Der Name Greifswald

Aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen
Autor: Temme, Jodocus Deodatus Hubertus [1798-1881] deutscher Politiker, Jurist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1840
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Norddeutschland, Märchen, Sagen, Gebräuche, Sitten, Sprichwörter, Sprüche, Überlieferungen, Volksmund, Mecklenburg, Pommern, Greifswald
Man hat viele verschiedene Erzählungen darüber, woher der Name Greifswald stammen möge, so wie das Wappen der Stadt, welches in einem Greife besteht. – Einige meinen, es hätten in alten Zeiten, als der Rykfluss, an welchem die Stadt liegt, schiffbar gewesen, an der Stelle der jetzigen Stadt viele Seeräuber gewohnt, und weil nun auf Gotisch ein Seeräuber Grife oder Gripe heiße, so habe die Stadt davon ihren Namen bekommen. – Andere sagen, in der Gegend, wo jetzt die Stadt stehe, habe früher ein altes adliges Geschlecht gewohnt, welches Gripes geheißen, und welches wegen seiner vielen Räubereien zuletzt ausgerottet sei. Weil nun ein Teil von dem Walde, in welchem nachher die Stadt erbaut, dieser Familie zugehört, so habe man die Stadt Gripeswald, und späterhin Greifswald genannt.

Noch Andere erzählen sich folgende Geschichte: An der Stelle, wo gegenwärtig die Stadt Greifswald liegt, war vor Zeiten ein großer, dichter Wald. Rund um denselben war Alles wüst und unbebaut, und es blühte nur die Gegend um das Kloster Eldena, welches nicht weit von dem Ausflusse des Ryks in die See liegt. Die Mönche dieses Klosters wollten dazumal eine Stadt anlegen, die zwar nicht weit von dem Kloster, aber besser im Lande liegen sollte. Sie schickten daher zu einer Zeit einige Leute aus, die einen guten Platz für die Stadt suchen sollten. Diese gingen immer den Rykfluss hinauf, bis sie nach einer Weile an eine schöne Stelle gelangten, welche ihnen gar herrlich dünkte, um allda die Stadt anzulegen. Sie begaben sich daher, um den Platz genauer zu untersuchen, von dem Ufer des Flusses ab, seitwärts in den Wald hinein, der sich dort befand. Auf einmal fanden sie daselbst auf einem abgebrochenen Baumstamme ein Nest, in welchem ein großer vierfüßiger Greif mit einem doppeltem Schwanze saß und brütete. Dies schien den Abgeordneten des Klosters ein gutes Zeichen zu sein, und es wurde nun um so mehr beschlossen, an dieser Stelle die Stadt zu erbauen, welches auch geschah.

Der Platz, wo man das Greifennest gefunden, ist in dem Teile der Stadt gewesen, welcher jetzt der Schuhhagen heißt, und welcher bekanntlich die älteste Gegend der Stadt ist. Hier sind von den ältesten Zeiten her viele schreckliche Geschichten vorgefallen, und es ist auch jetzt noch immer nicht sicher daselbst. Früher hat der vertriebene Greif noch manches Kind da geholt und gefressen. Späterhin hat man da allerlei fürchterliche Gestalten gesehen. Bald ging des Nachts ein großes Weib herum mit einem Bunde Schlüssel, womit sie rasselte, und eine Herde Ferkel vor sich hertreibend; bald sah man ein anderes Frauenzimmer mit einer Herde schneeweißer Gänse. Bald setzte sich dort ein schwarzer Rappe, manchmal auch ein weißer Schimmel den Leuten auf die Schultern und drückte sie, dass ihnen das Blut aus Mund und Nase kam.

Joh. Bugenhagii Pomerania, p. 55.
v. Schwarz, Pommersche Städte-Geschichte, S. 98 folg.
Greifswalder wöchentlicher Anzeiger für 1818, Nr. 37 und mündlich.

Greifswald, Giebelhaus Markt 13, 1920

Greifswald, Giebelhaus Markt 13, 1920

Greifswald, Nikolaikirche von Südwesten

Greifswald, Nikolaikirche von Südwesten

Greifswald, Universität, Hauptgebäude 1920

Greifswald, Universität, Hauptgebäude 1920