Das verwünschte Schloss Gammelin in den Diedrichshäger Bergen bei Kröpelin.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von Fr. Schulz, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Rostock, Gammelin, Diedrichshäger berge, Brunshaupten, Kühlung, Kühlungsborn, Ostsee, Wittenbeck, Kuhhirte,
Vor langer, grauer Zeit stand auf einem der Diedrichshäger Berge das schöne Schloss Gammelin. Die letzte Erbin desselben war eine junge schöne Jungfrau, Namens Sarah.

Sei es nun, dass sie einen Bewerber um ihre Hand abwies, der sie aus Rache mit aller ihrer Herrlichkeit verwünschte, oder hat sie, um sich der vielen zudringlichen Bewerber auf einmal zu entledigen, dem Ehestande Lebewohl gesagt, und ist dafür von der verliebten Männerwelt verwünscht worden; kurz, sie lebt jetzt seit vielen hundert Jahren in einem der Berge, und ihr Schloss wird von starken Ketten gehalten, dass es nicht empor kommen kann.

Ihren Dienern und andern Untertanen scheint dies Leben lange verdrossen zu haben, und sind sie deshalb schon vor vielen Jahren übers Meer gewandert, bis auf ein Mädchen, das ihr mit aller Treue ergeben ist.

Eines schönen Tages kamen nämlich zwei Schiffe von Rostock herunter und legten sich diesen Bergen gegenüber vor Anker. Man sah die Kapitäne ans Land kommen und lange in der Gegend umher spähen, als suchten sie etwas. Endlich kam ein kleines graues Männlein aus dem nahen Walde auf sie zugeschritten, den sie fragten, ob er nicht wüsste, wo die Leute sich hier wohl aufhielten, die über das Meer geschafft zu werden wünschten?

„Die sind schon alle auf den Schiffen”, sagte der Kleine. „Kommen Sie einmal her, und blicken Sie über meine linke Schulter hin auf Ihre Schiffe, so werden Sie das gewiss sehen können”, fügte er auffordernd bei.

Und richtig, auf dem Deck beider Schiffe wimmelte es von Menschen.

Die Schiffer gingen auf Zuraten des Männchens an Bord und stachen in See.

Es ist noch nicht sehr lange her, als Jungfer Sarah von sich hat etwas vernehmen lassen; und viele Leute wissen noch von Mutter oder Großmutter, wie dieselbe mit dem Kuhhirten zu Wittenbeck, der sein Vieh am Walde weidete, den Vertrag abgeschlossen hat, gegen guten Lohn und Brod ihre beiden Kühe „Rörick" und „Brünick" mit zu hüten.

Am jedem Morgen kamen Rörick und Brünick brüllend aus dem Walde zu seiner Herde gelaufen und gingen den Tag über zwischen seinen Kühen. Des Mittags kam ein junges Mädchen mit dem Milcheimer in der Hand aus dem Walde. Sie war recht hübsch, auch gut gekleidet, und hatte eine weiße Schürze vor. Sobald sie ihre Kühe beim Namen rief, eilten dieselben zu ihr, und nachdem sie gemolken waren, gingen die Kühe zur Herde zurück, und das Mädchen verschwand im Walde, in der Öffnung eines Berges.

Der Hirte fand bei einem gewissen Steine des Abends sein Vesperbrot nebst einer Kruke mit Bier — nach andern Mitteilungen war's Mittagessen — und am Johannistage auch dort seinen Hütelohn.

So ging es mehrere Jahre, bis ein neuer Hirte kam, mit dem sie den Kontrakt nicht wieder eingegangen ist.

In späteren Jahren ist von zwei Leuten, deren Heimat weit, weit von hier gewesen ist, und die sehr alte unbekannte und hier unverständliche und unleserliche Bücher bei sich geführt haben, wieder nach der schönen Erbin des Schlosses Gammelin gefragt und gesucht worden.

Aus ihren alten Schriften haben diese Männer herausgelesen, dass das Schloss zwischen Wittenbeck und Brunshaupten stehe, nur der bestimmte Berg ist ihnen unbekannt gewesen. Sie haben daher einen ganzen Sommer in der Kühlung an den Bergen oft Tage und Nächte hindurch gehorcht und geforscht und doch den Ort nicht gefunden; auch Jungfer Sarah nicht erlöst.

Schaf- und Ziegenhirtin

Schaf- und Ziegenhirtin

Kühe auf der Wiese

Kühe auf der Wiese