Das Meer, seine Bewohner und seine Wunder - Die Piraten

Autor: Vollmer, Carl Gottfried Wilhelm (1797–1864) deutscher populärwissenschaftlicher Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1837
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Piraten, Seeräuber, Piratenschiffe, Lösegeld, Piratenleben, Seefahrer
Die Piraten

Die Bildung und Lage der ausgedehnten Küsten und unzähligen Inseln an und in den östlichen Meeren macht sie zum Sitze der Seeräuber ganz besonders geeignet, und da sich dort zugleich eine starke Bevölkerung von Fischern und Matrosen zusammen drängt, so entwickelt sich der räuberische blutdürstige Charakter immer mehr. Schon in den frühesten Zeiten der Bekanntschaft mit jenen Gegenden trieb das Raubgesindel dort sein Wesen. Als zuerst die Engländer jene Meere, die von den Portugiesen beherrscht waren, befuhren, litten sie nicht eben viel von den Piraten, da alle ihre Schiffe auf den Kampf mit der Nation berechnet waren, welcher sie Indien abzunehmen gedachten, auch wurden die Seeräuber bald von der Coromandelküste, zwischen den Sunderbundsinseln und den Klippen von Chittagong vertrieben; dagegen behaupteten sich dieselben von der Küste von Malabar längs derselben, vom Kap Comorin bis zum Meerbusen von Cambay (Halbinsel Guzurat), so wie von dort zum Delta des Indus und zum persischen Golf, in großer Anzahl, meistens unter sehr talentvollen geschickten Kriegern. Sie waren es, die der Natur jener Gegenden längst ihre Launen und ihre Gefahren abgemerkt hatten, und den englischen Offizieren im Jahr 1607 die erste Nachweisung über das periodische Eintreten der Mansuhns gaben, etwas, das für die Seefahrer von hoher Wichtigkeit ward, und die ganze Schifffahrt auf einmal regelte, und die Zeit der Hin- und Herreise festsetzte. Die wildeste Tapferkeit zeichnete diese Piraten aus, so dass es schwer oder unmöglich war, ihnen Widerstand zu leisten. Ihr Hauptmanöver war die Enterung; bevor sie jedoch diese unternahmen, steigerten sie ihre Tollkühnheit und Verwegenheit noch durch Bang, ein Präparat aus Hanfblättersaft oder Hanfsamen, Opium, Areka und verschiedenen Gewürzen, welches bis zum Wahnsinn berauscht; dann lösten sie ihr langes schwarzes Haar auf, ließen es im Winde flattern, und stürzten mit wütendem Gebrüll sich in den Kampf, wobei sie niemals Pardon gaben, sondern niedermetzelten, was ihnen in den Wurf kam.

Vor Allen der berühmteste war der Pirat Angria, dessen Vater und Großvater sich schon gefürchtet gemacht hatten, und der nun gar von dem Mogul den Ehrentitel eines Fürsten des Meeres erhielt, und einen förmlichen Seeräuberstaat organisierte, indem er sich in der Nähe von Bombay ein kleines Reich eroberte, die Hauptstadt desselben auf das Trefflichste befestigte, und durch Ziegelmauern, Rasen- und Lehmwände ihr einen bedeutenden Schutz gegen feindliche Anfälle gewährte. Diese Sicherheit, noch vermehrt durch den seichten Hafen, welcher Kriegsschiffen gar keine Annäherung gestattete, lockte viele Tausende von Abenteurern aller Nationen herbei, Christen, Muselmänner, Mongolen, Maratten, Indier, Malayen, Perser, Neger hatten sich unter der Fahne des Raja des Meeres versammelt, welche am Lande ein zügelloses Leben führten, jedoch auf ihren Schiffen eine musterhafte Disziplin zeigten, durch deren außerordentliche Strenge Angria seine Siege ertrotzte.

Die Kriegsfahrzeuge, mit denen er seine Seeräubereien ausübte, waren Galliwats und Grabs. Die ersteren sind sehr leichte Schiffe von einem Verdeck, ohne Kiel gebaut, nur vier Fuß tief im Wasser gehend, dabei außerordentlich lang, und im Stande, eine Last bis auf 100 und 150 Tons zu tragen. Ihr Verdeck besteht aus gespaltenem Bambusrohr, welches in zwei Reihen über einander gelegt wird; die erste Reihe wendet ihre Höhlungen nach oben, und bildet so lauter nebeneinander liegende tiefe Rinnen, die zweite wird so gelegt, dass die gerundete Seite nach oben kommt, und jeder Bambusstreifen in zwei unter ihm liegende Rinnen passt, wodurch das Verdeck beinahe das Ansehen unserer alten mit hohlen Pfannen gedeckten Hausdächer bekommt. Es ist dieses Dach so fest, dass es keinen Tropfen Wasser durchlässt, weder Meereswellen noch Regengüsse können eindringen, doch ist es so leicht, dass dem Schiffe nicht die mindeste Last auflegt. Unter dem Verdecke stehen einige Kanonen; nach der Größe des Schiffes und der Bemannung, welche von 100 bis auf 300 steigt, sind deren 3 , 4 bis 12. Das Galivat führt nur ein Segel, ein sogenanntes lateinisches, dreieckiges, welches an einem schräg stehenden Rah, hoch über die Spitze des Mastes emporragt, bei Windesstille wird es eingezogen, und die Piraten greifen zu den Rudern und treiben das Schiff wie eine Galeere, auf welche Art sie sechs Seemeilen (anderthalb geographische) binnen einer Stunde zurücklegen. Die Grabs sind große Schiffe, sie tragen 150 bis 300 Tonnen, gehen aber nicht tiefer im Wasser als jene, sind nur breiter und länger, haben zwei Masten, an denen Segel auf Art der europäischen quer herüber hangen; sie führen 8 bis 20 Kanonen, 300 bis 500 Mann, und sind die schnellsten Segler, die es gibt, so dass sie eine Fregatte in großer Geschwindigkeit überholen, hauptsächlich wohl, weil sie hinten und vorne spitz gebaut sind, das Wasser leicht durchschneiden und darüber hingleiten, so dass sich vor ihrem Schnabel niemals ein Bart bildet. Mit ein Paar solcher Grabs oder Gallivats, griff Angria die größten Schiffe an und ward ihrer in kurzer Zeit Meister.

In den kleinen Baien und Buchten längs der Küste lagen zahlreich die Grabs und Galivats der Piraten versteckt. So wie sie von ferne ein Segel auftauchen sahen, lichteten sie ihre Anker, kamen aus dem Verstecke hervor, griffen das Schiff an, enterten, plünderten es und ließen es dann wieder fahren; Kriegsschiffe jedoch, nachdem sie Proviant und Munition daraus genommen, zündeten sie an und ließen sie in die Luft fliegen. Auf diese Art hatten die Engländer schon manche Fregatte, manches Linienschiff verloren; es ward denn endlich beschlossen, dem Unwesen ein Ende zu machen, den Ausschlag aber gab hierzu eine so unerhört kühne Raubtat, dass dadurch auch die schläfrigsten aus ihrer Ruhe aufgeschreckt wurden. Drei holländische Kriegsschiffe, eins von 50, eins von 36 und ein drittes von 24 Kanonen, waren zugleich, und zwar im Angesicht des Hafens von Bombay, in welchem die ganze englische Flotte lag, von den Kapern genommen worden, sie hatten nach vollbrachter Plünderung die beiden größeren in Brand gesteckt und das kleinste ans Schlepptau genommen, um es in den Hafen von Geriah zu bugsieren, hatten es jedoch, da es zu tief ging, auch verbrannt. Solche Macht und solche Dreistigkeit war den Engländern zu furchtbar, als dass sie nicht an ihre Vernichtung hätten denken sollen. Sie verbanden sich daher mit den Maratten, welche die Landarmee stellen sollten, während sie selbst zur See anzugreifen gedachten; um jedoch dies mit glücklichem Erfolge tun zu können, gebrauchten sie eine kleine Kriegslist, welche, wenn es nicht die engländische Macht gewesen wäre, die sie ausgeübt, einen andern, etwas gehässigern Namen erhalten hätte. Sie schlossen nämlich mit den Piraten ein förmliches Friedensbündnis, zahlten 50.000 Guineen und versprachen jährlich eine gleiche Summe, wenn er die englische Flagge respektieren, d. h. Schiffe, welche dieselbe führten, nicht angreifen wollte. Dann lief Lord James von Bombay aus, legte sich so nahe als möglich bei Geriah vor Anker, ließ sich's sehr angelegen sein, die Feste von allen Seiten aufs Genaueste aufzunehmen, und kehrte dann, nachdem er von Angria höchst freigebig mit Lebensmitteln versehen worden war, nach Bombay zurück; erklärte, dass die Festung zwar sehr stark, doch nicht unüberwindlich sei, zugleich meldete er, dass es keinen günstigeren Zeitpunkt zur Ausführung des Schlages gäbe, da die ganze Flotte der Piraten sich im Hafen befinde; sogleich schritt man zur Blockade, — vier Linienschiffe ersten Ranges, zwei des zweiten Ranges, vier Fregatten, sechs Grabs und sechs Bombardiergalioten erschienen vor der Festung. Angria frug an, was diese starke Macht jetzt, da er im Frieden mit den Engländern sey, vor seinem Hafen wolle, man beruhigte ihn über die Absicht, durch das Vorgeben, dass man einer französischen Escadre aufpasse, welche, von Pondicheri nach dem Delta des Indus bestimmt, hier vorbei gehen solle; dann bat man um Lebensmittel und frisches Wasser. Sogleich brachten die ehrlichen Räuber, welche europäischer Feinheit nicht gewachsen waren, alles Geforderte in großer Menge herbei, und beraubte sich selbst der Mittel, eine längere Belagerung zu überdauern. Kaum hatten sie sich auf solche Weise entblößt, als auch 30.000 Mann Maratten von der Landseite herkamen und die Stadt einschlossen. Jetzt sah Angria, mit wem er zu tun gehabt, aber nun flog auch der Tod aus allen seinen Geschützen auf die Maratten und die englischen Schiffe, die ganze Bai schien im Feuer zu stehen; am ersten und zweiten Tage konnten die Engländer sich durchaus nicht so weit nahen, um der Stadt einigen Schaden zu tun, doch in der Nacht des dritten Tages legten sich die Bombardierschaluppen so nahe vor den Eingang des Hafens, dass sie die darin befindlichen Schiffe erreichen konnten und einige zwanzig derselben in Brand steckten, obwohl zu ihrem eigenen Schaden, denn die Piraten zur Verzweiflung gebracht, wollten sterben, aber zuvor noch Rache suchen; so segelten die brennenden Schiffe aus dem Hafen, durch den dichtesten Kugelregen hindurch, neun derselben wurden bei diesem Versuche in den Grund gebohrt, die übrigen gewannen das Meer und legten, ob die Schiffe der Engländer auch Tod und Verderben aus hundert glühenden Erzschlünden spieen, Feuer an zwei Fregatten und zwei Schiffe der Linie, sich mit denselben in die Luft sprengend.

Trotz des ungeheuren Schadens, den man erlitten, setzte man die Belagerung fort, und um nicht mehr auf der See beunruhigt zu werden, wurden die Maratten zum Sturm beordert, welcher sechs Tage hinter einander zweimal wiederholt wurde, bis das Marattenheer auf die Hälfte geschmolzen war. Der nächste Sturm musste die Festung in die Hände der Belagerer liefern, es gab keine gesunde Hand mehr in derselben, es gab beinahe kein Pulver mehr — wenigstens wurde kein Schuss erwidert, jetzt rückten die Schiffe so nahe als möglich, die Bombardierschaluppen näherten sich aus einige hundert Schritte, und unaufhörlich donnerten die schwersten Geschütze, bis am nächsten Morgen ungeheure Breschen ungehinderten Eingang in die Feste versprachen. Die Landungstruppen wurden ausgesetzt, und diese eroberten nach einem ungeheuren Blutbade die Feste. Noch Hunderte blieben, durch die letzten Kräfte der Piraten, von den Leitern hernieder in die zackigen Felsschluchten gestürzt, doch bald erlahmte jeder Arm, kein Mann war in Geriah, der nicht fünf, sechs und mehr Wunden hatte, keiner, der nicht schon halb verhungert war, nur Leichen fand man in der Stadt, und ein schreckliches Schauspiel, welches sich in dem Augenblicke entwickelte, als die Engländer die Zinnen der Mauern überstiegen. Um eine Pagode her, die Heiligtümer der Hindu enthaltend, war eine ungeheure Masse von geteertem Schiffsbauholz, von dürren Brettern, Tonnen, Bambusrohr und Hanf aufgetürmt, dort befanden sich, umgeben von diesen brennbaren Stoffen, die Weiber und Kinder der Piraten. Als die Engländer den Platz gestürmt hatten, erhob sich von dort her ein entsetzliches Geheul, das nach und nach in den prasselnden Flammen erstickte, welche die Weiber, da sie sahen, dass keine Rettung mehr möglich, selbst entzündet, um nicht den Engländern in die Hände zu fallen — diese aber schafften die seit fünfzig Jahren aufgehäuften Schätze in die Schiffe, wiesen die Maratten, welche Teil an der Beute verlangten, lachend zurück und sprengten dann Geriah in die Luft.

Der schreckliche Schlag, der hier die berüchtigte Angriasflotte traf, hatte zu Folge, dass das Raubgesindel sich großenteils auf die arabische Küste zog, wo dasselbe mit offenen Armen empfangen ward. Obwohl indessen von ihrer Hauptstation vorläufig vertrieben, verließen die Räuber die Küste von Malabar nicht ganz, und gegen Ormuz zu trieben sie ihr Wesen ärger als je, und Schach Abbas schloss ein Bündnis mit den Engländern zur Verteidigung der Küsten, nachdem er mit ihrer Hilfe Ormuz selbst erobert hatte. Dabei war die sehr reiche Beute zu gleichen Teilen an die Engländer und Perser gekommen, obwohl die Ersteren nur fünf Schiffe von etwa dreißig bis fünfzig Kanonen gestellt hatten, während das Perserheer 50.000 Mann betrug. Man fand, wie geschichtliche Urkunden bezeugen, in dem Kastell so viel bares Geld, dass man es nicht zählte oder wog, sondern es nach gefüllten Langbooten verteilte, und bei dieser Gelegenheit zeigte sich die Habsucht der Engländer auf die schmutzigste Weise. Ein solches Boot ging von der Geldlast schon sehr tief im Wasser, ein Offizier aber warf noch immer mehr hinein, da schwur der Bootsmann, er werde für jede Schaufel voll, die noch hineinkomme, zwei Schaufeln voll in die See werfen, denn er wisse nicht, was sie befriedigen sollte, wenn es ganze Langboote voll Geld nicht vermöchten. Überdies ward den Engländern die Hälfte des Zolles, den man von den eingeführten Waren erhob, zugesichert, dafür, dass sie die Küsten säuberten von jenem Raubgesindel, und die Engländer gestehen selbst, dass der persische Schach bei jener Verbindung sich mit seltener Treue und Redlichkeit benommen; bald indessen ward die Mannschaft des zerstörten Raubstaates wieder rekrutiert, und wie sie vorhin plünderte, um sich zu bereichern, so raubte, mordete, brannte sie jetzt, um sich zu rächen, und um dabei recht con amore zu Werke gehen zu können, und jedem Gedanken an Widerstand zu begegnen, brachten sie ein furchtbares Schreckenssystem in Anwendung, töteten Alles, was sich ihnen widersetzte, es mochte welcher Nation auch immer angehören, und begingen die furchtbarsten Grausamkeiten, in denen, wie wir später, sehen werden, nur die Europäer sie zu übertreffen wissen. Der Kampf der Räuber mit den Engländern dauerte mit wechselndem Glücke fort bis zum Jahre 1819, da kam ein Kreuzer der ostindischen Compagnie mit einem Piratenschiff zusammen, welches sich für einen Kauffahrer ausgab, und bat, man möchte ihm den Golf hinauf das Geleit geben. Der erbetene Schutz ward bewilligt, und als nun beide Fahrzeuge so mit einander Strich hielten, spie das Barbarenschiff, dem es mittelst eines plötzlichen Manövers gelungen war, sich an die Seite seines Begleiters zu legen, urplötzlich einen Haufen bisher verborgen gehaltener Raubgesellen an Bord des Kreuzers und nahm ihn nach kurzem Widerstande. Der größte Teil der Mannschaft ward gemordet, die Übrigen verstümmelt; als die Räuber jedoch eines andern englischen Kreuzers ansichtig wurden, entflohen sie auf ihren Ruderbooten hinter die Sandbänke ihrer Küsten. Man fand den Kapitän des gekaperten Schiffes mit abgeschnittener Nase und Ohren, kopfunter am Mastbaum hängend, ein Schicksal, das viele von der Mannschaft geteilt hatten.

Die Präsidentschaft von Bombay ergriff nunmehr Maßregeln, die Räuber zu bestrafen, und rüstete die Kriegsschiffe, den Liverpool von 50, den Eden von 26, den Brachvogel von 18 Kanonen aus, nahm viele Kreuzer, Kanonen- und Mörserboote mit und schickte sie im Dezember 1810, unter Kommando des Sir Francis Collier, 5.000 Mann Landungstruppen aber unter General Keir, nach Ras Al Khyma (Piratenvorgebirge), um dasselbe, das schon einige Jahre früher zerstört worden, abermals zu erobern und dann ganz zu schleifen. Zu dieser Expedition hatte sich der Iman einige tausend Mann zu stellen verbunden, welche sich auch den Durchgang durch die Gebirgspässe erzwangen und mit den Engländern zusammen trafen. Man fand die Festung stärker wieder hergestellt, als sie früher gewesen; hohe Lehm- und Steinmauern umgaben dieselbe, und mächtige Wälle und Bastionen flankierten sie von allen Seiten, während die Meeresfronte in regelmäßigen Zwischenräumen mit starken Batterien besetzt war. Kaum war das Lager formiert und die Festung eingeschlossen, als such schon die wahrhaft ritterliche Tapferkeit der Araber den Feinden Bewunderung abnötigte, sie griffen sie in den Trancheen an und legten in dem sich daraus entspinnenden Handgemenge Beweise eines rücksichtslosen Mutes ab, indem sie sich nicht zurückzogen, nicht zum Weichen zu bringen waren und der Kampf nicht eher aufhörte, als bis sie alle unter den Bajonetten der Engländer gefallen waren. Die wilde Tollkühnheit vermochte übrigens nichts gegen die starre Disziplin und die geregelte Tapferkeit der Belagerer; die Stadt ward beschossen und nach mehrtägiger Kanonade Befehl zum Sturm gegeben, dieser aber wurde nicht abgewartet, die Piraten zogen auf der einen Seite aus der Festung, während die vereinten Truppen des Iman von Mascat und der ostindischen Compagnie auf der andern Seite einzogen — dann ward die Stadt völlig geschleift, dem Boden gleich gemacht, ein Fort zu einer englischen Besatzung angelegt, und in allen kleinen Seehäfen längs der arabischen Küste die Piratenfahrzeuge zerstört, doch ohne besondern Erfolg, bis endlich nach wiederholten Schlachten, großen und kleinen Gefechten, der ganze räuberische Araberstamm mit Stumpf und Stiel ausgerottet wurde.

Die Macht und der Einfluss dieser Piraten sind trotz der oft erlittenen Züchtigungen doch sehr groß. Alle Schiffe, die nicht Freipässe bei ihnen gelöst, sind der Plünderung ausgesetzt, auch die offenen Küstenstädte und Dörfer müssen sich mit ihnen auf solche Weise abfinden. Hat ein Schiff ihnen mutigen Widerstand geleistet, so lassen sie nach errungenem Siege gewöhnlich einige über die Klinge springen, Europäer aber, Chinesen oder Malaien von Stand behalten sie der Auslösungssumme wegen in Gefangenschaft, nur die chinesischen Kriegsjunken haben sich vorzugsweise ihren Hass zugezogen, sie schlagen die Mannschaft immer mit Bambusstöcken tot und hauen sie in Stücke. Sir Edmund Scott, ein adeliger Engländer, lange in jenen Gegenden stationiert, scheint jedoch an Erfindungsgeist alle übertroffen zu haben, welche vor ihm dort gewesen, er erzählt von sich selbst Dinge, die man keinem andern glauben würde, und meint, dass diese Räuber eine Standhaftigkeit im Leiden zeigten, die selbst ihren großen Feinden Bewunderung abnötige. Er hatte einen armen Teufel auf Brandstiftung ertappt, dieser weigerte sich, seine Mitschuldigen zu nennen, und seines Starrsinns wegen ließ er ihn erst mit scharfen glühenden Eisen unter die Nägel seiner Finger und Zehen brennen, ihm dann die Nägel abreißen, und weil er noch immer starrköpfig blieb, und Sir Edmund Scott glaubte, die Extremitäten seien durch festes Zusammenschnüren derselben gefühllos geworden, brannte man ihn an den Armen, Schultern und dem Nacken, aber auch dies blieb ohne Wirkung; man stieß ihm nun die glühende Eisenstange durch die Hand, zerriss ihm Fleisch und Sehnen durch Raspeln, indem zugleich seine Schienbeine mit glühenden Eisen geschlagen wurden, alsdann ließ der Engländer kalte eiserne Schrauben in die Knochen des Unglücklichen hineinschrauben, sie plötzlich wieder herausreißen, ihm alle Finger und Zehen mit Zangen zerbrechen; trotz alle dem aber vergoss er keine Träne, drehte nicht einmal den Kopf zur Seite und bewegte weder Hände noch Füße, und wenn man ihn nun wieder befrug, so streckte er die Zunge zwischen die Zähne und stieß das Kinn gewaltsam auf die Knie, um sich dieselbe so abzubeißen. Nachdem Edmund Scott solcherart ihm die schwersten Martern angetan, ließ er ihn wieder fest in Eisen legen und ihn den Ameisen übergeben, welche in seine Wunden krochen und ihn, wie aus seinen Mienen zu schließen war, ärger folterten, als die guten Engländer es vermochten. Die königlichen Offiziere verlangten nun, Scott sollte ihn erschießen lassen, was er seines Teils für einen solchen Menschen viel zu gut hielt, doch weil sie auf ihrer Forderung bestanden, ließ er ihn aufs Feld hinausschaffen, an einen Pfahl binden und auf ihn schießen; der erste Schuss nahm ein Stück des Armes mitsamt dem Knochen hinweg; der zweite Schuss fuhr ihm neben der Schulter durch die Brust, der Gemarterte sah gesenkten Hauptes nach der Wunde — beim dritten Schuss hatte sich einer der Schützen einer Kugel bedient, die in drei Stücke zerschnitten war, sie traf seine Brust in drei Punkten und scheint tödlich gewesen zu sein, denn er sank so weit nieder, als die Stricke, mit denen er gebunden war, es erlaubten; zu guter Letzt ward er in Stücke zerschossen. Es ist bei diesem ganzen Faktum zweifelhaft, über wen man mehr staunen solle, über den sinnreichen Mann, der so teuflische Martern angegeben, oder den Unglücklichen, der sie auszuhalten im Stande war.

Lange Zeit waren die Piraten Gebieter des östlichen Meeres, und manches Schiff ward wohl zu den Vermissten gezählt und für gescheitert angenommen, was von ihnen ausgeplündert und in den Grund gesenkt oder verbrannt worden war. Bevor man dieses Diebsgesindel besser kannte und dessen Unternehmungen zu würdigen wusste, so wurden zwei Schiffe unter Kapitän Davis, bei Patane vor Anker liegend, von Leuten geentert, die vorher auf diesen Schiffen freundlich und vollauf bewirtet worden waren, es entspann sich darauf ein lebhafter Kampf, in welchem Davis unter vielen Dolchstichen fiel, und da die Angreifer bei dieser blutigen Attacke sich weigerten, Pardon zu nehmen, wurden sie alle bis auf einen vom Schiffsvolk niedergemetzelt, bevor man sagen konnte, man habe sich wieder in den Besitz des Schiffes gesetzt. Auf Kapitän Hamilton geschah ein noch schrecklicherer Angriff; dieser war mit einer großen Escader viele Jahre lang im indischen Archipel stationiert, um den Handel zu beschützen — plötzlich ward er bei Banjarmaching mit vier Schiffen abgeschnitten, indem über hundert Proahs, Kähne mit mehreren hundert Mann und mit sechs bis acht Kanonen besetzt, ihn umringten. Die englischen Schiffe sprühten von allen Seiten Feuer, und das dabei unter den Malaien angerichtete Blutbad war fürchterlich, indem sie mehr als 1.500 Todte und vielleicht doppelt so viel schwer Verwundete und Verstümmelte hatten, dennoch gingen die beiden kleineren englischen Schiffe mit dem größten Teil der Mannschaft in Feuer auf, und den größeren gelang es nur dadurch zu entkommen, dass sie sich mit der größten Anstrengung von den immerfort auf sie geworfenen Enterhaken und Tauen frei zu halten suchten — sie waren so hart mitgenommen, dass sie ihre Niederlassung in jener Gegend aufgaben.

Noch in der Gefangenschaft sind diese Piraten höchst gefährlich und suchen jedes Mittel hervor, um sich für die angetane Schmach zu rächen. Der Bictor, eine englische Kriegssloop, hatte auf der Höhe von Java drei Räuberboote genommen, und, da Windstille eintrat, sich vor Anker gelegt und die genommenen Proahs an den Flanken und am Hinterteil befestigt. Die Gefangenen, etwa 150, waren an Bord genommen und eine starke Wache über sie gesetzt; da sich aber die Mannschaft des dritten Bootes weigerte, ihr Fahrzeug zu verlassen, so ward aus einer Caronade und aus mehreren Flinten Feuer auf sie gegeben, welches jene mit Lanzenwürfen und Pistolenschüssen erwiderten. Es ward nunmehr mit einer Kanone des hintern Teils unter sie geschossen, wobei eine Quantität Pulver, die man aus den beiden andern Booten genommen, Feuer fing und der hintere Teil der Kriegssloop in die Luft flog. In diesem schrecklichen Augenblick verließ die Wache, mit Zurücklassung ihrer Gewehre, den Posten, der ihr übertragen worden, um löschen zu helfen. Die Gefangenen ergriffen sogleich die Waffen und nahmen auch mehrere der an Bord geworfenen Speere und Messer auf und begannen damit einen blutigen Kampf. Durch mehr als zwei Stunden dauerte dieser fort, bis mit ungeheurer Anstrengung der Offiziere und der Mannschaft das Feuer gelöscht war, worauf man die Befestigungstaue der Proahs abschnitt und sie forttreiben ließ, worauf sich wieder Alles zur Verteidigung des Schiffs wandte, welches so gut wie in Feindes Hand war — nach einer halben Stunde aber lagen nun mehr als achtzig Mann von den Räubern teils tot, teils ganz zerfetzt auf dem Verdeck, und der Rest war über Bord gesprengt, die Szenen von Mord und Brand in blutig geröteter Nacht waren fürchterlich, und die Finsternis vermehrte die Schrecken, welche auf die Verteidiger einstürmten — auch kamen sie nicht ohne Verlust des Kommandeurs, des ersten Lieutenants, des Constables und einiger dreißig Mann davon, welche teils sogleich blieben, teils an den erlittenen schweren Verwundungen starben.

Alle Bewohner der kleinen Inseln zwischen und um Borneo, Celebes, Sumatra etc. sind Räuber. Am ärgsten berüchtigt aber sind die Suluhs und Illanuhns; die ersten bewohnen den kleinen Archipel Sulu, von welchem sie ihren Namen haben, zwischen Borneo und Mindanao; die Illanuhns aber sind eine der zahlreichsten Völkerschaften auf der letzt genannten Insel selbst, um Mindanao wohnend. Wenn die Suluhs ihre Räubereien auf die Philippinen beschränken, welche sie schon seit dreihundert Jahren, den spanischen Niederlassungen zum Trotz, heimsuchen, so haben sich die andern ein größeres Feld ausgesucht; sie strecken ihre Polypenarme, mach Beute gierig, bis zu den Gewürzinseln einerseits, und bis zu der Straße von Malacca andererseits aus. Es steht zwar in Manilla eine Flotte von kleinen Kanonenschiffen, um wider diese Piraten zu kämpfen, auch sind zu ihrer Beaufsichtigung mehrere Forts erbaut, so das stärkste zu Sambeangam auf Mindanao, jedoch helfen diese schwachen Vorsichtsmaßregeln sehr wenig gegen die tollkühnen Unternehmungen der Schwarzen, welche oft zur Nachtzeit an das Land steigen und die Einwohner unter den Mauern der Forts hinwegführen, ja selbst Mitglieder der Besatzung rauben und sie nur gegen ein ihrem Range angemessenes Lösegeld frei geben, weshalb auch zu Manilla eine Stiftung der barmherzigen Brüder besteht, welche bestimmt ist, dem Privatvermögen der Gefangenen das Fehlende zuzulegen, damit dieselben in Stand gesetzt werden, sich zu befreien.

Außer den Piraten, welche ans ihrem Gewerbe kein Hehl machen, nehmen auch noch eine Anzahl kleiner Fürsten jener Inseln Anteil an den Räubereien, tragen zu den Kosten der Ausrüstung ihrer Schiffe bei und beziehen dafür eine bestimmte Rente von der gemachten Beute, daher denn auch die Inseln fast ganz mit Räubern bevölkert, die Ufer mit ihren Booten umkränzt sind und nur ein wohlbewaffnetes Schiff es wagen darf, die vielen Meerengen zu passieren. Zu den verwegensten und glücklichsten jener Korsaren gehört der weit berühmte Piratenfürst Radscha Raya, welcher seit mehr als zwanzig Jahren alles, was ihm an Schiffen vorkam, besiegte, seine Expeditionen sind stets kühn und schlau, aber auch barbarisch. — Während seines Noviziats unter einem erfahrenen Häuptling war er durch die Wachsamkeit englischer Kreuzer oft großen Gefahren ausgesetzt, so nahm im Januar 1808 die Fregatte Draco zwei der drei Schiffe seines damaligen Gebieters, nahe an der Straße Malacca, und verbrannte dieselben, das dritte Proah schlich sich landwärts davon, auf diesem befand sich der nachmalige Räuberfürst und rühmte sich seines glücklichen Entkommens als einer schlauen Tat, durch welche er die Weißen überlistet; er wird nicht lange darauf selbst Häuptling, ist seit jener Zeit noch immer eine Geißel jener Gegenden, und rühmt sich, mehr als vierzig Befehlshaber europäischer Kriegsschiffe gefangen und eigenhändig getötet zu haben; sein Heldenmut ist fast unwiderstehlich; im Jahre 1813 nahm er drei englische Schiffe zu gleicher Zeit, fast jedesmal greift er ihm weit überlegene Feinde an, seine Bravour ist daher auch nicht nur sprichwörtlich, sondern der Gegenstand vieler Dichtungen in der wohltönenden Malaischen Sprache geworden.

Von den vielen Scharmützeln, welche zwischen den englischen Kreuzern und den Piraten vorfielen, möge nur eines aus der neuesten Zeit hier Platz finden. Den 20. April 1834 ging die Kriegssloop, der Harrier (Windhund), von dem Kapitän Dushal befehligt, bei den Arroasinseln in der Malaccastraße vor Anker, und es fuhren darauf Abends zwei Offiziere und vier Mann in einem kleinen Boot nach der größten der Inseln auf den Schildkrötenfang, eine starke Bande der Seeräuber überfiel diese, und nur der Schiffsmeister rettete sich durch Schwimmen. Sogleich wurden die Boote des Kriegsschiffes ausgesetzt, um die Proahs der Räuber zu nehmen oder zu zerstören. Nun machte die Bande rund um das Gebüsch, das die Ufer kränzte, ein lebhaftes Feuer, welches die Engländer jedoch nicht am Landen hinderte, auch verließen die Räuber bald ihren Posten und zogen sich zurück, weil ihr Anführer verwundet worden; doch da sie eine feste Stellung fanden, wehrten sie sich in derselben bis auf den letzten Mann, taten den Engländern großen Schaden und konnten nicht eher überwunden genannt werden, als bis der letzte Mann gefallen war. Drei Proahs wurden gefunden, die Mannschaften und die Lebensmittel auf das Schiff gebracht, die Boote selbst aber verbrannt.

Die Proahs sind von verschiedener Größe, führen Drebassen und Kanonen, die letztern von zwei bis acht Stück und verhältnismäßig fünfzig bis hundert und fünfzig Mann, welche mit Speeren, Krits (großen Dolchen) und vielen Feuerwaffen versehen sind. Die Fahrzeuge werden so gebaut, als ob man ein Fass machte, sie werden gebunden wie Fassdauben, auch legt man zwischen die einzelnen Stücke Schilf, um durch das Aufschwellen desselben das Schiff vollkommen dicht zu machen, sie haben dann ein mit Büffelleder überzogenes Verdeck, sind sonst aber so schlecht in ihrer Form, dass, bei äußerst niedrigem Vorderteil, das Wasser fast immer hineinschlägt, deshalb stets eine Querwand auf demselben angebracht ist, um dieses möglichst zu verhindern; dennoch, wie sehr die Piraten auch den Mangel der Bauart einsehen, gehen sie nicht davon ab. Eine andere Art von Schiffen, Korokorra genannt, hat die Form des Viertelsmondes, mit gewaltig hoch aufsteigendem Hinter- und Vorderteil, dieses hat wieder die Unbequemlichkeit, nickt ein Steuerruder führen zu können, weshalb dasselbe zwei große Ruderschaufeln braucht, wie man sie aus Zeichnungen von antiken Ruderschiffen wohl kennt. Wegen der großen Anzahl Menschen, welche diese „lang geschnabelten Meerschiffe“ mit Rudern beschäftigen können, kommen sie ungemein rasch vorwärts.

Die Angriffsweise der Piraten ist sehr behutsam, sie gehen nicht auf Kampf, sondern auf Beute aus, und zeigen ihre Verwegenheit nur, wenn sie müssen. Sie liegen versteckt am Lande und lauren auf eine Gelegenheit; ersehen sie nun ein Schiff, dem sie sich gewachsen glauben, dann greifen mehrere zugleich an, legen sich vor den Bug des Schiffs, so dass dasselbe keinen Gebrauch von seinem Geschütze machen kann. Nach stundenlangem Plänkeln, wenn die Mannschaft des angegriffenen Schiffes ermüdet ist, oder sich verschossen hat, entern die Piraten in Masse, und nun beginnt ein schreckliches Blutbad, welches gewöhnlich nur mit dem letzten Atemzuge der Besiegten ein Ende hat. Die meisten Seefahrer glauben, dass nur gut gebaute Dampfschiffe in jenen Gegenden mit Sicherheit fahren können, weil sie nicht von Wind und Wetter abhängig, teils den Räubern zu entkommen hoffen dürfen, teils aber, da man sie von geringer Tiefe bauen kann, im Stande sind, in allen Buchten und Schluchten einzulaufen und die Piratenselbst in ihren Verstecken aufzusuchen.

Das Versteck im Ostseesand

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Angriff der Barbaresken

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Schatzkiste am Ostseestrand

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