Der Junfernstein im Walde bei Malchin.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Neu-Kalen, Malchin,
Im Walde bei Malchin, an einem nach Neu-Kalen führenden Fußsteige, liegt ein großer, deutlich den Abdruck eines Fußes zeigender Feldstein, allgemein bekannt unser dem Namen „der Jungfernstein".

Ein alter Mann erzählte über die Entstehung des Namens dieses Steines, sowie über die darauf befindliche Fußspur Folgendes:

Zwei Liebende wandelten hier einstmals in der Kühle des Abends. Der Bräutigam, der nicht fest an die jungfräuliche Unschuld und Reinheit seiner Verlobten glaubte, gab ihr deutlich seine desfallsigen Zweifel zu verstehen.
Das tugendhafte Mädchen beteuerte errötend, dass sie rein und schuldlos sei.

Als ihr aber der Bräutigam, trotz ihrer wiederholten heiligen Versicherungen, noch immer nicht glauben wollte, rief sie endlich in größter sittlicher Entrüstung: „So wahr ich jetzt meinen Fuß in diesen Stein eintreten werde, so wahr bin ich auch noch eine unbescholtene Jungfrau!"

Mit diesen Worten stellte sie ihren Fuß auf den beregten Stein, und oh Wunder, wirklich blieb der Abdruck desselben darauf zurück und ist dort noch heute und diesen Tag zu sehen.

********* II. **********

Nach einer weiteren Mitteilung über diesen Jungfernstein, soll sich außer dem Abdruck eines Fußes auch noch der einer Scepterspitze darauf befinden, und berichtet eine andere, von der vorstehenden ganz abweichende Sage über die Entstehung der beiden Abdrücke also:

Vor vielen Jahrhunderten gab es in Malchin ein wendisches Schloss, worin die letzte Fürstin, die Prinzessin Wendogard, residierte. Dieser gehörten fast alle Felder und Wälder, welche Malchin zur Zeit im Besitz hat. Nur über den Wald, der sich noch jetzt längst des Kumerower Sees hinzieht, war sie mit dem berüchtigten Raubritter Landolph, dessen festes Schloss auf einer Insel im Kumerower See lag, im Streit, der ungerechter Weise behauptete, der Wald sei sein Eigentum.

Eines Tages kam nun die Fürstin in Begleitung ihres Hofes mit dem Ritter Landolph zur endlichen Ausgleichung des Streits in diesem Walde zusammen.

Mit einem feierlichen Eide schwur sie hier in Gegenwart so vieler Zeugen, dass der Wald schon seit undenklichen Zeiten ihrer Familie gehört habe, und dass, wenn Gott sie dereinst in das Jenseits abrufen werde, er nebst all' ihren übrigen Ländereien den Malchiner Bürgern angehören solle.

Der Ritter antwortete mit grässlichem Fluchen, und lästernd setzte er hinzu: „Ich gebe auf keinen Schwur, weil es keinen Gott gibt!"

Empört über solche Frechheit rief die Fürstin: „So wahr als ich jetzt meinen Fuß und die Spitze meines Scepters in diesen harten Stein stoße, so wahr gibt es einen Gott und so wahr gehört der Wald mir!"

Mit diesen Worten stieß sie ihren Fuß und die Spitze des Scepters so tief in den Stein, dass noch heute die Spuren davon zu sehen sind.

Der Ritter rief hiernach die grauenhaftesten Lästerworte aus und verfluchte den allmächtigen Gott, der solche Zeichen zulasse.

Kaum waren diese Worte aber über seine Lippen, als auch schon die Erde erbebte, sich auftat und den Frevler vor den Augen der Fürstin und ihrer Räte verschlang. Zur selbigen Zeit versank auch die Insel mit seiner Burg; und noch heute wollen die Schiffer bei ruhigem, klarem Wetter die Türme dieses versunkenen Raubschlosses tief unten im Grunde des Kumerower Sees erblicken.