Der Pirat - Szene aus dem Seeleben, erzählt von einem Augenzeugen

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode
Autor: Gustav Ritter v. Frank Dr. 1807-1860) österreichischer Offizier, Publizist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1846
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Piraten, Seeräuber, Menschenhandel, Seeschlacht
Ich diente als Lieutenant auf einer Brigg in Westindien, dem Klima des gelben Fiebers und des Zuckerrohres. In jenen Tagen blühte noch der Sklavenhandel, denn die Menschheit war noch nicht so philanthropisch gesinnt, wie jetzt, und wir kümmerten uns daher nicht um die, welche das Blut ihrer Nebenmenschen zugleich mit ihren eigenen Seelen für Geld verschacherten. Es gab indes einen Sklavenhändler, auf den wir scharf zu achten Befehl erhielten, um ihn vor dem Gesetze zur Rechenschaft zu ziehen; denn er hatte die Grenzen des Sklavenhandels überschritten, und sich einige grausame Handlungen der Seeräuberei zu Schulden kommen lassen. Das Schiff wurde, wie man uns sagte, durch einen Engländer kommandiert, einen Bösewicht von nicht ganz gewöhnlichem Schlage, der von Allen denen, welche er ausplünderte, nie auch nur einen Einzigen willentlich am Leben ließ, um die Geschichte seiner Missetaten erzählen zu können. Er segelte mit seinem Fahrzeuge, einem Schooner, der Kanonen führte, unter spanischer Flagge, obgleich er natürlich bei Gelegenheit, wie es seinen Zwecken diente, auch die jeder andern Nation hisste. Wir Alle kannten ihn und seinen Schooner, denn bevor sein wahrer Charakter geahnt wurde, hatten wir in der Havanna neben ihm vor Anker gelegen; wir wurden daher von dem Admiral vorzugsweise dazu ersehen, auf ihn Jagd zu machen. Wir hatten dabei schon einige Wochen erfolglos zugebracht, als wir eines Tages, gegen Mittag, ein Segel, südwärts von uns, erblickten. Wir eilten schnell darauf zu und bald waren wir nahe genug, um einen stattlichen Kauffahrer zu erkennen; aber zu unserem Staunen bemerkten wir, daß er nicht gesteuert wurde, und dass Segel- und Tauwerk unordentlich umherhingen. Keine Seele blickte über die Bollwerke, als wir auf Rufweite herankamen, unser Mastwächter aber meldete, dass er auf dem Deck mehre Menschen liegen sähe, die entweder schliefen oder tot wären. Wir legten uns dicht neben den Kauffahrer und ich erhielt Befehl, mit einem unserer Gigs an seinen Bord zu gehen. Nie in meinem Leben werde ich den Anblick vergessen, der mir wurde, als ich das Deck betrat. Unordentlich auf demselben umher lagen zwölf oder noch mehr Menschen, alle tot, aber noch rann das Blut aus tiefen Wunden, die sie am Kopf und in den Schultern hatten.

An der Leiter zum Räume lagen, sich eng umschlungen haltend, ebenfalls tot, zwei junge Mädchen, die allem Anscheine nach sehr schön gewesen waren.

Als wir hinab kamen, fanden wir in der ersten Kajüte, am Boden ausgestreckt, eine ältliche Frau und einen ehrwürdigen Greis; Beide schienen mit einer Pistolenkugel, welche ihnen die Stirn durchbohrt hatte, getötet worden zu sein. An der Türe einer andern Kajüte lag ein schwarzer Sklave, dem der Kopf ganz in das Genick gedreht war.

Ich will alle die andern Anblicke des Gräuels, die wir hatten, nicht weiter erwähnen; die Mörder schienen sinnreich darauf bedacht gewesen zu sein, ihre Opfer zu entstellen. Wir fanden im unteren Räume noch mehre andere Tote, endlich aber auch, zwischen Warenballen versteckt, einen Matrosen, der zwar schwer verwundet war, aber doch noch Zeichen des Lebens von sich gab. Als wir ihn auf das Deck gebracht und ihm einige Tropfen Wein eingeflößt hatten, erholte er sich allmählich so weit, daß er uns erzählte, sie wären diesen Morgen durch einen Piraten angegriffen worden, der sie nach hartnäckigem Widerstände durch Enterung genommen hätte, worauf jede lebende Seele an Bord, ihn allein ausgenommen, entweder ermordet oder in das Meer gestürzt worden wäre. Er wäre, beinahe in eben dem Augenblicke, als die Piraten enterten, durch die Lücke in den Raum hinabgestürzt, hätte sich hier unter die Ladung versteckt und wäre bald darauf durch Blutverlust in Ohnmacht gesunken; noch ehe dies aber geschehen, hatte er das Angstgeschrei seiner Schiffsgenossen, so wie die Flüche und Verwünschungen der Mörder gehört und jeden Augenblick gefürchtet, von ihnen entdeckt zu werden. Endlich wurde alles still; die Piraten machten einen erfolglosen Versuch, das Schiff zu versenken, und eilten dann hinweg, weil sie ein Segel sahen, das sie wahrscheinlich für uns oder einen andern Kreuzer hielten.

Kaum hatte der Verwundete diesen Bericht erstattet, als der Mastwächter der Brigg ein Segel meldete, worauf ich Befehl erhielt, sogleich an Bord zurückzukehren.

Wir Alle hofften, daß das der Pirat sei, denn uns verlangte darnach, den Schurken zu bestrafen. Wir nahmen daher den Verwundeten mit an unsern Bord, denn das gelbe Fieber hatte unsere Mannschaft so dezimiert, dass wir gezwungen waren, unsere Prise im Stich zu lassen, um auf das fremde Segel Jagd zu machen. Einige Zeit wurden wir durch eine frische Briese begünstigt, während der Fremde, in welchem wir bald einen großen Marssegel-Schooner erkannten, beinahe still lag; aber noch ehe wir ihn unter unsere Kanonen bekamen, füllte der Wind auch seine Segel, und er flog davon, mit so viel Leinwand belastet, als er nur zu tragen vermochte. Auch wir boten Alles auf, unsern Gang zu beschleunigen, aber obgleich unsere Brigg für einen sehr guten Segler galt, sahen wir doch, dass wir die Entfernung zwischen uns und dem fremden Schiffe nicht verringerten, seitdem wir mit gleichem Winde fuhren.

Es war uns indes schon eine Befriedigung, dass auch der Schooner uns vor dem Winde nicht ausstach, obgleich es sehr wahrscheinlich war, daß er dies tun würde, sobald es ihm gelänge, den Wind anzuholen! Wir hielten uns daher genau in seinem Strich, um auf ihn halten zu können, in welcher Richtung er auch anholte. Endlich, als der Wind etwas frischer wurde, kamen wir näher; da hisste der Schooner die spanische Flagge. Bisher hatte er gar keine gezeigt, doch dies Manöver hielt uns nicht ab, ihm einige Kugeln zuzusenden, um ihn zum Beilegen zu nötigen; mehre Schüsse blieben erfolglos, einer aber traf seine große Vorstange und verwundete sie gefährlich. Nie sah ich einen bessern Schuss. Wir bemerkten aber, dass wir durch unser Feuern Grund verloren, und hielten daher bei, ohne weiter einen Schuss zu tun; der Schooner hatte bisher unsern Gruß noch nicht erwidert, schien aber dazu sehr geneigt.

Wir flogen letzt vor dem Winde dahin, dass der weiße Schaum an unsern Schanzen hoch empor spritzte. Jedes Segel war gespannt; unsere Sparren und Raaen krachten, aber kein Tau wurde nachgelassen, obgleich unser Kapitän mehrmals nach der Takelage sah, um zu prüfen, ob die Masten den Druck noch langer aushalten könnten. Wiederholten wir den Feind bei und bekamen ihn unter unsere Kanonen. Die See ging hoch, und die Schüsse konnten daher nicht genau gezielt werden, dennoch traf einer der ersten, vom Zufall oder vielmehr von der Vorsehung gelenkt, so glücklich, dass er den Mann am Rade tötete und den Hauptmast traf. Bevor ein Anderer an das Rad treten konnte, schwankte das Schiff, die große Vorstange, durch den ersten Schuss schon verwundet, stürzte herab, machte das große Hauptsegel unbrauchbar, und rief gewaltige Verwirrung am Bord hervor. Jetzt waren wir unserer Sache gewiss, den Schooner zum Streichen zu bringen, und wir legten uns ihm zur Seite.

Hätten wir bisher über den wahren Charakter des Schooners noch Zweifel hegen können, so mußten diese jetzt verschwinden, denn die spanische Flagge sank und an ihrer Stelle wurde an dem Hauptmaste eine schwarze gehisst, wodurch der Pirat sich ohne Rückhalt zu erkennen gab. Die Schurken, welche ohne Zweifel wussten, dass nur Tod oder Sieg sie erwartete, zeigten wahrscheinlich ihre schwarze Flagge in der Hoffnung, unsere Mannschaft dadurch einzuschüchtern, und trafen dann ihre Anstalten zu dem äußersten Kampfe. Zugleich gaben sie uns eine volle Lage und wenn diese einigen Schaden anrichtete, so diente sie dafür auch, das Blut unserer Leute in Wallung zu bringen, und sie erwiderten sie mit allem Eifer.

Eine halbe Stunde, oder noch länger, wechselten wir volle Lagen mit dem Piraten und säuberten dessen Deck bedeutend; da aber unser Segelwerk schon manche Wunde empfangen hatte, fürchtete unser Kapitän, dass durch einen zufälligen ernsten Schaden, den er uns zufügte, der Pirat entfliehen möchte und beschloss daher die Enterung. Nachdem wir daher noch eine Seitenlage von dem Feinde empfangen hatte, wendeten wir das Steuer, rannten ihm unsern Bug-Anker in die Vorketten, die Enterhaken fielen rasselnd nieder, und mit lautem Geschrei sprangen unsere Enterer auf das Vorderkastel und stürmten auf den Feind ein.

Nie in meinem Leben werde ich die wilden, verwegenen Gesichter der Feinde vergessen, denen wir uns nun gegenüber erblickten. Es war ein furchtbares Werk, das wir unternommen; aber unser Blut hatte sich nun einmal erhitzt, und von beiden Seiten wurde kein Quartier gegeben, keines verlangt. Wir standen nicht überlegend still. Die Piraten wussten, dass für sie keine Gnade zu hoffen war, und schienen entschlossen, ihr Leben teuer zu verkaufen. Unser Angriff war zu wütend, um ihn aushalten zu können, und binnen einer Minute hatten wir einen kleinen Raum auf dem Deck des Schooners, bis zu dem Vordermast, gelichtet; darüber hinaus wurde uns aber jeder Fußbreit mit Verzweiflung streitig gemacht.

Wir hatten noch einigen Boden weiter gewonnen, als von dem hintern Teile des Schiffes ein wilder Haufen, geführt von dem Kapitän selbst, auf uns eindrang. Zweimal wurden wir bis beinahe zu unserem eigenen Schiffe zurückgetrieben, aber endlich gewann der echte Mut die Oberhand über die Verzweiflung. Zoll bei Zoll trieben wir die Piraten zurück; ihr Führer focht unablässig in der ersten Reihe, und ich glaube, er tötete mit eigener Hand von unseren Leuten mehr, als seine ganze Bande zusammengenommen, und doch empfing er selbst nicht einmal eine Schramme.

Während der ganzen Zeit setzten die Marine-Soldaten ihr Feuer fort; durch die Stückpforten kämpfte man mit Piken und Pistolen, und einzelne Kanonen, die man zum Schusse bringen konnte, wurden abgefeuert.

Ich habe manchen harten Kampf gesehen, aber nie einen so wilden, wütenden, als den jenes Tages und auf so kleinem Räume. Auch die Schiffe selbst schienen miteinander zu kämpfen, denn sie stießen mehrmals so heftig zusammen, dass es zu verwundern ist, wie nicht beide miteinander sanken.

Endlich war es uns gelungen, das Vorderdeck zu säubern, indem wir einen Teil der Piraten niederhieben und andere über Bord warfen; aber etwa fünfzig entschlossene Burschen verteidigten, unter furchtbaren Flüchen und Verwünschungen, noch immer das Hinterdeck. Sie setzten den Kampf unablässig fort, da hob sich plötzlich das Deck, es ertönte lautes Geschrei, ein dumpfer, gewaltiger Knall, und viele der Piraten wurden in die Luft geschleudert, von wo ihre verstümmelten Glieder zwischen uns herabfielen. Einen Augenblick schien jeder Arm gelähmt zu sein, und wir blickten angstbeklommen umher, was die nächste Sekunde bringen würde; aber die Explosion war nur teilweise gewesen, und da in der Verwirrung die übrigen Piraten auf uns eindrangen, wurde der Angriff auch von unserer Seite wieder erneuert, und wir trieben sie abermals zurück. Ein zweiter Versuch, das Pulvermagazin in Brand zu stecken, missglückte ebenfalls. Wir waren unseres Sieges jetzt schon ganz gewiss, obgleich der Rest der Piraten sich noch immer nicht ergeben wollte.

Der Kapitän der Seeräuber sprang jetzt hinauf in das Takelewerk, schwang sein bluttriefendes Schwert über dem Kopfe, schleuderte es dann, einen der Unsrigen schwer verwundend, mitten unter uns hinein, und sprang mit einem verzweiflungsvollen Satze, über Bord, in den schäumenden Ozean, wo heißhungrige Haifische seiner schon zu warten schienen.

Als der Führer dahin war, ergaben sich die übrigen Piraten. Kaum hatten wir so viel Zeit gehabt, sie auf unser Deck zu bringen und uns von dem Schooner frei zu machen, als dieser, mit den Toten und Sterbenden an Bord, untersank. In dem Wirbel, den es bildete, zerrissen die Haifische die blutenden Körper so, dass sich die See auf dieser Stelle rot färbte.

Auf dem Wege zum Hafen trafen wir wieder auf das Schiff, das die Piraten an diesem Morgen genommen hatten, und für welches wir ein schönes Prisengeld bekamen, ungerechnet noch andere Beweise des Dankes von den Kaufleuten Westindiens, die wir von ihrem gefährlichsten Feind befreit hatten.

Die gefangenen Piraten wurden in Port-Royal auf Jamaika, gehängt. Kurz vor der Hinrichtung erfuhr ich zufällig von einem derselben, daß der Piraten-Kapitän etwa 10 Jahre früher die Küsten Schottlands als Schmuggler unter dem Namen Hanns Brentzel unsicher gemacht hatte.

Piraten an Bord

Piraten an Bord

Angriff der Barbaresken

Angriff der Barbaresken

Verfolgungsjagd

Verfolgungsjagd

Piraten fordern ihren Tribut von den Bewohnern einer eroberten Stadt

Piraten fordern ihren Tribut von den Bewohnern einer eroberten Stadt