Der Rosenmühlenberg bei Pritzier unweit Hagenow.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Von L. Kreutzer zu Parchim, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Hagenow, Pritzier, Vellahn, Hamburger Chaussee, Rosenmühlenberg, Boitzenburg,
Ein Viertelstündlein von Pritzier liegt zwischen Pretzier und Vellahn, hart an der Hamburger Chaussee, ein Hügel, der Rosenmühlenberg. Grüne Laubdächer herrlicher Buchen krönen seinen Scheitel, der silberhelle Faden eines plätschernden Baches umsäumt einen Teil seines Fußes, und wer im Genusse der Natur nur nicht ein allzugroßer Feinschmecker ist, der wird es dort, namentlich im Frühlinge, immer ganz anmutig finden.

Dessen ungeachtet würde sich Dieser und Jener doch gewaltig bedenken, ehe er in später Abendstunde, oder gar dunkler Mitternacht einen Gang auf den Rosenmühlenberg wagte. Denn die Nacht ist Niemandes Freund, und alle Stunden sind nicht gleich — und auf dem Rosenmühlenberge erst recht nicht.

Als es noch keine Hamburger Chaussee gab und die Bauern zu Pritzier noch nicht ausgebaut waren, da fuhr einer derselben einst in grauer Morgendämmerung nach Boitzenburg. Am Fuße des Rosenmühlenberges hielt er an, um in dem Bache seine Pferde zu tränken, während er selbst arglos und nachlässig auf dem Sattel hing und so allerlei Gedanken hatte über dies und das und wie es doch kommen müsste, wenn es so oder so käme.

Da tobt und tost es in den Buchen auf dem Berge, und in den dunklen Laubkronen saust und braust es, und ein riesiger Feuerklumpen kollert unter Heulen und Zischen vom Berge, dicht vor den Köpfen der erschrockenen Rosse vorüber, und stürzt sich kopfüber in einen davon etwas entfernt liegenden Teich.

Zu späteren Zeiten stand einmal ein Mann aus Pritzier in dunkler Abendstunde auf der Chaussee, am Fuße des genannten Berges, und betrachtete mit Angst und Graus die vielen Irrlichter in jenem Teiche und in dem sumpfigen Boden, nicht weit von dem Ufer des Teiches, von denen er wusste, dass sie, wie ja auch allmänniglich bekannt ist, Seelen verstorbener Missetäter sind. Und wie er so dasteht und sich auf seinen Stock hintenüberlehnt und seinen Gedanken nachhängt, kommt ein Mann in grauer Kleidung — in der Tracht eines Müllers — vom Berge und schlüpft lautlos an ihm vorüber. Er denkt sich nichts Arges bei der Erscheinung, auch nicht, als er das erdfahle Antlitz des Grauen erblickt und wünscht ihm freundlich einen guten Abend. Dieser aber lässt den Gruß unbeantwortet und wandert dem oben genannten Teiche zu. Verwundert schaut unser Mann dem späten Wanderer nach, der aber urplötzlich verschwunden ist.

Da wird dem Pritzierschen so unheimlich ums Herz, und es flimmert ihm vor den Augen, und es übergießt ihn eiskalt, so dass er nur mit Anstrengung sich aufrecht erhalten kann. Kaum besinnt er sich etwas, so eilt er in mächtigen Sprüngen dem schützenden Dache zu.

Und es war die höchste Zeit, dass er in aller Eile sich aus dem Staube machte; denn ein gewaltig großer Irrwisch wackelte daher und suchte den Geängstigten zu erreichen. Etwa auf der Hälfte des Weges versuchte er es noch einmal, seinen Lauf zu mäßigen. Aber wie er sich umschaute, da war das Untier ihm dicht auf den Fersen. Mit aufgehobenen Rockschößen ging's jetzt dem Dorfe zu, und totbleichen Antlitzes kam atemlos der arme Gejagte in dem Kreis seiner Familie an. Nur seiner kräftigen Natur hatte er's zu danken, dass er von den Folgen der Angst verschont blieb.

Und diese beiden Erscheinungen, der rollende Feuerklumpen und der Müller mit dem erdfahlen Gesichte, haben schon manchen nächtlichen Wanderer erschreckt, namentlich wenn der Müller, wie ihn Manche gesehen haben, mit blutigen Händen erschien.

Über die Entstehung des Spukes erzählt die Sage Folgendes:

Am Fuße des Rosenmühlenberges hauste in alten Zeiten ein Müller, der hieß Rose. Trotz seines schönen Namens stand er dennoch bei Alt und Jung im üblen Geruch, denn alle Welt hielt ihn für einen Geizhals und Mehldieb schlimmster Art. Seine Mühle wurde durch das Bächlein am Fuße des Berges in Bewegung gesetzt und wurde nach dem Namen des Besitzers Rosenmühle und der Berg Rosenmühlenberg genannt. Die Mahlgäste wollten behaupten, dass das Klappern der Mühle nicht wie: „Klipp, klapp", sondern wie: „Halw Part, halw Part!"*) anzuhören sei; denn also laute des Müllers Wahlspruch, wenn es ans Beuteln und Metzen gehe, worauf der Müller sich meisterhaft verstehe.

*) „Halb Teil, halb Teil!“

Dennoch war der Müller mit dem Ertrage der Mühle höchst unzufrieden und meinte: wenn er ein anderes Gewerbe ergreifen könne, das sei doch gut.

Endlich glaubte er das Rechte gefunden zu haben. Er legte nämlich eine Herberge für die vorüberziehenden Reisenden an, und weil eben die Mühle dicht an der Bandstraße lag, so konnte es an Zuspruch nicht fehlen.

Da mehrte sich denn sein Reichtum sichtlich, und das Gesinde hörte in des Müllers Schlafkammer das Geräusch des Geldzählens weit öfter als früher. Allein auch etwas Anderes hörten sie. In stiller Mitternacht geschah es dann und wann, dass plötzlich ein jäher Schrei die Mühle durchhallte, oder sich in derselben ein dumpfes Röcheln, wie das Todesröcheln eines Menschen, hören ließ. Andere wollten den Müller mit einem schweren Sack aus der Mühle schleichen und dem Teiche zueilen gesehen haben. Und als endlich Einige bemerkt haben wollten, dass weit mehr Reisende in die Mühle eintraten als zurückkehrten, da hieß es, der Müller sei ein Räuber und Mörder, der seine Gäste heimlich Morde und ausplündere.

Und so ist es gewesen. Denn als der Müller längst sein falsches Leben ausgehaucht hatte und die Mühle bis auf wenige Pfähle verschwunden war, da fand man in der Nähe jenes Teiches menschliche Gerippe, wahrscheinlich die Überreste der in der Mühle Gemordeten.

Ob der Müller der irdischen Strafe entgangen ist, oder nicht, davon schweigt die Sage; aber sein Geist hat bis jetzt keine Ruhe im Grabe gefunden und erschreckt bald den nächtlichen Wanderer in Gestalt jenes Feuerklumpens, oder in der Gestalt jenes Müllers mit dem erdfahlen Antlitze und den blutigen Händen.