Der Götzentempel zu Malchow.

Aus: Die Urgeschichte des Ortes Malchow
Autor: Lisch, Georg Christian Friedrich (1801 Strelitz - 1883 Schwerin) Prähistoriker, mecklenburgischer Altertumsforscher, Archivar, Konservator, Bibliothekar, Redakteur, Heraldiker und Publizist (Freimaurer), Erscheinungsjahr: 1867
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Slawen, Heiden,
Die heidnische Burg Malchow hat schon durch ihren kriegerischen Einfluss eine bedeutende Wichtigkeit in der wendischen Geschichte. Diese wird aber noch um vieles dadurch erhöhet, dass bei derselben ein großes, bisher unbekanntes heidnisches Heiligtum war. Die oben S. 8 erwähnten Magdeburger Annalen berichten nämlich, dass der gegen die heidnischen Wenden gerichtete christliche Kreuzzug im Jahr 1147 die Stadt Malchow und das Heiligtum mit den Götzenbildern, welches vor der Stadt lag, verbrannt habe.

Wenn diese Nachricht auch sehr dankenswert ist, indem sie doch von dem Dasein eines Heiligtums Kunde gibt, so ist es doch zu beklagen, dass sie so kurz ist. Es ist die Frage, wie man sich das Heiligtum zu denken habe. Der lateinische Ausdruck „fanum“ deutet auf einen Hain; die Nachricht von dem Vorhandensein von Götterbildern („idolis“) deutet auf einen Tempel. Da nun die wendischen Völker ihre Götter teils in Hainen, teils in Tempeln unter Bildern verehrten *), so liegt es nach den Worten der Annalen nahe, anzunehmen, dass unter dem Heiligtum bei Malchow ein Hain mit einem Tempel mit Götterbildern zu verstehen sei.

*) Vgl. Jahrbücher XXVIII, S. 11 kg.

Die Lage dieses heiligen Hains dürfte sich auch an: bestimmen lassen. Die Annalen sagen ausdrücklich, dass der Hain „vor“ der Stadt oder Burg gelegen habe („fanum ante civitatem“). Damit wird widerlegt, dass das Heiligtum auf dem Burgwall gewesen sei, wie man wohl hat annehmen wollen. Die wendischen Burgwälle, welche zu Festungen dienten, sind für Haine und Tempel und volkreichen Besuch viel zu klein. Wenn man annimmt, dass auf dem Burgwall weite Gebäude stehen mussten, um den Burgherrn und die Besatzung aufzunehmen, wie noch die Fundamente z. B. auf der Burg im Teterower See beweisen, so blieb sehr wenig Platz zur freien Bewegung übrig, so dass man zu dem Auskunftsmittel Zuflucht nehmen musste, die inneren Seiten des Ringwalles auszugraben und mit Holz auszusetzen, wie z. B. auf dem Burgwall bei Conow, um “ (Kasematten) und Stallungen zu schaffen. Dies und die Keller unter der Fläche des Burghofes wird auch die Anpflanzung von Hainen auf den Burgwällen verhindert haben. Die Geschichte des Burgwalls gibt auch zu verstehen, dass derselbe eine Festung und kein Tempelort war. Wir werden daher das Heiligtum vor der Burg und der Vorburg suchen müssen, wie auch die Annalen ausdrücklich berichten. Zieht man die natürliche Lage in Betracht, so ist es nicht wahrscheinlich, dass der Hain auf der schlecht begrenzten, ebenen Ackerfläche gestanden habe, welche sich über dem Ufer ausbreitet; vielmehr darf man das ehemalige heidnische Heiligtum wohl auf dem schön terrassierten und bepflanzten Uferabhange am Wasser suchen, wo jetzt das Kloster steht, und den Mittelpunkt da, wo bei der Christianisierung die erste Kirche gebaut ward, auf deren Stelle die Kirche noch jetzt steht. Die beiden Ufer waren in alter Zeit sicher viel mehr bewaldet, als jetzt; auch das nördliche Ufer hatte Wald, als die Stadt schon fand, denn im Jahr 1292 gab der Fürst Nicolaus von Werle eine Urkunde „in dem Hain vor der Stadt“ („in nemore ante civitatem Malchowe“); vgl. Mecklb. Urk. B. III, Nr. 2162.

Man könnte auch annehmen, der heilige Hain habe am nördlichen Ufer auf der Insel gelegen, auf welcher jetzt die Stadt steht, denn die Lage stimmt wohl mit der Lage anderer Heidentempel überein. Aber dann wäre der Tempel von der Burg durch ein breites Wasser getrennt gewesen, und es ist wohl anzunehmen, dass das Heiligtum unter dem unmittelbaren Schutze der Burg gestanden habe.

Welche Gottheit im heiligen Haine zu Malchow verehrt worden sei, wird uns leider nicht berichtet; es wird gesagt, dass dort mehrere „Götterbilder“ („idola“) vorhanden waren. Es mag aber unter andern auch der weit verbreitete Dienst der Göttin Siwa, der Göttin der Landesfruchtbarkeit (= Ceres), hier gefeiert worden sein, da hierauf die Malchow’sche Sage zu deuten scheint, dass in dem Burgwall alte hässliche „Weiber“ wohnen, welche nach der Stadt kommen, um dort zu backen und brauen und sich zu vergnügen, daher der Burgwall „Weiberberg“ genannt wird (vgl. oben S. 12). Man könnte aber auch durch diese Sage auf den Gedanken gebracht werden, dass der Tempel auch auf der Stadtinsel gelegen haben könne, weil die Weiber dahin, als nach ihrem ehemaligen Wohnort kommen, um dort zu wirtschaften. Zu dem Tempel vor der Burg scheint auch der wendische Name Malchow zu stimmen. Die Slawisten, welche zu Rat gezogen sind, pflegen die Namensform von der „Wurzel mal, welche ursprünglich: klein, bedeutet“, abzuleiten. Aber es gibt noch eine andere Wurzel, welche sich namentlich im Russischen verfolgen lässt, nämlich: moltz, welche „Anbeter“ heißt; so heißt: bogo-molec = „Götzenanbeter“ und: molicany = „Betort, Tempel“. Es würde also Malchow auch: „Tempelort“ heißen können) und diese Deutung die oben mitgeteilte Bezeichnung mit Heiligtum („fanum“) erklären.

*) Vgl. Über diese Erklärung Lisch Maltzan. Urk. III, S. XVI. Auch des hohen Burgwalls Sagel (Sawal) liegt der Ort Moltzow.

Lisch, Georg Christian Friedrich (1801-1883) mecklenburgischer, Archivar, Altertumsforscher, Bibliothekar, Redakteur, Publizist

Lisch, Georg Christian Friedrich (1801-1883) mecklenburgischer, Archivar, Altertumsforscher, Bibliothekar, Redakteur, Publizist