Das Gefängniswesen von der wirtschaftlichen Seite.

Aus: Bremer Handelsblatt: Wochenschrift für Handel, Volkswirtschaft und Statistik. Jahrgang 1860. Nr. 430-481
Autor: Redaktion - Bremer Handelsblatt, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Gefängniswesen, Strafe, Haftstrafe, Justiz, Zuchthaus, Verbrecher, Verbesserung der Haftbedingungen, Rückfall-Quote,
Die Verbrecher sind dem Staate im Laufe der Zeit immer teurer geworden. Das waren — vom Standpunkt eines Finanzministers gesprochen — noch goldene Tage, als der Dieb gehängt und der Betrüger Landes verwiesen wurde! Könnte einer der alten Strafrichter wiederkehren und sehen, wie wir den räudigen Schafen der Herde einen Anspruch auf vieljährige oft auf lebenslängliche Fütterung zugestehen, den wir den übrigen allen doch absprechen, er würde Gott danken, diese gräuliche Verschwendung nicht erlebt zu haben, sondern einem Zeitalter anzugehören, in denen die Ausgaben für haltbare Stricke, für zwei aufrechtstehende und einen quer-liegenden Balken, sowie für einige Marterwerkzeuge vom spanischen Stiefel bis zum Rade alles waren, was die geheiligte Kriminaljustiz kostete. Was er vollends sagen würde, wenn er von der heutzutage im Schwange gehenden Absicht jedem Bösewicht sein eigenes Zimmer einzuräumen vernähme, lässt sich gar nicht erraten. Wahrscheinlich würde er schaudern und schweigen. Aber es würde ihm klar sein, dass mit den gesunden Grundsätzen der Strafrechtspflege zugleich alle finanzielle Besonnenheit die verkommende Menschheit verlassen habe.

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Wir vermuten, dass sich mitunter in Leuten, die sonst nicht viel von einem Beisitzer der hochnotpeinlichen Hochgerichte der Vorzeit an sich haben, dem Gefängniswesen gegenüber gleichwohl Gefühle regen, wie sie ein solcher, wenn er den Revenant spielte, von Rechtswegen empfinden möchte. Es ist eine gar zu starke Zumutung, dass man viel Geld für diejenigen ausgeben soll, die Eigentum und Leben ihrer Mitbürger angegriffen oder bedroht haben. Je bequemer ein Mittel sie unschädlich zumachen ist, desto genehmer. Töten zwar verbreitet in unseren gelüfteten Straßen einen üblen Geruch. Verbannen setzt ein Land voraus, das sich den Auswurf anderer Länder gefallen lässt. Aber wenn man nicht umhin kann Verließe zu bauen, die die friedlich erwerbende und genießende Gesellschaft vor ihren Feinden schützen, so soll es wenigstens so einfach und wohlfeil wie möglich geschehen. Ein paar umfängliche Zuchthäuser und damit gut.

Wer so spricht oder denkt, der sieht, gerade wie kopfschüttelnde Strafrichter der Vorzeit, die Sache nur von der einen Seite. Er hält sich bloß bei den Kosten auf, die dem Staate durch Gefängnis-Verbesserungen erwachsen. Er übersieht jene anderen Kosten, welche der Staat, oder welche die den Staat ausmachende Gesellschaft — was am Ende so ziemlich auf dasselbe hinausläuft — durch Gefängnisverbesserung ersparen.

Unter diesem Gesichtspunkte aber sind die verschiedenen Formen der Haft überhaupt noch wenig angesehen worden. Wenn man die Zahl der Rückfälle vergleicht, so geschieht es in der Regel um die Vorzüge der Einzelzelle vor dem gemeinschaftlichen Saal entweder herauszustreichen oder anzuzweifeln. Weniger wird der Vorteil berücksichtigt, der der Gesamtheit erwächst, sobald die Rückfälle dauernd abnehmen. Und doch ist dies sogar ein doppelter Vorteil. Entlässt der Kerker seinen Insassen gebessert, so spart der Staat die Ausgaben für eine abermalige Einkerkerung; so gewinnt aber gleichzeitig auch die Gesellschaft die Arbeit eines ihrer Mitglieder, der bisher nicht nur selber müßig ging und auf Anderer Kosten lebte sondern dessen ganze Energie dahin gerichtet war, andere um die wohlverdiente Frucht ihrer Arbeit zu bringen, und folglich im Verhältnis seiner verbrecherischen Erfolge den stärksten Reiz zur Arbeit in Anderen abzuschwächen. Dies sind Folgen, die sich dem forschenden Blicke beinahe entziehen, so lange sie einzeln auftreten, die aber in Erstaunen setzen, wo die Statistik einmal ihre imponierenden Resultate nachweist.
Allerdings hat hier die Statistik das Meiste noch zu tun. Aber was sie bereits geleistet hat, lässt immerhin schon einige wichtige, und wir glauben, entscheidende Schlüsse ziehen, die wir noch in Kürze bezeichnen wollen.

Gleichviel woran es liegen mag: in allen Ländern, wo solche Beobachtungen angestellt sind, hat man neuerdings, sofern die alten Zuchthäuser fortbestanden, eine Zunahme der Verbrechen und insbesondere der Rückfalle bemerkt. In Württemberg z. B. hat sich zwischen 1830 und 1854 die Bevölkerungsziffer von 1.575.000 auf 1.784.000 Einwohner, die Zahl der jährlich in die Gefängnisse eingelieferten Rückfälligen aller von 962 auf 2.182 gehoben. Wo dagegen die Zelle den Saal verdrängt hat, ist ebenso bestimmt, wenn auch natürlich noch nicht seit langen Jahren und an vielen Orten, das Gegenteil wahrgenommen. Wir führen hier nur Pennsylvanien an, von wo die Einzelhaft ihren wohltätigen Rundgang um die Erde angetreten hat. Zwischen 1830 und1850 hat sich dort die Bevölkerung ungefähr um 70 Prozent vermehrt und die Summe der Verbrecher um 60 Prozent vermindert. Wir können Niemanden zwingen, hieraus mit uns die Folgerung abzuleiten, dass das Zellengefängnis im Vergleich zum alten Zuchthause ein wahrer Tempel der Menschlichkeit sei. Aber so viel folgt unwidersprechlich daraus, dass diejenigen in den Tag hineinreden, welche das alte System wohlfeiler und wirtschaftlicher nennen, als das neue. Sie sehen bloß die eine Seite; wenn sie um die Ecke gehen, so werden sie sich über ihre eigene Blindheit wundern. Recht hätten sie nur in dem einen Falle, wenn ein kleines gegenwärtiges Opfer um eines großen künftigen Gewinnes willen Unsinn und die Thaler der Staatskasse kostbarer, als die Thaler anderer Leute wären. Am wenigsten Recht haben sie in einem republikanischen Gemeinwesen.

Dreibergen.

Dreibergen.

Bützow.

Bützow.

Dömitz.

Dömitz.