Der Kirchversunk bei Vielank, unweit Lüktheen

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage,
Nahe beim Dorfe Vielank befindet sich eine sumpfige Stelle, die das Volk nur „den Kirchversunk" nennt.

Hier lagen in uralten Zeiten, als Mecklenburg fast noch ganz von heidnischen Wenden bewohnt wurde und das Christentum dort nur noch ein ganz kleines Pflänzchen war, im wilden Forst verborgen und versteckt hinter dichtem Gestrüpp und Buschwerk, einsam und abgeschlossen von der ganzen Welt, die ärmlichen Hütten einer kleinen Christengemeinde, mit ihrem einfachen, aus Holz und Lehm zusammengefügten Kirchlein.

Mehrere Jahre schon war diese kleine Christenansiedelung unbekannt und unentdeckt geblieben, und somit dem Wut- und Racheschnauben der Heiden entgangen, welche allen Christen den Untergang geschworen hatten; und ruhig und friedlich, zufrieden und glücklich hatte die kleine Gemeinde in ihrer Stille und Abgeschiedenheit ihrem Gotte gedient.
Endlich wurde aber auch ihr Versteck entdeckt. Ein Schwarm wütender Heiden war ausgezogen, um auch, wie es bereits überall im Wendenlande geschehen,*) diese letzte Zufluchtsstätte des Christentums zu vernichten, und also das ganze Land von den fremden Eindringlingen, den deutschen Sachsen, und ihrer Lehre — die ihnen leider mit Feuer und Schwert aufgedrungen worden war — wieder zu befreien und zu reinigen.

Gerade stürmte die wilde Rotte heran, als die kleine Gemeinde zum Abendgottesdienst in ihrem Kirchchen versammelt war. Aber Gott wollte nicht, dass Sein Heiligtum entweiht werde, und dass die Heiden auch diese kleine Christenschar morde und ihre rohen Hände in das unschuldige Blut tauche; denn plötzlich versank das Kirchlein mit allen seinen Andächtigen, und vor den überraschten Feinden dehnte sich mit einem Male ein großer, tiefer Sumpf aus und verhinderte ihr weiteres Vordringen.

Das Kirchchen aber war und blieb verschwunden, und noch heute nennt man die Stelle, wo dies geschah, den Kirchversunk.

*) Im Jahre 1018.