fast, durch eigne Kraft,
Aber denen zum Verdruss und Grame,
Die beraubt sich seh’n der alten Macht;
Deren Tempel nun verödet stehen,
Deren Haine kein Gesang belebt,
Die nickt mehr die reichen Opfer sehen,
Deren Ruhm kein Irrwahn mehr erhebt.

So wie die zertret’ne, gift’ge Schlange
Tausendmal sich aufzurichten strebt,
Und gereizt vom alten Zornesdrange
Immer noch zum Bisse sich erhebt,
Bis die eigne Wut das eitle Toben
Blinder Kraft gelähmt, zerstöret hat; —
So auch sieht die Heiden man erhoben
Insgeheim zu kühner Freveltat.

Fallen soll es, das verhasste Zeichen
Jener Taufe, das am Ufer dort,
Frisch umblüht von duftenden Gesträuchen,
Bernos Jünger einet fort und fort.
Jene Wellen sollen es begraben,
Die gedient des Christen-Priesters Hand,
Nur wenn sie den Stein verschlungen haben,
Weicht der Götter Zorn vom Vaterland.

Solche Botschaft wird ringsum verkündet
Allen Wenden, die vor’m Kreuze sich
Nicht gebeugt, und jeder Heide findet
Mut zur Tat, es rüsten alle sich.
An des ersten Neumonds Opfertage
Soll das große Fest der Sühnung sein,
Fallen soll alsdann des Landes Plage,
Sinken jenes Christen-Priesters Stein.

Und kaum ist der Schreckenstag erschienen,
Kaum der blut’ge Opferdienst vollbracht,
Als der Priesterfürst mit ernsten Mienen,
Im Gepränge seiner alten Macht,
Die Getreuen ruft zum ernsten Gange,
Und umringt von Streitern kühn und wild,
Wilder noch vom Christenhass, der lange
Ihre Brust mit Mordlust angefüllt; —

Still der Zug beginnt zum heil’gen Male
Durch die Wildnis, über Berg und Tal,
So dass mit dem ersten Sonnenstrahle
War vollbracht der list’ge Überfall.
Über frommer Mönche blut’ge Leichen
Dringt die wilde Schar zum Bernostein,
Stürzt das heilige Erinn’rungszeichen,
Und senkt jubelnd es in’s Meer hinein.

Da lag lange es in dunkler Stille,
Wie ein Zeuge in des Kerkers Nacht,
Bis des Himmels unerforschter Wille
Wiederum den Stein ans Licht gebracht;
Fischer-Hände hoben ihn zu Tage,
Diesen Bürgen aus der Väter Zeit,
Zu bekräftigen die alte Sage,
Die der Vorzeit heil’gen Gruß uns beut.

Bischof Berno, Glasmalerei in der Propsteikirche St. Anna in Schwerin

Bischof Berno, Glasmalerei in der Propsteikirche St. Anna in Schwerin