Das gerettete Mecklenburg. 1852

Aus: Ein Neujahrsgruß aus Mecklenburg an Deutschland. 1853
Autor: anonym, Erscheinungsjahr: 1853
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Landesgeschichte, Verfassung, Einschrenkung der Rechte, Politische Lage, Landeverweisung, Auswanderung, politisch Andersdenkende, Einschränkung der Pressefreiheit und politischer Vereine
Drei Jahre sind nun beinahe verflossen seit dem 15. April 1850, wo das Ministerium Bülow-Schröter-Brock die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten übernahm und durch Unterwerfung unter das Schiedsgericht den Umsturz der Oktoberverfassung begann, mit welcher zwar, bis auf einige Ritter, alle Mecklenburger zufrieden waren, unter deren Herrschaft auch sonst Niemand Unruhe und Unordnung anstiftete, als diejenigen Mitglieder der früheren Landesvertretung, welche sich darin nicht finden konnten, dass jetzt nicht mehr der Besitz eines Gutes, sondern das Vertrauen des Volkes zur Gesetzgebung berufen sollte, welche aber doch wohl viele dem Auge des Volkes verborgene Fehler gehabt haben muss, weil man ihren Umsturz sonst sicherlich nicht um den dabei eingesetzten hohen Preis erkauft haben würde.

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Man kann nun zwar nicht behaupten, dass von Seiten des gedachten Ministeriums bereits etwas Wesentliches geschehen sei, um die bei seinem Eintritt in die Geschäfte abgegebene Zusicherung zu erfüllen, dass auch nach dem in Aussicht genommenen Umsturz der Oktoberverfassung der in der Großherzoglichen Proklamation vom 23. März 1848 betretene Weg fortdauernd werde innegehalten werden. Vielmehr ist die Tätigkeit des Ministeriums fast nur auf möglichst gründliche Beseitigung aller Spuren der Jahre 4848 und 1849 gerichtet gewesen, und von Ansätzen zu neuen Schöpfungen nach Anleitung der Märzproklamation noch nirgends etwas sichtbar geworden. Aber man wird sich dieses Verhalten ohne Zweifel so zu erklären haben, dass man vor allen Dingen die alten Zustände glaubte in völliger Reinheit wieder herstellen zu müssen, um dann mit einem neuen Anlauf auf geebneter Bahn wieder vorwärts dringen zu können; und wenn man diese Annahme für begründet hält, so wird jetzt wohl der Zeitpunkt gekommen sein, wo in Rückschritten keine Fortschritte mehr zu machen sind, und man daher, mit den Proklamationen vom 23. März und 15. April in der Hand, auf das Signal zum Vorgehen horchen darf. Denn dass wirklich noch etwas versäumt sein sollte, um die Erinnerung an das Staatsgrundgesetz und die Zeit, in welcher es entstand, in unserem Gedächtnis auszulöschen, wird man kaum behaupten können, wenn man die Geschichte der letzten Jahre sich vergegenwärtigt.

Ehe noch das Staatsgrundgesetz völlig beseitigt war, begann schon die Zügelung der Presse mittelst einer der Bayerischen Gesetzgebung entlehnten scharfen Verordnung wider den Missbrauch der Presse vom 26. Juni 1850. Als auch diese noch nicht die erwartete Wirkung tat, ward noch die Verordnung vom 12. Juli 1851 zur Unterdrückung von Zeitschriften hinzugefügt, welche, Anfangs nur bis zu Ende des Jahres gültig, später bis zum 1. Jan. 1853 ausgedehnt ward. Mit Hilfe dieser letzteren Verordnung wurden „Reinhards Reformblatt“, die „Wismarsche Dorfzeitung“ und das „Rostocker Wochenblatt“ unterdrückt. Auch an Presseprozessen fehlte es nicht. Unter Anderen ward Reinhard wegen Pressevergehens zu dreimonatlichem Gefängnis und einer namhaften Geldbuße verurteilt.“

Eine Verordnung vom 27. Jan. 1851 machte den Versammlungen und Vereinen zu politischen Zwecken ein Ende. In Gemäßheit derselben sahen die Reformvereine und die in mehreren Städten vorhandenen Arbeitervereine sich genötigt, ihre Auflösung zu beschließen. Untersuchungen wegen politischer Verbindungen folgten nach, und selbst eine zu Rostock bestehende Volksbibliothek erhielt die Weisung, mit der Ausgabe von Büchern nicht weiter fortzufahren.

Mit diesen Maßregeln gingen verschiedene Ausweisungen aus politischen Gründen Hand in Hand. Friedensberg, Kornacker, Felsing, Bakenberg mussten im August 1850, teilweise in Gendarmenbegleitung, das Land räumen. Dem Beispiele der Landesregierung folgte auch die Stadt Rostock, indem sie Reinhard, Nagel und später Retslag, nachdem diesem die Erlaubnis, als Privatdozenten der Universität Vorlesungen zu halten, von der Regierung wieder entzogen war, aus ihren Mauern verwies. Bei der Zulassung von neuen Privatdozenten ward die politische Richtung einer strengen Prüfung unterzogen. Auch unter den bereits Angestellten ward nach diesem Maßstabe aufgeräumt. So wurden drei Professoren der Universität, Türk, Wilbrandt und J. Wiggers, welche als Abgeordnete an der Vereinbarung des Staatsgrundgesetzes und außerdem an politischen Vereinen und Versammlungen zu einer Zeit, als diese noch unter dem Schutze des Gesetzes standen, sich beteiligt hatten, ihres Amtes entlassen.

Das Kriminalkollegium leitete verschiedene politische Prozesse ein, unter welchen einer mit einer großartigen Haussuchung bei vielen früheren Abgeordneten eröffnet ward, die aber nur zu dem Ergebnis führte, dass diese Maßregel von dem höchsten Landesgericht für eine rechtlich durchaus unbegründete erklärt und das Kriminalkollegium zur Erstattung der Kosten angehalten ward. Eine Deklarator-Verordnung des Gesamt-Ministeriums zum Gesetz vom 29. April 1848 vermochte dieses Ergebnis nicht abzuwenden.

Nachdem das Staatsgrundgesetz beseitigt war, wurden am 5. Oktober 1850 auch die deutschen Grundrechte aufgehoben, ebenso am 26. Februar 1851 das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit. Mit der Aufhebung der Grundrechte war die freie Bahn gewonnen für die Wiederherstellung der körperlichen Züchtigung und für die erneuerte Vollziehung von Todesstrafen, welche in Mecklenburg länger als 26 Jahre geschlummert hatte, so wie für vieles Andere, was mit den Bestimmungen der Grundrechte sich nicht vertrug.

Eine schärfere Zucht ward in verschiedenen Richtungen angestrebt. Die Zahl der Gendarmen ward vermehrt, den Forstoffizianten wurden erweiterte Befugnisse zum Gebrauch ihrer Waffen gegen Forstfrevler eingeräumt. Eine Bekanntmachung des Justiz-Ministeriums regelte die Vollziehungsweise der Zuchthaus- und Festungsstrafen zu Dreibergen. Den wilden Ehen ward durch ein Zirkularschreiben an alle Obrigkeiten des Landes gesteuert.

Auch in religiöser Beziehung übte das Auge des Ministeriums die strengste Wachsamkeit. Grabreden zu halten ward den Nichtgeistlichen untersagt. Die alten Verordnungen über Heiligung der Sonn- und Festtage wurden von Neuem eingeschärft. Doch wusste man, als diese alten Satzungen den Feierlichkeiten am Geburtstage des Großherzogs zu nahe zu treten drohten, diesem Übelstande durch rechtzeitige Gestattung einer Ausnahme mit eben so großem Takt als rücksichtsvoller Milde auszuweichen. Der Landeskatechismus ward wieder in seine alten Rechte eingesetzt, und noch mehr als das, indem er auch den Privatschulen aufgezwungen ward. Das Konsistorium, dessen meiste Stellen neu besetzt waren, ermunterte sich zu einer lange nicht wahrgenommenen disziplinarischen Tätigkeit und verbreitete durch Absetzungen von Predigern einen heilsamen Schrecken. Die Ausbreitung des Katholizismus in Mecklenburg veranlasste zu Maßnahmen der Abwehr, unter welchen besonders die Vertreibung eines vom Kammerherrn von der Kettenburg angenommenen und mit dem Heimatsrecht bewidmeten katholischen Priesters hervorragt, bei welcher nur, ebenso wie in den früheren Fällen der Landesverweisung im Jahre 1850, auf das Recht der Gutsbesitzer, die Gutsangehörigkeit nach ihrem freien Ermessen und Gutdünken zu verleihen, die bis dahin beobachtete Rücksicht nicht genommen werden konnte.

Dagegen wurden den Gutsbesitzern ihre früheren Befugnisse zur Legung von Bauern, unter Aufhebung eines mit der Abgeordnetenkammer vereinbarten Gesetzes, auf Antrag der Ritterschaft vollständig zurückgegeben. Sonst ist für die Regelung der Verhältnisse der ländlichen Bevölkerung im Wege der Gesetzgebung erst noch das Weitere zu erwarten.

In den Städten ward auf eine Reinigung der Stadtverfassungen von den seit 1848 in dieselben eingedrungenen Elementen der Neuzeit namentlich auf Entfernung der Juden aus den Bürgerausschüssen und Herstellung des ständischen Prinzips in der Bürgervertretung Bedacht genommen. In Rostock ward auf Antrag und mit Hilfe des dortigen Magistrats die Quartiersverfassung wieder an die Stelle einer freigewählten Bürgervertretung gesetzt, zwar nur provisorisch, doch auch jetzt nach mehr als Jahresfrist noch immer ohne den Anschein, das dieses Provisorium einmal einem Definitivum weichen werde. Wenn bei der unter dem Einfluss des Ministeriums in Güstrow eingeführten neuen Stadtverfassung nicht das ständische Prinzip der Vertretung sondern das Dreiklassenwahlsystem zu Grunde gelegt worden ist, so scheint diese dem letzteren zugewandte Gunst, welche sich auch auf dem ersten wieder abgehaltenen neuen Landtage in einem vom Ministerium vorgelegten Entwurf einer allgemeinen Reform der bürgerschaftlichen Vertretung kund gab, doch längst einer anderen Überzeugung gewichen zu sein.

Da zahlreiche und tüchtige Kräfte Mecklenburgs zur Auswanderung ihre Zuflucht nehmen mussten, weil sie in ihrem Vaterland trotz seiner Fruchtbarkeit und geringen Bevölkerung in Folge der bestehenden Einrichtungen den nährenden Boden nicht zu finden vermochten, so sind durch eine Verordnung die Agenten für Auswandererbeförderung unter strengere Aufsicht gestellt worden.

Dies ist das Bemerkenswerte, was für die Wiederherstellung der Ordnung in den inneren Verhältnissen des Landes geschehen ist. Nach Außen hin hat sich Mecklenburg dem neuen Bundestage wieder angeschlossen, und die Verbindung der Deutschen Kokarde mit der Mecklenburgischen wieder abgeschafft.

Wir halten nach diesem Überblick die Annahme nicht für gewagt, dass es bereits gelungen sei, Mecklenburg auf den vormärzlichen Standpunkt so vollständig zurückzuführen, dass, wenn dabei die Absicht vorschwebte, in der Herstellung der vormärzlichen Zustände für die Durchführung der proklamierten Verheißungen einen sicheren Ausgangspunkt zu gewinnen, dieses Ziel als erreicht angesehen werden darf, man demnach jetzt an die Ausführung der Verheißungen gehen kann. Der durch die Proklamation vom 23. März vorgezeichnete Weg, der nach der Proklamation vom 15. April unter allen Umständen inne gehalten werden soll, ist nicht leicht zu verfehlen. In der zuerst genannten Proklamation wird zuerst die Notwendigkeit einer Reorganisation des deutschen Bundes anerkannt, die nur unter Mitwirkung volkstümlicher Elemente erfolgen könne. Dann werden folgende Sätze aufgestellt. Eine Reform der Landesvertretung ist dringendes Erfordernis und würde auch, abgesehen von dem Zwange der Zeitereignisse unvermeidlich gewesen sein. Mecklenburg muss und soll unverzüglich in die Reihe der konstitutionellen Staaten eintreten. Pressefreiheit, freies Vereinsrecht, Bürgerbewaffnung liegen im Geiste dieser konstitutionellen Verfassung. Daneben handelt es sich um alle diejenigen Gesetze, welche zur Einführung des veränderten politischen Systems in die verschiedenen Gebiete des staatlichen Lebens erforderlich sind. Auch soll unverzüglich eine gründliche Verbesserung der Justiz pflege, insbesondere eine neue Organisation der Gerichte und Einführung des Anklageprozesses bei öffentlichem und mündlichem Verfahren einen Gegenstand der Beratung der neu zu schaffenden Volksvertretung bilden.

Zur Ausführung der hier niedergelegten Gedanken sind bedeutende Kraftanstrengungen erforderlich, welche zu den bisher im Dienste der Rettung Mecklenburgs vollbrachten Leistungen in gar keinem Verhältnisse stehen. Und doch erschöpften die Verheißungen der Proklamation noch nicht entfernt dasjenige, was an Erwartungen und Hoffnungen von der Zukunft das Herz des Mecklenburgers erfüllt.
Den 1sten November 1852.

Schwerin - Amtsstraße 1839.

Schwerin - Amtsstraße 1839.

Schwerin - Altes Schloss.

Schwerin - Altes Schloss.

Doberan um 1800

Doberan um 1800

Doberan Herzogl. Palais

Doberan Herzogl. Palais

Bützow.

Bützow.

Dargun um 1800.

Dargun um 1800.

Dömitz.

Dömitz.

Dreibergen.

Dreibergen.

Gadebusch.

Gadebusch.

Goldberg.

Goldberg.

Güstrow im Jahre 1632.

Güstrow im Jahre 1632.

Güstrow - der Dom.

Güstrow - der Dom.

Heiligendamm von See aus.

Heiligendamm von See aus.

Malchin - Marktplatz.

Malchin - Marktplatz.

Neu-Strelitz - Residenzschloß.

Neu-Strelitz - Residenzschloß.

Neubrandenburg - Stadttore.

Neubrandenburg - Stadttore.

Neukloster um 1800.

Neukloster um 1800.

Neustadt - Altes Schloß.

Neustadt - Altes Schloß.

Parchim.

Parchim.

Penzlin.

Penzlin.

Plau.

Plau.

Ratzeburg.

Ratzeburg.

Rehna um 1830.

Rehna um 1830.

Röbel.

Röbel.

Rostock Altstadt

Rostock Altstadt

Rostock Blücherplatz 1844

Rostock Blücherplatz 1844

Schwerin - Altstadt 1842.

Schwerin - Altstadt 1842.

Schwerin - Dom.

Schwerin - Dom.

Sternberg - Marktplatz.

Sternberg - Marktplatz.

Teterow.

Teterow.

Waren.

Waren.

Wismar - Markt.

Wismar - Markt.