Der Spuk und die unverlöschlichen Blutflecken im alten Müllerhause auf der Scham bei Röbel

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Franzosenzeit, Röbel,
Als zu Ende der Franzosenzeit die Trümmer der geschlagenen Armeen des fremden Unterdrückers, in größeren und kleineren Scharen, fliehend ganz Deutschland überschwemmten, da kam eines Abends auch ein solcher Trupp, sogenannte französische Marodeurs, ganz erschöpft im alten Müllerhause der Schamp bei Röbel an und verlangte halb bittend, halb drohend Aufnahme und Essen und Trinken; was ihnen auch Alles gewährt wurde.

Als sich die Flüchtlinge ihres Gepäcks und ihrer Waffen entledigt und durch Speise und Trank gestärkt hatten, streckten sie sich möglichst bequem auf Stühlen und Bänken in der warmen Stube aus und gaben sich, todmüde vom langen Marsche und den vielen ausgestandenen Strapazen, arglos der Ruhe hin. Kaum waren sie jedoch eingeschlafen, da schlich auch schon eine Schar Männer, die draußen vor den Fenstern hierauf gewartet hatten, mit Äxten, Beilen, graden Sensen, Messern und Knitteln bewaffnet, in das Haus, um die nichts Böses ahnenden Franzosen meuchlings zu überfallen, sie zu morden und darnach zu berauben.

Und so abscheulich auch ihr Vorhaben war, es gelang doch vollkommen. Ohne die Schläfer zu erwecken, hatte man sich ihrer abgelegten Waffen bemächtigt; wie gierige Tiger stürzten sich damit die Raubmörder auf ihre wehrlosen Schlachtopfer und die grässlichste Metzelei begann.

Die Unglücklichen baten flehentlich um Schonung ihres Lebens, aber umsonst unbarmherzig stach man sie nieder und schleppte sie noch zuckend und todesröchelnd aus dem Hause nach einer hierzu schon bereit gehaltenen Grube, stieß sie kopfüber hinein, warf schnell Erde über sie und trat sie mit den Füßen fest. Aber einige der Verscharrten lebten noch immer, man hörte sie deutlich in der Erde ächzen und wimmern, ja es streckten sich im fürchterlichsten Todeskampfe die Arme, Hände und Beine Einzelner durch die sie bedeckende lockere Erdschicht aus der Grube empor. Und die Unholde stießen mit ihren scharfen Spaten darnach und hackten sie also von den Körpern ab.

Hiernach in das Haus zurückgekehrt, um die ziemlich bedeutenden Schätze der eben Verscharrten zu teilen, bemerkten die Raubmörder plötzlich, wie noch Einer übrig geblieben und der allgemeinen Metzelei entgangen war. Dieser Arme hatte nämlich einen günstigen Augenblick benutzt und war unbemerkt auf den großen Steinofen in der Stube gekrochen, wo er sich nun aus manchen schon erhaltenen Wunden blutend und halb tot von Angst und Erschöpfung zu verbergen suchte. Aus seinem Verstecke hervorgezogen, flehte auch er vergeblich um sein nacktes Leben. Vergebens schilderte er den bluttriefenden Mördern seiner Landsleute, wie er daheim ein liebes Weib und kleine, unversorgte Kinder habe; aber nichts half, nichts vermochte die Unmenschen zu erweichen; auch er sollte, er musste auf jeden Fall sterben, sahen sie in ihm doch den letzten Zeugen ihrer Untat, der sie vielleicht gar bei der weltlichen Obrigkeit anklagen konnte.

Und die Ungeheuer stießen auch ihm ihre Mordinstrumente in den Leib, dass das rote Blut hoch gegen die weiße Kalkwand des Zimmers spritzte und sie schaurig damit färbte.
Gottes Fluch über seine grausamen Mörder herniederrufend — der sie auch später alle getroffen — gab der Arme, aus unzähligen Wunden blutend, seinen Geist auf.

Und was für Leute waren diese Scheusale, diese Unmenschen? wird der liebe Leser fragen. Meistenteils waren es friedliche Bürger aus Röbel, deren Habgier sie zu solchen Ungeheuern machte. Man wird staunen und zweifeln, und doch war es leider so.

Aber das geraubte Gut hat den Mördern keinen Segen gebracht; denn sind sie auch wohl menschlicher Strafe entgangen, sind sie auch nie vom Gericht dieserhalb vorgeladen und angetastet worden, so konnten sie doch Gottes Strafe nimmer entrinnen. Schon in dieser Welt haben sie einen Teil ihres gerechten Lohnes empfangen. Mehrere von ihnen sind eines gewaltsamen Todes gestorben, alle aber haben ein schreckliches Ende genommen und sind größtenteils in bitterster Armut, nach schweren harten Kämpfen, von dieser Welt geschieden. Die Wenigen, die ihren Kindern etwas Vermögen hinterlassen, denen hat es kein Glück gebracht, denn der Herr spricht: „Ich will's rächen bis ins dritte und vierte Glied!" Den grässlichsten Tod aber hat der Anführer dieser Raubmörder — der kein Röbeler war, sondern auswärts wohnte — genommen. Mein seeliger braver Vater, der nun auch schon über 26 Jahre bei Gott dem Herrn ist und Pastor an der altstädter Kirche zu Röbel war, hat häufig mit Schaudern hiervon meiner Mutter und meinen älteren Geschwistern erzählt. Wie oft er während des langen Sterbens des alten Sünders zu ihm gerufen worden sei; wie ihm derselbe immer etwas hat beichten wollen, wie er es dann aber immer nicht gekonnt; wie schrecklich er, von Gewissensbissen gepeinigt, sich auf seinem Lager gekrümmt; wie markdurchdringend er geächzt und geschrieen; wie er tagelang im Sterben gelegen, fortwährend mit dem Tode gekämpft und gerungen und doch noch immer nicht habe sterben können und wie grässlich dann endlich sein Ende gewesen sei etc. Doch genug hiervon.

Von ihren Mitmenschen schon bei Lebzeiten ob ihrer entsetzlichen Tat gebrandmarkt, gemieden und mit Fingern auf sie gewiesen, werden auch heute noch, nachdem die Raubmörder längst alle schon im Grabe ruhen, ihre Namen mit Abscheu in Röbel genannt, die ich natürlich, aus Rücksicht gegen ihre Nachkommen, verschweige.

Seit dieser entsetzlichen Menschenschlächterei ist's nun — nach Aussage vieler Leute — immer nicht geheuer im alten unheimlichen Schamper Müllerhause gewesen; es hat dort oft ganz gewaltig gespukt und allerei Geister haben in und vor dem Hause ihr schauerlich Wesen getrieben. Die Blutflecken an der einen Wand von dem zuletzt ermordeten Franzosen sollen, trotz alles Abkratzens und Übertünchens, nicht zu entfernen gewesen und immer wieder zum Vorschein gekommen sein, weshalb die späteren Besitzer zur Verdeckung dieser grausigen Erinnerungszeichen immer einen großen Schrank davor gesetzt haben.

Als später das alte Müllerhaus auf der Schamp abbrannte, da wurde es nicht wieder auf seiner alten Stelle aufgebaut, sondern eine ganze Strecke davon ab, da wo es jetzt steht, an der inzwischen entstandenen, von Röbel nach Waren und Malchow führenden Chaussee.

Kosaken überfallen einen Verwundetentransport.

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Französiche Soldaten.

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Die Große Armee auf dem Rückzug.

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Napoleon Bonaparte I. Kaiser der Franzosen 1769-1821.

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Schlacht an der Moskwa bei Borodino am 7. September 1812.

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Das Handwerkszeug eines französischen Soldaten.

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Bei Borodino 7. September 1812

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Napoleon in Angesicht Moskaus im Jahre 1812

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Die Franzosen auf dem Rückmarsch 1813

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