Der Burgwall bei Grabowhöfe, unweit Waren

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Von A. C. F. Krohn, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Grabowhöfe, Sommersdorf, Zeppelin,
Zwischen Grabowhöfe und Sommersdorf liegt ein alter Burgwall. Derselbe war vor mehreren Jahren wenigstens noch ziemlich erhalten*), rund umher mit einem Graben versehen und mit alten, mächtigen Bäumen bestanden.

*) Nach Meinung der Leute haben die von Zeppelin ein Lehnrecht an den Wall, so dass ihnen derselbe nach dem Tode des jetzigen Besitzers zufällt, weshalb er nicht abgetragen werden darf.

Hier wählten besonders gern die Hirtenknaben, wenn sie zusammenkommen konnten, ihren Spielplatz, und suchten hier auch, wenn ihr Vieh in der Nähe weidete, gewöhnlich Schutz gegen die heißen Strahlen der Juli- und Augustsonne. So hatte sich einst ein Knabe in dem Schatten einer mächtigen Buche gelagert, die ihre gewaltigen Äste weit über den Burggraben hinweg ausbreitete. Die Sonne schien heiß; ringsum war Alles still; denn auch das Vieh hatte die schattigen Bäume aufgesucht und sich dort still wiederkäuend niedergestreckt. So nickte denn der Knabe auch bald selbst zum süßen Mittagsschläfchen ein, sintemal er vor seinem gestrengen Vater sicher war, weil der nicht weniger ein Schlummerstündchen zu Mittag liebte.

Als er eben eingeschlafen war, krabbelte neben ihm ein Männlein aus der Erde, groß wie eines Mannes Daumen, alt wie ein Greis und gar wunderlich gekleidet, wie man wohl die Leute auf alten Bildern abgezeichnet fand.

Dem Knaben kam fast ein Grauen vor dem Kleinen an; doch weil dieser so gar freundlich tat, fasste er sich ein Herz und folgte ihm endlich auf sein beständig Winken. Zuerst ging's in den Burggraben hinein, dann durch ein Gebüsch, das das Männchen auseinander bog, zu einer verborgenen Tür, und durch diese in das Innere des Walles. Dort aber sah's ganz wunderlich aus. Der Wall war durch und durch hohl, voller Gänge und Gewölbe. Aber drinnen lagen keine Schätze, wie der Knabe wähnte, dem nun manche Geschichten wieder klar vor die Seele traten. Nur alte Panzer, Schwerter und dergleichen erblickte er, der seinem stummen Führer stumm folgte. Endlich kamen sie in ein Gemach, wie eine Küche. Da sah's aber wunderlich aus, von oben her waren die Wurzeln einer mächtigen Buche, derselben unter der er geschlafen, durchgewachsen, die unten ein buntes Gewirr bildeten. In dem Knäuel der Wurzeln aber standen eine Menge kupferner Kessel, einer immer kleiner als der andere und dabei wie Schachteln ineinandergesetzt. Das schien dem Knaben gar zu merkwürdig, zumal die Kessel wie Gold glänzten, und er wollte seinen weiter eilenden Führer fragen, was das zu bedeuten habe; aber beim ersten Wort, das er sprach, war der Unterirdische verschwunden, er selbst mit einem gewaltigen Ruck an die Oberwelt gesetzt, und — der Traum war zu Ende.

Dem Knaben dünkte es noch Wirklichkeit, aber der Um, stand, daß seine Kühe schon eines Nachbars Kleestück einen Besuch abstatteten, belehrte ihn eines Bessern. Er sprang schnell auf und eilte von dem unheimlichen Orte weg.

Als er daheim seinen Traum erzählte, wurde er zwar tüchtig ausgelacht, aber dem Alten, seinem Vater, ging das Ding doch durch den Kopf. Er machte sich darum einmal Abends bei Mondschein nach dem bezeichneten Orte auf, und kam richtig mit Hacke und Spaten einer Anzahl Kesseln, die ineinander standen, auf die Spur. Ob aber dem Knaben späterhin noch einmal etwas der Art geträumt hat und ob man dadurch vielleicht noch zu einem ordentlichen Schatze gekommen ist, davon ist nichts laut geworden. Der glückliche Träumer hat sich noch oft wieder an dieser Stelle zum Schlafen gelegt und sich vorgenommen, künftig den Mund zu halten, bis der Kleine ihn zum Schatze würde geführt haben. Aber der Kleine kam nicht wieder.