Das mecklenburgische Steuer- und Zollwesen.

Aus: Bremer Handelsblatt: Wochenschrift für Handel, Volkswirtschaft und Statistik. Jahrgang 1860. Nr. 430-481
Autor: Redaktion - Bremer Handelsblatt, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Rostock, Zoll- und Steuerverhältnisse, Sonderrechte und Privilegien, Steuervorteile, Steuerlasten, Zolleinnahmen, politische Zustände
Separatabdruck aus der mecklenburgischen Vaterlandskunde. Wismar und Ludwigslust. 1859.

Das mecklenburgische Steuer- und Zollwesen — warum nicht lieber gleich auf dem Titel das Ding mit seinem rechten Namen bezeichnen: das mecklenburgische Steuer- und Zollunwesen! Denn dass ist es, wie jedermann im deutschen Vaterlande weiß, und wie Regierung und Stände beider Großherzogtümer seit Jahrzehnten öffentlich und wiederholt eingestanden haben. Seit undenklichen Jahren flickt man auch an dem Zeuge herum. Serenissimus Suerinensis wie Serenissimus Strelitcensis haben treugehorsamsten Ständen seit etlichen Dezennien gar mancherlei Verbesserungen und Umänderungen vorgeschlagen, hochansehnliche Ritte- und Landschaft haben dann jedes mal Deputationen niedergesetzt und diese dicke Diarien über ihre Beratungen dem Landtage verabreicht, irgend ein Landstand hat dazwischen auch seine Promemoria und Dictamina von Stapel gelassen, die kaufmännischen Korporationen, sonderlich die von Rostock, haben daneben beraten, dass ihnen der Schweiß vom Gesichte träufelte, die Zeitungen des In- und Auslandes haben sich in Darlegungen und Beschwerden erschöpft, und dann und wann, z. B. gerade jetzt, fängt man an, die Sache mit ganz besonderem Nachdruck zu behandeln, aber aller angewandten Mühe ungeachtet — bleibt Alles beim Alten, mit jenen geringfügigen Ausnahmen, die nur Nebendinge betreffen und gelegentlich eine Verschlechterung des bestehenden Zustandes enthalten.

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Das kommt daher, weil der jetzige Bestand der Steuern und Zölle in Mecklenburg der ganz notwendige Bestandteil der jetzigen politischen Zustände daselbst ist. Mecklenburg ist bekanntlich gar kein Staat im heutigen Sinne des Worts, sondern ein Aggregat von Sonderrechten und Privilegien, die im Laufes der Jahrhunderte auf dem Boden der Anschauungen des einstigen heil. römischen Reichs deutscher Nation erwachsen sind, und in diesem Boden sind auch die bestehenden Steuern und Zölle festgewurzelt. Jeder Versuch einer Abänderung in denselben scheitert ganz regelmäßig an den geltenden Sonderrechten. Die Regierung opfert keinen Thaler Zolleinnahme, für den Stände nicht die volle Abfindung leisten. Die Ritterschaft, im Besitze ausgedehnter Steuerfreiheiten und sonstiger Steuervorteile, will sich zu keiner Übernahme von neuen Lasten verstehen, und die Städte, vor allem Rostock, finden in jeder vorgeschlagenen Änderung einen Haken, der ihnen gerade diesen Vorschlag als besonders bedenklich erscheinen lässt. Jeder Teil rechnet nur Beschwerden heraus und keinem fällt es ein, seinen Vorteil in der allgemeinen Hebung der Landeswohlfahrt zu suchen. Es gibt ja in Mecklenburg kein Land, sondern nur Domanium, Ritter- und Landschaft, und es gibt in diesen Bestandteilen Mecklenburgs Zustände, die ebenso sehr wie die vorhandenen Sonderrechte einen vernünftigen Umbau des Steuer- und Zollwesens erschweren, wenn nicht geradezu unmöglich machen. Die konstitutionelle Zeit, die gerade vom 10. Oktober 1849 bis zum 14. September 1850, also kein volles Jahr währte, hatte nicht Zeit genug, um an all diesen Zuständen irgend etwas zu ändern. Ein Anschluss an den Zollverein würde allerdings durchgreifende Änderungen herbeiführen, aber gerade weil er diese Folge unausbleiblich hätte, geschieht er nicht. Weniger die Regierung widerstrebt demselben, denn sie würde dann freier von den ständischen Bewilligungen werden, als die Stände, die natürlich das gerade nicht wollen. Die Ritterschaft will zudem ihre Steuerfreiheiten nicht verlieren und die Städte fürchten einen Eingriff in die Freuden der Zunft- und Bannrechte, mit denen sie sich und das platte Land plagen. Es bleibt also ganz notwendig ein für allemal, so lange andere Dinge in Mecklenburg bleiben, im Steuer- und Zoll-Unwesen Alles beim Alten.

Der Verfasser des vorliegenden Büchleins hat sich auf 82 Seiten die Mühe gegeben, sämtliche öffentliche Abgaben nach Art und Erhebung zusammenzustellen. Die Arbeit war gar nicht so leicht, wie sich das sofort ergeben wird, und auch gar nicht so unnötig, da diese Wissenschaft den meisten Landeseinwohnern fehlt. Jeder Mecklenburger hat gerade genug zu tun, um hinter die Geheimnisse seiner eignen besonderen Abgaben zu kommen und erreicht das manchesmal sein ganzes Leben lang nicht. Wir wollen hier den Inhalt des Buches übersichtlich zusammenstellen.
Es gibt in Mecklenburg (Schwerin und Streich):

1) Die ordentliche Kontribution, im Domanium und in der Ritterschaft als Hufensteuer vom Landbesitz oder von der Pacht und sonst als Nebensteuer (im Strelitzschen Capitation genannt). Die Hufensteuer und die Nebensteuer in der Ritterschaft steht landeserbvergleichlich (vom Jahre 1755) fest. Die Landstädte zahlen als ordentliche Kontribution 7 verschiedene Abgaben, von Häusern, von Ländereien, vom Vieh, vom Scharrenschlachten, vom Hausschlachten, vom Getreide zur Mühle, von Kaufmannschaften und sonstigem Erwerb und Nahrung. Diese Abgaben sind in einzelnen Städten ganz oder teilweise aus Zeit durch besondere Abkommen mit den Landesherrschaften fixiert, jedoch nicht die letztgenannte der obigen Abgaben, auch Handelssteuer genannt, eine Abgabe von l-3 Sch. (das Doppelte für die nicht aus Mecklenburg herkommenden Waren, mit Ausnahme von Lübeck) vom Thaler der verkauften Waren, unter Hinzurechnung der Spesen und der schon bezahlten Steuern in den versteuerbaren Wert. Die erhobene Handelssteuer wird jedoch bei dem Verkauf von Waren, welche die Handelssteuer schon anderswo entrichtet haben, (mit Ausnahme von Wismar, dessen Waren die ganze, und von Rostock, dessen Waren die halbe Handelssteuer bezahlen), nicht wieder wahrgenommen. Frei von der Handelssteuer sind vorzugsweise die ländlichen Guts-Produkte, die noch nicht in den Handel übergegangen waren und die Waren, welche von Rostocker Bürgern im Lande angekauft sind. Dafür wird in Rostock die Akzise von Aus- und Einfuhr erhoben, meist 3 %, in einzelnen Fällen 10—16 % vom Wert. In Wismar wird ein Licent Von 3 ½% von der Aus- und Einfuhr zur See erhoben. Neben der Handelssteuer wird nach gleichem Maßstab der 6. Pfennig (in Rostock „Zulage“) mit 25% für städtische Zwecke auferlegt.
Dann kommen die „Landesanlagen“ für besondere Verwilligungen der Stände, so das Domanium, Ritterschaft und Landschaft (die Städte) je 1/2, aufbringen, und zwar zerfallen diese Landesanlagen in ordentliche und außerordentliche, die ordentlichen nur für die ständischen Bedürfnisse und die außerordentlichen zunächst ein Zuschuss zu diesen letzteren, und zwar verschiedene für die verschiedenen Teile der Stände, ferner für das Ober-Appellations-Gericht, die Justizkanzleien, das Kriminalkollegium, das Landesarbeitshaus, die Landesbibliothek, Unterstützung Hilfsbedürftiger, Verzinsung und Schulden einzelner ständischer Teile und Prinzessinsteuer.

2) Die außerordentliche Kontribution, eine Art Personalsteuer in Domanium und Ritterschaft, eine Gewerbe-, Handels-, Personal- und Viehsteuer in den Städten. Wismar zahlt jedoch diese Steuer nur als freiwillige Leistung. Die außerordentliche Kontribution wird als l—4faches Simplum (das Simplum zum Betrag von etwa 120.000 sf) alljährlich erhoben. Hierher gehören ferner die Stempel-, die Collatoral-, die Probenreiter-, die Branntwein- und die Rindviehsteuer.

3) Zölle, im Schwerinschen 27 Haupt- und 53 Nebenzölle, von denen jedoch ein Teil aufgehoben oder auf den Transitzoll der durch Mecklenburg gehenden Eisenbahnen übertragen ist, im Strelitzschen 38 Zollstellen, sämtlich über 300 Jahre alt, nach historischen Zufälligkeiten mitten im Lande angelegt, mit Sätzen von sehr abweichenden Normen. Jede Ware muss so oft Zoll entrichten, als sie eine Zollstelle passiert, mit Ausnahme der ritterschaftlichen und der der Bürger Rostocks, die Zollfreiheit genießen. Ferner Damm- und Brückenzölle, diese in jämmerlicher Höhe in Rostock und Wismar, endlich die Wasserzölle auf Elde, Havel und Stör, so wie vor Allem auf der Elbe bei Boizenburg und Dönitz, diese letztere sehr einträgliche Zölle und eins der Haupthindernisse der Entwicklung des Elbhandels, die zu vermindern die mecklenburgische Regierung den andern Elbuferstaaten bekanntlich die größten Schwierigkeiten entgegensetzt, wobei sie von diesen gelegentlich den strikten Beweis verlangt hat, dass eine Verminderung der Zollsätze wirklich auch die Einnahmen erhöhe, weil sie nicht recht daran glaube.

4) Kommunalsteuer, in Domanium und Ritterschaft vorzugsweise Armen-, Kirchen- und Schulsteuer, doch werden diese auf den großen Gütern von den Besitzern selbst getragen. Für die Landstädte liegt folgendes Register der Kommunalsteuern vor: Schoß, Ackerschoß, Hausschoß, Haussteuer, Service, Feuerordnungsgeld, Dienstgeld, Feldwächterlohn, Nachtwächtergeld, Quatembergeld, Registergeld, Zinsenanlage, Burglehen, Pfändergeld, Baugeld, Kollekte, Wassergeld, Leuchtengeld, Schutzgeld, Schornsteinfegergeld, Kriegsanlage, Mietsteuer, Gewerbesteuer, Hundesteuer usw., ein Verzeichnis das noch ziemlich vermehrt werden könnte, je nach den Ortsüblichkeiten. Ziemlich ähnlich sieht es in Rostock und Wismar aus, wo die städtischen Steuern nur andere Namen führen und höher berechnet werden.

Ein wahres Ungeheuer von Steuerabgaben, wie schon der erste Anblick lehrt und wie die Sache noch schlimmer wird, sobald man die Wirkungen betrachtet. Doch das gehört jetzt nicht hierher. Das mecklenburgische Steuer- und Zollwesen hat seine einzige Milderung in dem landes- und ortsüblichen Schmuggel und Unterschied, gegen welche die Regierung von Zeit zu Zeit mit größerer Fiskalität einschreitet. Wir wünschen dem Lande baldige Genesung aus solchen Zuständen.

Rostock, Giebelhäuser bei der Nikolaikirche

Rostock, Giebelhäuser bei der Nikolaikirche

Rostock, Kröpeliner Tor

Rostock, Kröpeliner Tor

Wismar, Rathaus

Wismar, Rathaus

Wismar, Wassertor

Wismar, Wassertor

Schwerin - Amtsstraße 1839.

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Schwerin - Altes Schloss.

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Warnemünde vom Bauhof.

Warnemünde vom Bauhof.