Das heilige Blut und die Judenverbrennung zu Sternberg (I)

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Sternberg, Judenverfolgung, Judenprozesse, Aberglauben, Katholische Kirche, Religion, Juden-Vertreibung, Feuertod, Blutskapelle, Glaubensgemeinschaft
An dem südwestlichen Ende der Kirche zu Sternberg befindet sich ein Anbau, die heilige Blutskapelle genannt, wo in katholischen Zeiten das damals so hochberühmte heilige Blut aufbewahrt und verehrt wurde. Über die Entstehung dieses wunderbaren heiligen Blutes berichten nun Geschichte und Sage Folgendes:

Um das Jahr 1492 lebte in Sternberg ein wohlhabender Jude, Eleazar mit Namen. Dieser hing mit jener seinem Stamme eigenen Zähigkeit an den Satzungen seiner Väter, und oft schon hatte auch er dieserhalb, wie so viele seiner Glaubensgenossen, von Seiten der Christen Beleidigungen und Kränkungen erdulden müssen. Aufs Tiefste hierüber verletzt und erzürnt, aber zu feige, um öffentlich aufzutreten, sann er darauf, im Geheimen Rache zu üben. Auch er wollte den Glauben der Christen, das, was ihnen heilig, verspotten; jedoch auf eine andere Weise, auf eine ärgere Art, als jene es mit seiner Religion gemacht. Bald fand sich hierzu auch eine passende Gelegenheit.

Es wohnte nämlich zu dieser Zeit ein Priester in Sternberg, Peter Däne, der Vicar am Altare aller Heiligen in dortiger St. Marien-Kirche war. Dieser hatte einmal in großer Geldverlegenheit einen Grapen oder metallenen Topf um vier Schillinge *) bei Eleazar versetzt.

*) Der Wert des Geldes war bekanntlich zu damaligen Zeilen ein viel, viel höherer als jetzt.

Der versetzte Grapen oder Topf aber gehörte nicht dem Priester, sondern seiner früheren Köchin, einem trunksüchtigen Weibe, welche er kurz zuvor, nach den vom Bischofe Conrad Loste zu Schwerin veröffentlichten Synodalbeschlüssen, hatte entlassen müssen.

Das Weib kam nun täglich zu ihrem ehemaligen Herrn und verlangte ihren Grapen. Peter Däne fehlte es aber noch immer an dem nötigen Gelde, um denselben einlösen, sowie auch dem Juden die unterdes schon bedeutend angewachsenen, wucherischen Zinsen bezahlen zu können.

Da das betrunkene Frauenzimmer aber immer heftiger ihr Eigentum zurückforderte, ja zuletzt gar mit Gewalt und Anzeige beim Bischofe etc. drohte, so ging der Priester, um sich das wütende Weib vom Halse zu schaffen und weiteren Skandalen vorzubeugen, endlich selbst zum Eleazar, und bat ihn flehentlich um Rückgabe des Grapens und Fristung seiner Schulden.

Dieser aber wollte hiervon nichts wissen und sich auf kein unsicheres Borgen und dergleichen einlassen. Da erbot sich denn zuletzt Peter Däne in seiner Not, dem Juden, gegen Rückgabe des Grapens, so lange einen Kelch von dem Altare, an welchem er als Priester angestellt war, als Pfand auszuliefern, bis er seine sämtlichen Schulden getilgt haben würde.

Eleazar wollte anfänglich auch hierauf nicht eingehen, sondern bemühte sich, die jetzige Not des Priesters, wo möglich sogleich, zur Ausführung seines längst gehegten Racheplanes gegen die ganze Christenheit zu benutzen und auszubeuten. Deshalb machte er dem Peter Däne den Vorschlag: er wolle ihm den Grapen unter der Bedingung wieder zurückgeben, und damit zugleich auch allen seinen Schuldforderungen entsagen, ja ihm noch obendrein einen halben Gulden dazu schenken, wenn er, der Priester, ihm dafür zwei geweihte Oblaten oder Hostien ausliefern werde.
Peter Däne weigerte sich aber standhaft gegen ein solches Ansinnen und wiederholte immer dringender sein früheres Anerbieten.

Nach vielen! Bitten und Flehen gab denn der Jude auch endlich nach, lieferte dem Priester den Grapen aus und empfing dafür den besagten Kelch zum Pfande.

Teuflisch lächelnd zog der schlaue Jude damit ab. Jetzt hatte er den Peter Däne ja ganz in Händen, der sich nun schon seinem Willen fügen musste und sollte; denn fest war Eleazar entschlossen, dem Priester nicht eher das heilige Gefäß herauszugeben, bis er von ihm erlangt, was er wünschte.

Als nun nach einiger Zeit Peter Däne notwendig den verpfändeten Kelch gebrauchen musste, da musste er sich auch dem Ansinnen des boshaften, starrköpfigen Juden fügen. Und so weihte er denn in seiner größten Not und Angst am Siebenbrüdertage, den 10. Juli 1492, auf dem Altare aller Heiligen in der Sternberger Kirche zwei Oblaten, und wickelte sie in ein Stück Seide, welches er von der Decke eines andern dortigen Altars, des der heiligen drei Könige, abgeschnitten hatte. Am andern Tage übergab er sie dem Juden, welcher ihm dafür den Kelch wieder auslieferte, ihm den versprochenen halben Gulden gab und endlich auch noch allen weiteren Forderungen an Peter Däne entsagte.

Somit fügte also der pflichtvergessene Priester zu seinem ersten Verbrechen noch ein zweites, viel größeres, — den schändlichsten Missbrauch seines heiligen Amtes, — um dadurch das erste zu bemänteln und es so vor den Augen der Welt zu verbergen. Und erreichte er nun auch wohl vorläufig seinen Zweck, blieb auch anfänglich Alles den Menschen verschwiegen, so konnte es doch Gott nicht verheimlicht werden; Er war’s, — wie wir später erfahren werden, — der Alles ans Tageslicht brachte und die Frevler dem Gerichte überlieferte.

Triumphierend brachte der Jude das heilige Sakrament nach Hause und übergab es seinem Weibe, die es darauf in einer Tonne mit Federn versteckte, welche zur Aussteuer ihrer Tochter bestimmt waren.

Bald darnach, am 20. Juli, fand die Hochzeit von Eleazars Tochter mit dem Juden Simon statt. Zu derselben war eine große Menge Glaubensgenossen aus vielen Städten des Landes eingeladen und auch erschienen; alle aber waren Gesinnungsgenossen des Hochzeitsvaters, denn auch sie hassten, so wie er, die Christen gar sehr.

Schon am Morgen des Hochzeitstages, um 8 Uhr, musste Eleazars Weib, auf das Geheiß ihres Mannes, die geweihten Oblaten hervorholen. Dieser ging damit in eine Laube hinter seinem Wohnhause, legte die eine derselben auf einen dort stehenden Tisch und begann nun im Vereine mit seinem Schwiegersone, Simo, und noch drei anderen Juden, Michael Arons Sohn aus Neubrandenburg, Schünemann aus Friedland, Salomon aus Teterow, lästernd und höhnend das Heiligtum mit Nadeln zu durchstechen, woraus sofort etwas Blut tropfte. Erschreckt hierüber packte er alsbald beide Oblaten wieder zusammen und verwahrte sie sorgfältig.

Als aber am späten Abende die Gemüter der Hochzeitsgäste von den reichlich genossenen Getränken erhitzt und aufgeregt waren, als die Lust ihren Gipfelpunkt erreicht hatte und überall die froheste Stimmung und große Ausgelassenheit herrschte, da holte Eleazar noch einmal die beiden Oblaten hervor. Hohnlachend brachte er sie in das große Gesellschaftszimmer und forderte seine Gäste auf, jetzt einmal recht derbe mit ihm den Gott der Christen zu verspotten und sich so für die häufig von ihnen erlittene Unbill zu rächen.

Und williges Gehör, allgemeinen Anklang fand diese Aufforderung; denn Alles stürzte sich sogleich fluchend und schreiend mit fanatischer Gier auf das heilige Sakrament und stieß und stach mit Messern oder Nadeln darnach. Besonders zeichneten sich hierbei, außer den schon genannten fünf Juden, auch noch Sitan Kaszeriges aus Franken, David aus Parchim, Meister Leispe, Israel und Hamburger aus Sternberg und Andere durch ihre blinde Wut aus.

Auch jetzt quoll sofort wieder Blut aus den durchbohrten Oblaten, aber diesmal nicht tropfenweise, wie am Morgen, sondern in so großer Masse, dass allen Juden angst und bange wurde. Diese Angst steigerte sich aber bald zum höchsten Entsetzen, als es Eleazars Weib weder durch Wasser, noch durch Feuer gelingen wollte, das Blut zum Stillestehen zu bringen, geschweige die Oblaten zu vernichten.*)

*) Solche und ähnliche Geschichten, von dem Durchbohren geweihter Oblaten oder Hostien durch die Juden, kommen überall im Mittelalter vor, so soll z. B. auch in Krakow und Güstrow schon früher Ähnliches passiert sein. In Krakow hatten sich nämlich schon im Jahre 1325, und in Güstrow in Jahre 1330 die Juden geweihte Oblaten zu verschaffen gewusst, und dieselben alsdann durchstochen, wonach ebenfalls sogleich Blut geflossen sein soll. In Güstrow wurde dieserhalb 1339 die ganze dort wohnende Judenschaft verbrannt.
Heiliges Blut gab es ferner auch noch in Mecklenburg zu Doberan und zu Schwerin, jedoch hatte beides einen andern Ursprung, wie das von Krakow, Güstrow und Sternberg. Das in der bei der Kirche zu Doberan, noch jetzt sehr gut erhaltenen kleinen heiligen Blutskapelle früher aufbewahrte und verehrte heilige Blut soll schon sehr früh entstanden sein, und zwar, wie wir schon auf Seite 213 bis 215 des ersten Bandes gehört haben, durch eine Oblate, die ein Schäfer aus Steffenshagen im Munde bei sich behalten und darnach, zum Schutze seiner Herde, in seinem Hirtenstab eingeschlossen hatte. Das heilige Blut zu Schwerin aber wurde in der bekannten, jetzt zur fürstlichen Gruft eingerichteten, hinter dem Altar im Schweriner Dom befindlichen heiligen Blutskapelle aufbewahrt und verehrt. Dasselbe soll aus einem in einen Jaspis eingeschlossenen Tropfen des wirklichen heiligen Blutes Jesu Christi bestanden haben. Der Graf Heinrich I. von Schwerin — gestorben 1228 — hatte es von seinem Kreuzzug 1220 aus Jerusalem mitgebracht.


Obgleich nun auch an allen genannten Orten dem heiligen Blute eigene Kapellen errichtet wurden, so gelangte doch keines davon lange nicht zu dem Ansehen und der Berühmtheit, als das später in Sternberg entstandene.

Mit der Reformation ist auch aus den genannten fünf Orten des Landes das heilige Blut verschwunden, und hat natürlich von dieser Zeit an die öffentliche Verwahrung desselben in Mecklenburg ganz aufgehört.

Da traten denn schaudernd alle Hochzeitsgäste zusammen und schwuren sich untereinander durch einen Eid die Geheimhaltung des Vorgefallenen zu. Alsdann wickelte man die blutenden Oblaten in ein dickes wollenes Tuch fest zusammen, rief darauf die bei Eleazar dienende christliche Magd herbei und übergab ihr das Päckchen mit der Weisung: dasselbe so schnell als möglich vor die Stadt zu tragen und es dort in den Mühlenbach zu werfen.

Sträubte sich auch wohl anfangs die Dienstmagd hiergegen, — denn draußen stürmte der Wind, der Regen fiel in Strömen und rabenschwarz war die Nacht,— überfiel sie auch wohl ein eigentümliches, ängstliches Gefühl, so gehorchte sie doch bald, als man ihr ein Stück Geld zum Lohne versprach, und eilte mit dem Empfangenen fort, nicht ahnend, was sie trage.

Mit heimlichem Bangen und im Fluge durchwandelte die Magd die menschenleeren Straßen der Stadt. Doch kaum hat sie das Mühlentor erreicht, da kann sie plötzlich nicht weiter; wie festgebannt steht sie mit einem Male da, ihr ist's, als sinke sie in das Steinpflaster. Eine entsetzliche Angst überfällt das arme Geschöpf; vergeblich müht sie sich ab, vorwärts zu kommen. Da wendet sie verzweifelt den Blick rückwärts; sie kann zurück, und heimwärts wankt sie durch die schauerliche Nacht.

Bleich und entstellt erreicht die Dienstmagd das Haus ihres Brotherrn. „Was bringst Du mir, Unglücksselige? Zurück mit Dir und Deiner Last!" ruft ihr der Jude entsetzt entgegen.

„Ja, wohl war's eine Last, was Ihr mir gabet!" haucht todesmatt die Arme und sinkt entseelt auf der Schwelle des Hauses, zu den Füßen Eleazars nieder.

Am andern Morgen aber fanden die Sternberger mit Staunen und Verwunderung, kurz vor dem Mühlentore in der Stadt, auf einem dort liegenden großen Steine deutlich die Spuren zweier menschlicher Füße eingedrückt. — Als man später den Grund dieses Wunders erfuhr, als man erfuhr, dass Eleazars Magd mit ihrer heiligen Last auf ihrem nächtlichen Gange hier eingesunken und also vom Steine festgehalten worden sei, da hob man denselben aus dem Pflaster und mauerte ihn, zur ewigen Erinnerung an diese wunderbare Begebenheit, in die äußere Wand der dortigen Kirche.

Eleazar musste nun schon, wenn auch mit größtem Widerstreben, die unheilvollen Oblaten wieder an sich nehmen und für die fernere Geheimhaltung seines Verbrechens sorgen, da er nur zu gut wusste, welche Strafe seiner sonst harre. Er wickelte deshalb dieselben wieder aus dem Tuche und übergab sie seinem Weibe, die sie vorläufig in einem hölzernen Leuchterkopf barg. Als aber kaum der neue Tag zu dämmern begann, da eilte sie schon damit zum Priester Peter Däne, und mit den Worten: „Hier habt Ihr Euren Gott wieder, verwahret ihn!" drückte sie ihm das geschändete Sakrament in die erstarrten Hände, und rannte flugs davon.

Peter Däne, außer sich vor Entsetzen und voller Reue über seinen großen Leichtsinn, nahm sich sofort vor, die noch immer blutenden Oblaten, sobald als irgend möglich, wieder zurück in die Kirche zu bringen, oder sie sonst auf dem Kirchhofe zu vergraben. Da er aber diesen seinen Vorsatz nicht unbeobachtet ausführen konnte, so eilte er spät Abends auf den Hof des damals schon sehr verfallenen und leerstehenden fürstlichen Schlosses, und vergrub sie dort an der Stadtmauer.

Bald hiernach aber schon begannen allerlei dunkle Gerüchte die Stadt zu durchlaufen. Das wunderbare, plötzliche Erscheinen der Fußspuren auf dem großen Steine in der Straße vor dem Mühlentore, der unerklärlich schnelle und eigentümliche Todesfall der Dienstmagd des Eleazar, sowie sein eigenes hastiges Verschwinden aus Sternberg etc. hatte allgemeines Aufsehen erregt, und nach und nach wurden denn auch schon allerlei Vermutungen laut.

Nicht lange, so wurde dies Alles auch auswärts bekannt und drang endlich selbst zu den Ohren der regierenden Herzoge, sowie zu denen der höchsten geistlichen Behörden des Landes.

Nach Anderen war es Peter Däne selbst, der zuerst die Aufmerksamkeit der Fürsten und Behörden erregte, indem er persönlich nach Schwerin reiste und Anzeige von der Entweihung des heiligen Sakramentes machte; wobei er aber wohlweislich seine eigene, große Schuld und den argen Missbrauch seines Amtes verschwieg. Denn einfach gab er nur an, ein Geist sei ihm erschienen, habe ihm einen von dem Juden Eleazar an zwei geweihten Oblaten verübten Frevel geoffenbart und ihn somit zur Vergrabung des geschändeten Heiligtums vermocht.

Und in der Tat soll auch dem Priester immer des Nachts ein Geist erschienen sein und ihm keine Ruhe gelassen haben, weshalb er denn höchsten Ortes in der angegebenen Weise Anzeige machte, indem er hoffte, schon hierdurch Ruhe und Vergebung seiner großen Sünde zu finden. Auch soll dort fortwährend Blut aus der Erde gequollen sein, wo Peter Däne auf dem Fürstenhofe die Oblaten vergraben hatte. Dieser letzte Umstand, die Angst vor Entdeckung, sowie das böse Gewissen kann nun also auch immerhin den Priester zu eigener Anzeige veranlasst haben.

Dem sei nun wie da wolle, genug, am 29. August 1492 erschienen, plötzlich beide Landesherren, die Herzoge Magnus und Balthasar,*) mit großem Gefolge, mit vielen Geistlichen, fürstlichen Räten und sonstigen Würdenträgern in Sternberg, um selbst an Ort und Stelle strenges Gericht abzuhalten.

Zuerst musste Peter Däne beide Oblaten wieder ausgraben, die darauf in feierlicher Prozession nach der Kirche getragen und dort einstweilen auf dem Hauptaltare niedergelegt wurden. Alsdann aber begannen die verschiedenen Verhöre und sonstige, damals übliche gerichtliche Prozeduren.

*) Die Herzoge Magnus II. — geb. 1441, gest. 20. November 1503 — und Balthasar — geb. 1451, gest. 7. März 1507 — waren die beiden jüngsten Söhne des im Jahre 1477 gestorbenen Herzogs Heinrich IV. von Mecklenburg. Nach dem Tode ihres ältesten Bruders, Herzogs Albrecht VI., im Jahre 1483 — ihr zweiter Bruder, Herzog Johann VI., war schon bei Lebzeiten des Vaters, im Jahre 1474, gestorben, — fiel ihnen, da zu dieser Zeit alle andern regierenden herzoglich mecklenburgischen Linien ausgestorben waren, die alleinige Regierung sämtlicher mecklenburgischer Lande zu.

Lange Zeit währte es, ehe es gelang, die Wahrheit herauszubringen; da alle Hauptangeklagten, unter diesen auch besonders Eleazars Weib, nichts bekannten und Alles hartnäckig ableugneten und Eleazar als den allein Schuldigen hinstellten. Dieser aber war und blieb verschwunden; gleich schon am Tage nach der Hochzeit seiner Tochter hatte er, — wohl aus Furcht, dass Alles entdeckt werden könne und seiner dann die größte Strafe harre, — Sternberg heimlich verlassen, und nie ist er dahin wieder zurückgekehrt und Keiner weiß, wo er geblieben.

Schon hofften die Verbrecher mit dem bloßen Schrecken davon zu kommen und bald als unschuldig freigesprochen zu werden. Aber sie irrten sich gar sehr; denn unvermutet ließ man plötzlich, zu ein und derselben Zeit, alle inländischen Juden, die der Hochzeit im Eleazars Hause beigewohnt hatten, in ihren verschiedenen Heimatstädten gefänglich einziehen und sie so nach Sternberg bringen. Am 22. Oktober wurden alle peinlich verhört und nun kam denn auch Alles, der ganze Hergang von der Schändung des Heiligtums, nebst allen Nebenumständen etc., sowie auch Peter Dänes grobe Amtsverletzung vollständig ans Tageslicht.

Hiernach wurde sofort das Urteil gesprochen, es lautete: „Tod durch das Feuer den Ketzern, den Schändern des heiligen Sakramentes Jesu Christi!" Und schon am zweiten Tage darnach, am 24. Oktober 1492, wurde dasselbe auch wirklich, in Gegenwart beider Landesfürsten, auf einem Berge vor den Toren Sternbergs vollzogen.

Es waren ihrer 27 Juden, 25 Männer und 2 Frauen, — Eleazars Weib und deren nahe Verwandte, die Mutter Simons, — welche also auf den Holzstoß wandern mussten, um elendiglich verbrannt zu werden. Sie alle hatten die geweihten Oblaten entweder durchstochen, oder doch das Verbrechen durch Rat und Tat mitfördern helfen.*)

Ruhig und gefasst gingen sämtliche Verurteilte den schweren Weg zum Scheiterhaufen. Als der edle Herzog Magnus, dem es gewiss wehe tat, ein so hartes Strafgericht vollstrecken lassen zu müssen, unterwegs einen derselben, den Juden Aaron mitleidig fragte: „Warum folgst Du nicht unserm heiligen Glauben, um durch die Taufe mit uns gleicher himmlischer Seligkeit zu genießen?" da antwortete Aaron fest: „Edler Fürst, ich glaube an den Gott, der Alles kann und Alles geschaffen hat, an Ihn, Dessen Verehrung unsers Volkes Vater, Abraham, und sein Sohn, Isaack, und unsere andern Vorfahren, welche nie von unserm Glauben abgefallen sind, geboten haben. Er, so glaube ich, ließ mich Mensch werden und Jude. Hätte er mich zum Christen haben wollen, so hätte Er mich nicht meinem heiligen Bekenntnisse zugewendet. Wenn es Sein Wille gewesen wäre, hätte ich Fürst sein können, wie Du!!" Da schwieg er und ging trotzig weiter.

Mit festem Mute, ohne Sträuben und Tränen erduldeten alle Juden den Feuertod; und heilige alttestamentliche Gesänge ertönten von ihren Lippen, bis die hochauflodernden Flammen ihre Stimmen erstickt und somit ihrem Leben ein Ende gemacht hatten.**)

*) Eleazars Tochter, Simons junges Eheweib, wurde nicht mit verbrannt, sondern war, weil sie unschuldig an dem Verbrechen befunden, freigesprochen worden.
**) Um ferner ähnliche Verbrechen unmöglich zu machen, wurden hiernach sofort sämtliche in ganz Mecklenburg wohnende Juden des Landes verwiesen. Wer sich von ihnen nicht taufen lassen und Christ werden wollte, sollte innerhalb einer bestimmten, kurzen Frist auswandern. Nur wenige ließen sich taufen, alle anderen aber mussten mit Weib und Kind, mit Hab und Gut ins Ausland flüchten, da allen Behörden anbefohlen war, mit eiserner Strenge das fürstliche Gebot zu vollziehen.
So verschwanden denn mit einem Male alle Juden aus unserem Vaterlande, und fast 200 Jahre hat es gewährt, ehe sich die ersten derselben hier wider ansiedelten; denn einesteils verweigerten die verschiedenen Städte ihre Wiederaufnahme, andernteils soll aber auch Mecklenburg von den jüdischen Rabbinern in den Bann getan und von ihnen die Rückkehr nach dort verboten gewesen sein. — In Sternberg aber, welches besonders mit dem Banne belegt worden war, gab es 300 Jahre später noch keine ansässigen Juden wieder, obgleich da schon längst wieder in fast allen inländischen Städten solche wohnten.


Den Priester Peter Däne aber hatte man nach Rostock gebracht und dort vor das dortige geistliche Gericht gestellt. Dasselbe verurteilte ihn ebenfalls zum Feuertod. Am 13. März 1493 wurde er feierlichst seines geistlichen Amtes entsetzt und des priesterlichen Gewandes beraubt, alsdann aber geschoren und in ein kurzes weltliches Kleid gesteckt und dem Henker übergeben. Dieser setzte ihn auf einen Schinderkarren, zwickte ihn mit glühenden Zangen an allen Straßenecken, und führte ihn so vom Markt aus vor die Tore der Stadt, auf den Scheiterhaufen.

Auch Peter Däne ging gefasst in den Tod; still und ergeben erlitt er alle Martern und Qualen und hauchte reuevoll sein Leben aus.