Das Strandrecht *) und des Himmels Strafe an die Strandräuber von Dassow.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Von Rud. Samm., Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Strandrecht, Unglück, Schiffsunglück, Lebensrettung
Der Tag verlischt, es hüllet grausend
Die Nacht den dunklen Himmel ein.
Und die Orkane peitschen sausend
Ein wogend Meer an das Gestein,
Und Blitze speisend, unter Krachen
Teilt sich der Himmel, wie ein Nachen.

Was ist's, das durch die düstern Lichter
Erhellt sich zeigt am Horizont?
Warum drängt sich das Volk noch dichter
Dem Meere zu, wo Schrecken wohnt?
Ein Schiff ist in Gefahr dort drüben,
Die Menschen wollen Strandrecht üben.

Und immer höher schäumt die Welle,
Und immer tiefer sinkt der Mut
Der Schiffer — plötzlich fasst mit Schnelle
Das Schiff ein Strudel voller Wut —
Zertrümmert ist das stolz' Gerüste,
Ein Angstschrei dringt zur nahen Küste.

Doch nicht vom Mitleid angezogen,
So eilt das Volk dem Orte zu,
Nach jener Stelle, wo die Wogen
Das Schiff zersplitterten im Nu;
Nicht Hülfe bringt man diesen Armen,
Die jammernd rufen um Erbarmen.

Nein, nur zu bergen jene Beute,
Die wild das Meer ans Ufer spie,
Stürzt sich die räuberische Meute
Hinein ins Wasser bis ans Knie.
Die Schiffer mit dem Tode ringen,
Und bald wird sie das Meer verschlingen.

Die Opfer haben ausgelitten,
Die Wellen ziehen sie hinab,
Nichts half ihr Flehn, ihr angstvoll Bitten,
Die Meerestiefe wird ihr Grab.
Noch tiefer sinkt die Nacht hernieder,
Und Todesnacht deckt ihre Glieder.

Vom Ufer her hört man erklingen
Gesänge wilder, roher Lust —
Ist's möglich, dass noch Menschen singen,
Wenn ohn' Gefühl die Meuschenbrust? —
Ja, jubelnd lagert dort am Strande
Die zügellose Räuberbande.

Und auf die Nacht mit ihren Schrecken
Folgt jetzt ein Tag, so sonnig klar —
Willst du, oh Sonne, sie erwecken
Mit deinen Strahlen wunderbar?
Umsonst, denn schon, verklärt im Lichte,
Zeigt sich der Tod im Angesichte. —

Doch sieh! an weiter Himmelsveste
Strahlt jetzt des Feuers roter Brand;
Verkohlter Stätten Überreste.
Sie zeugen von allmächt'ger Hand.,
Der Frevler Häuser sind vernichtet —
Der Himmel selber hat gerichtet!

*) Das Strandrecht oder Grundruherecht, diese verabscheuungswürdige Befugnis, ist sehr alt und war ehedem in Deutschland und andern Ländern fast allgemein üblich und durch besondere Gesetze geregelt, wenn man so sagen darf. Die Prediger flehten sogar in den Kirchengebeten zu Gott, dass er den Strand segnen, das heißt, recht viele Schiffe verunglücken lassen möge. Indessen wurde dieses Denkmal der Barbarei nach und nach meist stillschweigend aufgehoben und in Deutschland sogar durch Reichsgesetze abgeschafft. Dafür wurde den Landesherren und ihren Untertanen ein sogenanntes Bergerecht zugestanden, wonach ein Teil der geretteten Güter Denen, die sie retteten — den Bergern — ein Teil dem landesherrlichen Fiscus, und nur der dritte Teil dem Eigentümer zufällt. Doch schon seit langer Zeit hat man in Preußen und Mecklenburg von dem Bergerechte keinen Gebrauch mehr gemacht, in Dänemark aber wurde es noch vor wenigen Jahren ausgeübt.

Alte Schiffskompasse Tafel 01

Alte Schiffskompasse Tafel 01

Alte Schiffskompasse Tafel 04

Alte Schiffskompasse Tafel 04

Englischer Kompass, Tafel 05

Englischer Kompass, Tafel 05