Der Heiligegeist- oder Köppenberg bei Kronskamp, unweit Laage

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Laage, Kronskamp, Heinrich der Löwe
Eine viertel Meile von Laage, unweit der von dort nach Güstrow führenden Chaussee, liegt, am Fuße des Heiligengeist- oder Köppenberges, der Hof Kronskamp.
Auf dem Gipfel dieses Berges, von dem man eine weite Aussicht über das Wiesenthal der Recknitz hat, soll ehemals die feste Burg Kronskamp gestanden haben. Fürst Heinrich II. von Mecklenburg,*) auch wegen seiner großen Stärke und Tapferkeit der Löwe genannt, hatte dieselbe im Jahre 1291 erbaut. Als nun lange nach dem Untergange dieser Burg dort unten der erwähnte Hof entstand, da legte man ihm den alten Namen der ersteren bei.

Der Name Heiligegeistberg soll daher entstanden sein, weil hier, als Laage in alten Zeiten während eines Krieges mehrere Jahre hindurch eingeschlossen war, die Belagerer sich eine Kapelle, zum heiligen Geiste genannt, erbaut hatten, darin Kirche hielten und ihre Andacht verrichteten. Über die Entstehung des zweiten Namens dieses Berges berichtet aber die Sage Nachstehendes:

Die von Heinrich dem Löwen erbaute Burg Kronskamp war nach einigen Jahren ihrer Entstehung einem Ritter übergeben worden. Dieser wohnte nun hier mit seiner einzigen Tochter, einem jungen, bildschönen Mädchen, Marie mit Namen. Ein gewöhnlicher Knappe des Ritters, sterblich in das schöne Kind verliebt, hatte es gewagt, ihr seine glühende Liebe zu gestehen, und oh, der Glückliche! er fand Erhörung; denn auch Marie war ihrem schmucken Anbeter schon lange im Stillen herzlich gut und mit Leib und Seele zugetan gewesen.

*) Fürst Heinrich II. der Löwe, regierender Herr zu Mecklenburg seit 1287, zu Stargard seit 1304 und zu Rostock seit 1323, war der älteste Sohn des hartgeprüften Fürsten Heinrich I. des Pilgers und dessen edlen Gemahlin Anastasie, Herzogs Barnims von Pommern-Stettin Tochter. Er wurde nach dem Jahre 1266 geboren und beschloss sein ruhmvolles Leben am 21. Januar 1329.

Lange blieb das heimliche Liebesverhältnis der Beiden den Bewohnern der Burg unbekannt, und selige Stunden gewährte den Glücklichen ihre gegenseitige reine, innige Liebe. Aber ach, endlich entdeckte der Ritter Alles. Außer sich vor Zorn, dass sein Kind einen gemeinen Knappen liebe, dass ein solcher es gewagt, nur ein Auge zu der Tochter eines Ritters aufzuschlagen, ließ er denselben sofort auf dem Hofe der Burg und in Gegenwart aller ihrer Bewohner auf die härteste und schimpflichste Weise auspeitschen. Darnach jagte er ihn aus seinen Diensten und verbot ihm, unter Androhung der fürchterlichsten Strafe, sich niemals wieder in seiner oder seiner Tochter Nähe blicken zu lassen.

Als der stolze, harte Mann also den Knappen mit Schimpf und Schande fortgejagt, ging er zu seiner trostlosen, laut schluchzenden Tochter. Mit finsterer, zorniger Miene, unter den grässlichsten Flüchen und Verwünschungen verbot er ihr, niemals wieder des so tief unter ihrem Range stehenden Knappen zu gedenken, da er nimmermehr zu einer solchen Verbindung seine Einwilligung geben werde.

Obgleich sich nun auch das arme Kind im namenlosesten Schmerze dem Vater zu Füßen warf; obgleich sie ihn auch flehentlich bat, abzulassen von seinen harten Aussprüchen und Verwünschungen; obgleich sie ihn auch beschwor, nie einem andern Manne ihre Hand reichen zu können, als dem geliebten Knappen, dem sie ewige Treue geschworen, den sie unendlich liebe und ewig lieben werde, und dass hiervon einzig und allein ihr ganzes, ganzes Lebensglück abhänge, so stieß er sie doch kalt zurück. Denn es war dem alten, stolzen Manne die höchste Kränkung, dass seine Tochter einen solchen Menschen lieben konnte. Ja, eine solche Kränkung seines großen Stolzes konnte bei ihm selbst die besseren Regungen des väterlichen Herzens gegen das einzige, sonst so geliebte Kind unterdrücken und gänzlich zum Schweigen bringen.

Als aber dennoch die sich noch immer am Boden verzweiflungsvoll krümmende Marie mit Bitten und Flehen nicht aufhörte, da schwur im höchsten Zorne der Vater, dass er nie und unter keiner Bedingung, selbst wenn auch seine Tochter darüber zu Grunde gehen sollte, ihre Verbindung mit dem Knappen zugeben werde. Ja er ging noch weiter, indem er dem bejammerungswürdigen, armen Geschöpfe die vernichtenden Worte zuschleuderte: „So wisse denn, dass ich bereits für Dich gewählt!" Und gebietend setzte er hinzu: „Du wirst über ein Jahr einem Manne von Rang und Geburt Deine Hand reichen, wie es Dir, der Tochter eines Ritters ziemet!" Und damit verließ er die erstarrte, fast dem Wahnsinne nahe Marie.

Trotz des strengen, harten Verbotes, trotz der Wachsamkeit des Ritters fanden die verzweifelten Liebenden doch Gelegenheit zu heimlichen, nächtlichen Zusammenkünften. Und leider war die Frucht dieser hoffnungslosen Zusammenkünfte eine höchst schreckliche. Marie wurde Mutter; aus Furcht vor dem Vater mordete sie ihr zartes Kind und verscharrte es im Dunkel der Nacht.

Bald jedoch erhielt das Gericht Kunde hiervon. — Sein Urteilsspruch lautete auf Tod durch das Schwert. Nach drei Tagen wurde derselbe schon vor den Toren der Burg vollzogen; durch Henkershand fiel hier das müde Haupt der schwergeprüften Marie.

Der treue Knappe aber, außer sich vor Schmerz, stürzte sich mit dem Ausrufe: „Meine Marie, meine arme, arme Marie, ich folge Dir!" in die nahe Recknitz und fand so ebenfalls, und fast zu gleicher Zeit mit dem heißgeliebten Mädchen, den ersehnten Tod.

Zu spät bereute jetzt der alte, stolze Ritter seine Härte, und mit Recht klagte er sich als den Urheber aller dieser Schrecknisse an. Zerknirscht, bis ins Innerste der Seele vernichtet, eilte er bald unstät und flüchtig von einem Orte zum andern; dann saß er wieder stundenlang in finsterem Hinbrüten versunken in der weiten Ahnenhalle, deren Bilder kalt und ernst von den Wänden auf ihn herniederschauten; dann wieder weinte er, rief den Namen seines unglücklichen Kindes und zerraufte sich das schnell gebleichte Haar. Kurz seine Strafe war fürchterlich, sein Zustand schrecklich; bis sich denn endlich der Tod auch seiner erbarmte und seinem freudenlosen Leben ein Ende machte.

Nach allen diesen grausigen Begebenheiten soll nun die zweite Benennung des Heiligengeistberges, der Name Köppenberg,*) entstanden sein.

*) Köpfenberg, von köpfen, enthaupten.


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Ist auch die einst so feste Burg Kronskamp längst schon gänzlich verschwunden, so lebt dennoch bis auf den heutigen Tag in dortiger Gegend die Sage fort von dem unglücklichen Liebespaare und ihrem schrecklichen Ende. Mit innigem Mitleiden erzählt sie der schlichte Landmann dem Fremden, der gewiss ebenfalls dein trüben Geschick der Liebenden seine Teilnahme nicht versagen wird und kann.

Oft soll noch jetzt im Dunkel der Nacht vom Berge herab, oder aus der Tiefe der Recknitz, da wo sich der treue Knappe in das Wasser stürzte, der leise Klageton: „arme Marie!" oder „meine arme, arme Marie!" durch die stillen Fluren ertönen, und wollen solches dann dort noch Vorbeigekommene schon häufig gehört haben.

Heinrich der Löwe - aus Simrock:

Heinrich der Löwe - aus Simrock: "Die deutschen Volksbücher" 1845

Edelfrau in der Hansezeit

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Rittermahl

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Beratschlagung

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Huldigung

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