Das Haus der Welt.

Autor: Morgenstern, Christian (1871-1914)
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Du wohnst in einem Hause, das viele Menschen mit dir zugleich bewohnen. Einer dieser Hausgenossen ist ein auf den Tod Kranker, von dem du weißt, und viele der andern wissen es mit dir, daß ihm jeder Lärm, vor allem jede irgendwie laute und grelle Musik zur vollkommenen Folter und Marter wird. Da erscheint ein Mann mit einer Ziehharmonika vor dem Hause und fängt an seine Operetten zu spielen. Dein erster Gedanke ist: Dem Mann muß sofort ein Geldstück gegeben werden, das ihn veranlaßt, sein Spiel einzustellen und weiterzugehen. Aber du kannst es nicht, denn du liegst selbst zu Bett und deine Bedienung ist ausgegangen. Aber das ganze übrige Haus! Einer wird doch gleich dir auf den Gedanken kommen, wenigstens einer aus der nächsten Umgebung des Kranken. Niemand rührt sich. Der Musikant spielt eine Viertelstunde lang, er überbietet sich.
Wie dieses Haus, so ist das Haus der Welt. Einer darinnen vielleicht hat jeweilig den rechten ursprünglichen Gedanken — den Gedanken, der sich im Grunde von selbst versteht — aber er ist an seiner Ausführung gehindert. Vielen andern geht auch noch so etwas Ähnliches durch den Sinn — aber sie lassen es beim Gedanken von vornherein bewenden. Ermiß daraus die Kraft der Originalität des Menschen, berechne daraus die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit einer wahrhaft originellen Handlung.