Der Riesenstein bei Kleptow.

Aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen
Autor: Gesammelt von Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Pommern, Pasewalk, Kleptow, Findling, Riesenstein
In der Nähe des Dorfes Kleptow unweit Pasewalk liegt auf dem Felde ein großer Stein, den die Leute den Riesenstein nennen, und von dem sie sich Folgendes erzählen: Vor alten Zeiten haben in der Nähe dieses Steines zwei Felsen gestanden. In dem einen hat ein Riese gewohnt, in dem anderen haben eine Menge kleiner Berggeister ihr Haus gehabt. Der Riese und die Zwerge lebten mit einander in Streit, und taten sich gegenseitig manchen Schabernack an, wo sie nur konnten. Zuletzt machten die Zwerge unter dem Felsen des Riesen ein Erdbeben, wodurch sie den ganzen Felsen in Stücke zertrümmerten. Darüber geriet der Riese in großen Zorn, und er lauerte auf eine Gelegenheit, wie er den kleinen Berggeistern wieder Schaden tun könne. Das traf sich bald. Denn kurz nachher feierten die Zwerge in einem Teile ihres Felsens ein Fest, bei dem sie alle versammelt waren. Als nun der Riese ihr Singen und Jubilieren hörte, nahm er ein gutes Stück von seinem zertrümmerten Felsen, und warf es nach dem Felsen der Zwerge, so dass der Teil, in welchem diese ist Fest feierten, davon zerschmettert wurde, und eine ganze Menge von ihnen im Fallen erschlug. Unter den Getöteten befand sich sogar ihr König, den sie nach einigen Tagen mit großer Trauermusik zu Grabe trugen.

Darauf schworen die Zwerge dem Riesen den Tod, und auch dazu kam bald die Gelegenheit. Es wohnte nämlich in der Gegend ein Bauer, der eine schöne Tochter hatte; in diese verliebte sich der Riese, und er begehrte sie von dem Bauern zum Weibe. Allein der Bauer wollte sie dem ungeschlachten Heiden nicht geben. Der Riese raubte sie daher mit Gewalt. Nun wandte sich der Bauer an die Berggeister und bat die um Hilfe. Diese passten darauf eine Gelegenheit ab, als der Riese einmal im Felde seinen Mittagsschlaf hielt. Jetzt nahmen sie ein großes Stück von ihrem zerschlagenen Felsen; das wanden sie in die Höhe, gerade über dem schlafenden Riesen, und ließen es dann auf diesen herniederfallen, so dass er davon zerdrückt wurde, und elendiglich darunter sterben musste. Dieses Felsstück, das von der Zeit an liegen geblieben, ist der Riesenstein bei Kleptow. Man kann darin noch die Spuren von dem Gesichte des Riesen sehen, welche sich bei dem Herunterfallen darauf eingedrückt haben.

Mündlich.

Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller

Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller